Dezember 2003

031201

ENERGIE-CHRONIK


Streit um Verkauf der Hanauer Brennelemente-Fabrik an China

Die rot-grüne Koalition suchte im Dezember nach einem Ausweg, um den grundsätzlich bereits gebilligten Verkauf der Hanauer Fabrik zur Herstellung von Mischoxid-Brennelementen an China gegen den Widerstand der Parteibasis durchsetzen zu können. Die Anlage in Hanau war einst von Siemens errichtet worden, um eine 1994 stillgelegte Altanlage (940403) zu ersetzen. Die neue Brennelemente-Fabrik konnte aber aufgrund der politisch intendierten Behinderungen durch den damaligen hessischen Umweltminister Joschka Fischer (Grüne) nicht in Betrieb gehen und wurde 1995 ganz aufgegeben (950701). Bereits im Sommer 2000 wollte Siemens die Anlage an Rußland verkaufen (000711). Diese Absicht scheiterte an der mangelnden Zahlungsfähigkeit der russischen Interessenten sowie an politischen Bedenken der Bundesregierung.

Siemens hatte bereits im Februar 2003 bei der Bundesregierung wegen des geplanten Verkaufs der Anlage nach China vorgefühlt. Die Ministerien für Wirtschaft, Äußeres und Justiz sowie der Bundesnachrichtendienst und die Bundesanstalt für Wirtschaft und Ausfuhr hatten keine Bedenken. Vorbehalte gab es lediglich im Ressort von Umweltminister Jürgen Trittin: "Mit dieser Technologie kann auch in großem Umfang Plutonium auch für militärische Zwecke hergestellt werden", warnte Staatssekretär Rainer Baake in einem Brief an Joschka Fischers Außenministerium .

Öffentlich bekannt wurde die Verkaufsabsicht, als Bundeskanzler Gerhard Schröder Anfang Dezember in China weilte. In seiner Begleitung befand sich auch Siemens-Chef Heinrich von Pierer. Durch ein Mitglied seiner Delegation - es soll sich um die Justizministerin Brigitte Zypries gehandelt haben - drang die Nachricht von dem geplanten Verkauf nach außen und wurde vom Kanzler am 2. Dezember bestätigt, als er die Automobilmesse in Kanton besuchte. "Es sieht nicht so aus, als ob es unbedingt etwas gäbe, was dem entgegensteht", meinte Schröder auf eine entsprechende Frage. (FTD, 3.12.; Stuttg. Zeitung, 10.12.)

Obwohl am 4. Dezember auch Außenminister Fischer betonte, daß über den Antrag von Siemens nach rein rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden sei, löste die Nachricht starke Kritik bei Grünen und SPD sowie ein lebhaftes Medien-Echo aus. Die Fraktion der Grünen im Europa-Parlament forderte am 10. Dezember die EU-Kommission auf, den geplanten Export mit Blick auf die Sicherheitsinteressen der EU und des Exportverbots für kernwaffentaugliche Güter zu überprüfen. Die Umweltorganisation Greenpeace legte am 15. Dezember ein Rechtsgutachten vor, wonach der Export gegen das deutsche Außenwirtschafts- und Kriegswaffenkontrollgesetz verstößt.

Am 9. Dezember beschlossen die Fraktionen von SPD und Grünen, den Verkauf der Anlage davon abhängig zu machen, daß sie nicht zur Herstellung waffenfähigen Material verwendet werden dürfe. Als Kontrollinstanz soll die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) fungieren. Aus Kreisen der IAEO hieß es dazu allerdings, daß eine solche Kontrolle wenig sinnvoll sei, da China seit 1992 offiziell zu den fünf Atommächten zählt und sowieso über die Möglichkeiten zur Produktion waffenfähigen Materials verfügt. Außerdem könne die IAEO die ehemalige Hanauer Brennelemente-Fabrik in China erst dann überwachen, wenn dies sowohl von China als auch von Deutschland gewünscht werde. (Spiegel, 15.12.)

Siemens zieht Antrag auf Hermes-Bürgschaft für finnisches KKW zurück

Als Beitrag zur Glättung der Wogen zog Siemens am 9. Dezember den Antrag auf Gewährung einer staatlichen Hermes-Bürgschaft für den Export  konventioneller Technologie für den Neubau eines Kernkraftwerks in Finnland (031205) zurück. Offenbar folgte die Firma damit einer Empfehlung der Bundesregierung, die den Kernkraftgegnern nicht noch eine weitere Angriffsfläche bieten wollte. Bei Gewährung der beantragten Hermes-Bürgschaft hätte die Bundesregierung sich vorhalten lassen müssen, daß sie - im Gegensatz zu ihrer Ausstiegspolitik im Inland - den ersten Neubau eines Kernkraftwerks seit zwölf Jahren im europäischen Ausland unterstütze.