April 2003

030410

ENERGIE-CHRONIK


Am kalifornischen Strommarkt wurde kräftig manipuliert

Die kalifornische Stromkrise der Jahre 2002/2001 war nach Einschätzung der amerikanischen Energieaufsichtsbehörde zum großen Teil das Ergebnis von Marktmanipulationen, mit denen der Enron-Konzern und zahlreiche andere Unternehmen die Preise für Strom bzw. Gaslieferungen an Kraftwerke die Höhe getrieben hatten. Wie die Federal Energy Regulatory Commission (FERC) am 26. März offiziell mitteilte, lag die Ursache der Versorgungskrise in einem "zugrundeliegenden Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage", das zusammen mit einer "mangelhaften Marktverfassung" ein "fruchtbares Umfeld für Marktmanipulationen" geboten habe ("... an underlying supply-demand imbalance and flawed market design combined to make a fertile environment für market manipulation"). Die Behörde will nun den Unternehmen Enron, Reliant und BP Energy ihre Handelslizenzen entziehen. Darüber hinaus wirft sie mehr als dreißig weiteren Energiefirmen und kommunalen Stromversorgern vor, dem Enron-Konzern bei seinen Machenschaften geholfen und sich durch die Stromkrise bereichert zu haben. Die beschuldigten Energiefirmen wurden zur Rückzahlung von insgesamt 3,3 Milliarden Dollar verpflichtet. (FTD, 28.3.)

Innerhalb von sechs Monaten stand die Stromversorgung 39mal vor dem Kollaps

Als Folge einer mißglückten Deregulierung des Energiemarktes waren in den USA im Jahre 2000 die Preise für Elektrizität erheblich gestiegen (000816). In Kalifornien kam es vor diesem Hintergrund fast zum Zusammenbruch der Stromversorgung: Am 7. Dezember 2000 mußte erstmals die höchste Stufe des "Elektrizitätsalarms" ausgerufen werden, weil das Stromangebot so knapp und teuer geworden war, daß es mit der Nachfrage nicht mehr Schritt halten konnte (001220). Bis zum Mai 2001 wurde diese Alarmstufe, die lokal begrenzte Abschaltungen bzw. Stromausfälle zur Vermeidung eines völligen Netzzusammenbruchs ermöglichte, insgesamt 39mal ausgerufen (010522). Der Bundesstaat Kalifornien sah sich genötigt, ein Gesetz zur Stabilisierung der Stromversorgung verabschieden und Milliarden Dollar für Stromkäufe ausgeben (010217). Auch den Endverbrauchern wurden erheblich höhere Preise abverlangt (010322, 010522).

Enron-Skandal ließ Verdacht der Marktmanipulation zur Gewißheit werden

Im Laufe des Jahres 2001 verdichtete sich der Eindruck, daß die chronische Versorgungskrise nicht allein den Fehlern bei der Deregulierung angelastet werden konnte, sondern daß sie auch von Marktakteuren bewußt herbeigeführt und zugespitzt wurde. Die Aufsichtsbehörde FERC dehnte deshalb die für Kalifornien verfügten Preiskontrollen auf insgesamt zehn US-Bundesstaaten aus (010614). Bereits im März 2001 erhob der kalifornische Netzbetreiber CAISO den Vorwurf der Marktmanipulation ( 010322). Auch die große Mehrheit der kalifornischen Bevölkerung war der Ansicht, daß die Stromknappheit künstlich herbeigeführt worden sei (010614). Der Verdacht wurde zur Gewißheit, als der Energiekonzern Enron zusammenbrach (011210) und neben anderen Machenschaften dessen Methoden zur Manipulierung des Strommarktes ans Tageslicht kamen (020501). Die Federal Energy Regulatory Commission (FERC) begann daraufhin mit der Überprüfung von mehr als hundert Energieunternehmen, die im Verdacht standen, sich an diesen Praktiken beteiligt und davon profitiert zu haben.

Kalifornien verlangt Erstattung von neun Milliarden Dollar

Die kalifornische Regierung verlangt von den Firmen, die sich an der Manipulation des Strommarktes beteiligt haben, die Erstattung von insgesamt rund neun Milliarden Dollar. Denn seit Einführung der Preiskontrollen unterlagen alle Stromhandelsgeschäfte, die oberhalb eines behördlich gesetzten Limits lagen, dem Vorbehalt der Rückzahlung ("refund"), falls sich die Konditionen der Transaktion als unangemessen herausstellen sollten. Die FERC wollte bisher allerdings nur 1,8 Milliarden Dollar anerkennen. Die jetzt beschlossene Erhöhung auf 3,3 Milliarden Dollar ist nach Ansicht der kalifornischen Regierung noch immer zu wenig. Die jetzigen FERC-Beschlüsse seien nur "eine bessere Verpackung für den alten Inhalt", hieß es aus der Umgebung von Gouverneur Gray Davis. Der texanische Energiekonzern El Paso hat sich mit dem kalifornischen Staat bereits auf einen Vergleich geeinigt, der die Rückzahlung von 1,7 Milliarden Dollar zum Teil in Aktien und durch Gaslieferungen vorsieht.

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