Februar 2005

050203

ENERGIE-CHRONIK


Enel übernimmt slowakischen Kernkraftwerksbetreiber

Der italienische Energiekonzern Enel teilte am 17. Februar mit, dass er für 840 Millionen Euro eine mehrheitliche Beteiligung von 66 Prozent an der Slovenske Elektrarne übernehmen wird. Das bisher rein staatliche Unternehmen ist für die Stromerzeugung und das Verbundnetz der Slowakei zuständig. Bei seiner Privatisierung hatten die Italiener den höchsten Kaufpreis geboten und sich damit gegen die beiden Mitbewerber CEZ (Tschechien) und RAO UES (Rußland) durchgesetzt. Die deutschen Stromkonzerne, die sich bereits den größten Teil der slowakischen Stromverteilung gesichert haben (020413), waren dieses Mal nicht im Kreis der Bieter vertreten. Laut "Frankfurter Allgemeine" (22.2.) liegt dies daran, daß Slovenske Elektrarne den weitaus größten Teil seiner Stromerzeugung mit Kernkraftwerken bestreitet. Den deutschen Unternehmen seien durch den mit der Regierung Schröder vereinbarten Ausstieg aus der Kernenergie auch im Ausland die Hände gebunden, habe es bei E.ON Energie geheißen. Offenbar spielt aber auch eine Rolle, daß die Sicherheit der slowakischen Reaktoren trotz diverser Nachrüstungen noch immer sehr umstritten ist. Die beiden ältesten wurden in einer Studie des US-amerikanischen Energieministeriums unter die neun gefährlichsten Atomanlagen der Welt eingereiht. Hinzu kommt, daß Slovenske Elektrarne unter rund 1,3 Milliarden Euro Schulden leidet.

Zwei Drittel der Stromerzeugung aus Kernkraftwerken

Slovenske Elektrarne betreibt Kernkraftwerke in Bohunice und Mochovce, zwei Wärmekraftwerke und 34 Wasserkraftwerke. Die sechs KKW-Blöcke haben eine Leistung von jeweils 440 MW und erzeugten 2004 zwei Drittel der gesamten Stromproduktion des Landes in Höhe von 26048 Gigawattstunden. Die ältesten sind zwei Blöcke vom russischen Typ WWER 440/230, die 1978 bzw. 1980 in Bohunice in Betrieb gingen. Sie gelten von ihrer Konstruktion her als besonders unsicher und müssen aufgrund einer Vereinbarung mit der EU bis 2008 abgeschaltet werden. Sicherheitstechnisch weniger bedenklich sind zwei weitere Blöcke des Typs WWER 440/213 in Bohunice, die seit 1984 bzw. 1985 in Betrieb sind. Alle Blöcke wurden inzwischen mit finanzieller Unterstützung der EU nachgerüstet. Zusätzlich wurde am Standort Mochovce ein weiteres Kernkraftwerk mit zwei Reaktoren des Typs WWER 440/213 vollendet, die 1998 bzw. 2000 ans Netz gingen.

Auch den neuesten Blöcken fehlt das Containment

Um den Fertigbau von Mochovce gab es in den neunziger Jahren heftige Auseinandersetzungen. Das anfängliche Interesse deutscher Stromerzeuger an einer direkten Kooperation mit dem slowakischen Kernkraftwerksbetreiber (920404, 930416, 950208) ließ deshalb spürbar nach. Österreich drohte sogar mit seinem Austritt aus der Europäischen Entwicklungsbank (EBRD), die das Projekt finanzieren sollte (950705). Die slowakische Regierung kündigte zwischendurch an, die Arbeiten mit tschechischer und russischer Hilfe fortzuführen (950914). Am Ende sprangen die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau und französische Geldgeber ein, damit Siemens und Framatome die ersten beiden von insgesamt vier Blöcken vollenden konnten (960407). Unter anhaltenden Protesten aus Österreich nahm der erste Block im Juni 1998 den Probebetrieb auf (980617). Die Kritiker bemängelten vor allem das fehlende Containment (Betonschutzhülle), unsichere Schweißnähte am Reaktorkern und mangelhaften Brandschutz. Zunächst war die Rede davon, daß die Fertigstellung der beiden Blöcke in Mochovce die Abschaltung der beiden ältesten Reaktoren in Bohunice ermöglichen werde. Tatsächlich hat die Slowakei aber die Abschaltung von Bohunice 1 so lange wie nur möglich hinausgeschoben, um möglichst viel Strom ins Ausland verkaufen zu können. Zu den Großkunden von Slovenske Elektrarne gehören E.ON und RWE.

Enel will zwei weitere Blöcke in Mochovce fertigstellen

Der neue Mehrheitsaktionär Enel hat bereits angekündigt, die Fertigstellung der beiden weiteren Reaktorblöcke in Mochovce vorantreiben zu wollen. Offensichtlich sind es hauptsächlich die Kernkraftwerke der Slovenske Elektrarne, von denen sich Enel ein einträgliches Geschäft verspricht. In Italien selbst gibt es aufgrund einer 1987 durchgeführten Volksabstimmung keine Kernkraftwerke mehr. Der Staatsmonopolist Enel mußte deshalb die bis dahin fertiggestellten vier Kernkraftwerke stillegen (derzeit hält der italienische Staat noch 50,6 Prozent der Enel-Aktien).

Der Streit um das Donau-Kraftwerk Gabcikovo

Umstritten war zu Beginn der neunziger Jahre auch das Wasserkraftwerk Gabcikovo an der Donau, das ursprünglich als Grenzkraftwerk mit Ungarn vereinbart worden war (910717). Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks stieg Ungarn 1989 unter dem Druck von Umweltschützern aus dem Projekt aus (921016) und wollte es mit Hilfe der EU-Kommission verhindern (921121). Die Slowakei, die sich 1992 aus der ehemaligen Tschechoslowakei verabschiedete und zum eigenständigen Staat erklärte, war jedoch nicht bereit, auf diese Energiequelle verzichten. Die acht Turbinensätze mit einer Leistung von jeweils 80 MW wurden sukzessive in den Jahren 1992 bis 1995 in Betrieb genommen.