April 2003

030407

ENERGIE-CHRONIK


Fehler im Notkühlsystem von Biblis A

Im Zuge des Wiederanfahrens nach einer Reparatur wurde im Block A des Kernkraftwerks Biblis festgestellt, daß die Ansaugöffnungen der Notkühlpumpen kleiner als vorgeschrieben waren. Wie das Bundesumweltministerium am 18. April mitteilte, war die Ansaugfläche nur drei anstelle von 5,9 Quadratmetern groß. Der Reaktor sei deshalb vorübergehend stillgelegt worden. Das Ministerium maß dem Befund "gravierende Bedeutung" bei und beauftragte die Reaktor-Sicherheitskommission mit einer Untersuchung. Unter anderem soll sie klären, ob die Ansaugflächen schon seit Betriebsbeginn des Reaktors im Jahr 1974 zu klein waren oder erst später durch Einbauten halbiert wurden.

Nach Angaben des hessischen Umweltministeriums betrug die "Bruttofläche" des Ansaugbereichs nur 5,9 statt der vorgeschriebenen 7,3 Quadratmeter. Der Betreiber RWE Power teilte am 22. April mit, daß er den Ansaugbereich inzwischen auf knapp zehn Quadratmeter vergrößert habe, und zwar durch Öffnung von zwei Inspektionsschächten, die mit Gittern versehen worden seien. Man rechne deshalb mit einer schnellen Genehmigung für das Wiederanfahren, sagte Pressesprecher Manfred Lang. (FR, 23.4.)

Im hessischen Landtag forderten sowohl die SPD als auch die Grünen eine Sondersitzung des Umweltausschusses. Sie werteten das Vorkommnis als Bestätigung für die Richtigkeit des Ausstiegs aus der Kernenergie. Gemäß der Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Kernkraftwerksbetreibern vom Juni 2000 (010602) steht Biblis A noch eine Reststrommenge von 62 Milliarden kWh zu, was einer Laufzeit bis etwa 2008 entspricht. In dem Papier wird auch auf die jahrelang umstrittene Nachrüstung des Reaktors Bezug genommen und eine abschließende Klärung dieser Problematik zugesagt, sofern der Betreiber RWE darauf verzichtet, Reststrommengen anderer Reaktoren auf Biblis A zu übertragen. Die Gültigkeit dieser Absprache war von der hessischen Landesregierung angefochten, aber vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden ( 020202).

Block A im Kernkraftwerk Biblis verfügt über eine Nettoleistung von 1167 MW und wurde 1974 in Betrieb genommen. Block B mit 1240 MW ist seit 1976 in Betrieb. Beide Blöcke arbeiten mit Druckwasserreaktoren.

Jahrelanger Streit um die Stillegung von Biblis A

Um die Sicherheit des Kernkraftwerks Biblis gab es in den neunziger Jahren heftige politische Auseinandersetzungen. Schon 1991 erließ der damalige hessische Umweltminister Karlheinz Weimar (CDU) insgesamt 49 Auflagen für Block A, die unter anderem die Erdbebensicherheit betrafen. Ein starkes Erdbeben im Rheingebiet erzwang im April 1992 die Abschaltung des Reaktors, ohne daß es zu Schäden gekommen wäre (920410). Nach dem 1991 erfolgten Regierungswechsel in Wiesbaden benutzten die grünen Umweltminister Joschka Fischer, Iris Blaul, Margarethe Nimsch und Priska Hinz die von ihrem Amtsvorgänger Weimar erlassenen Sicherheitsauflagen für einen harten Konfrontationskurs gegenüber dem Betreiber RWE, wobei sie erklärtermaßen die völlige Stillegung von Biblis A anstrebten.

Anfang 1994 beanstandete Fischer, daß Biblis A seit der Inbetriebnahme ohne den Nachweis der Erdbebensicherheit arbeite (940112). Außerdem machte er andere Sicherheitsdefizite geltend und kündigte die Stillegung des Reaktors an (940215). Nachdem es zu einer Häufung kleinerer Pannen gekommen war, wollte Fischer den Reaktor nicht mehr ans Netz gehen lassen (940309). Unter dem Druck von Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) lenkte er aber rechtzeitig ein (940413) und konnte deshalb eine Verurteilung des Landes Hessen zu Schadensersatz vermeiden (941109, 971007).

Im Juni 1995 schickte Fischers Nachfolgerin Iris Blaul der RWE Energie erneut eine Stillegungsverfügung für Block A, weil der aktuelle Stand der Anlage nicht den genehmigten Plänen entspreche (950605). Die Durchführung dieser Anweisung wurde von der Bonner Umweltministerin Angela Merkel verhindert (950703).

Die hessische Umweltministerin Margarethe Nimsch setzte die Blockadepolitik gegenüber dem KKW Biblis fort (960315). Aber auch ihr gelang es nicht, gegen Merkels Widerstand die Stillegung herbeizuführen (960805). Anfang 1997 unternahm sie einen weiteren Versuch, indem sie einen lückenlosen Entsorgungsnachweis verlangte (970213).

Als letzte grüne Umweltministerin scheiterte Priska Hinz mit dem Versuch, die Stillegung von Biblis A durchzusetzen (990202). Nach den Landtagswahlen im Februar 1999 mußte Hinz ihr Amt an Karlheinz Weimar übergeben, der schon bis 1991 Umweltminister war. Die neue hessische CDU-Regierung kündigte an, Biblis A unter Auflagen am Netz zu lassen (990424).

Mehrere Klagen von Anwohnern und Kommunen auf Stillegung von Block A wurden im März 1997 vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen (970309). Im Oktober 2002 machte Biblis A von sich reden, als bei einer Sonderprüfung Risse in einer Schweißnaht festgestellt wurden (001118). Im November 2001 rügte das Bundesumweltministerium die seiner Ansicht nach unzureichende "Meldekultur" des Kernkraftwerks (011103).