Oktober 2006

061013

ENERGIE-CHRONIK


Machtkampf bei MVV Energie: Schulten erzwingt den Abgang Trautmanns

Bei der MVV Energie in Mannheim kam es im Oktober zu einem öffentlich ausgetragenen Machtkampf zwischen dem Vorstandsvorsitzenden Rudolf Schulten und dem für Vertrieb, Marketing und Umwelt zuständigen Vorstandsmitglied Karl-Heinz Trautmann. Anscheinend sollte Trautmann bereits am 4. Oktober vom Aufsichtsrat seines Postens enthoben werden, was aber aus formalrechtlichen Gründen nicht gelang. Am 10. Oktober teilte die MVV im Anschluß an eine weitere Sitzung des Aufsichtsrats mit, daß Trautmann "auf eigenen Wunsch" und wegen "unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten über die Unternehmensführung" das Unternehmen zum 15. Oktober verlasse. Man habe sich in beiderseitigem Einvernehmen auf eine vorzeitige Beendigung des bis Ende September 2008 laufenden Vertrages verständigt. Weitere Details der Einigung wurden nicht mitgeteilt. In Presseberichten hieß es, man habe zwei Jahresgehälter als Abfindung vereinbart, was etwa 800.000 Euro entsprechen würde.

Trautmann galt als Vertrauter des früheren MVV-Chefs Hartung

Der 54jährige Karl-Heinz Trautmann war seit 1982 für die MVV Energie tätig. Von 1992 bis 1998 amtierte er als Geschäftsführer der Stadtwerke Meißen, an denen die MVV eine Beteiligung besaßen (031211). 2001 wurde er Vorstandsvorsitzender der neuen MVV-Tochter Energieversorgung Offenbach (000604). Er galt als Zögling und Vertrauter des früheren MVV-Chefs Roland Hartung, der ursprünglich Fraktionsvorsitzender der CDU im Mannheimer Gemeinderat war und dreimal vergebens für das Amt des Oberbürgermeisters kandidiert hatte, bevor er mit Zustimmung der SPD zur MVV wechselte (040709). Als Hartung 2003 in den Ruhestand ging, favorisierte er Trautmann als seinen Nachfolger. Der Aufsichtsrat wählte aber mit den Stimmen der SPD den früheren Bewag-Finanzvorstand Rudolf Schulten zum neuen MVV-Chef. Der unterlegene Trautmann durfte ersatzweise im MVV-Vorstand das neugeschaffene Marketing- und Vertriebsressort übernehmen (030216). Die persönlichen und kommunalpolitischen Spannungen ermöglichten indessen keine gedeihliche Zusammenarbeit mit Schulten sowie den beiden anderen Vorstandsmitgliedern Hans-Jürgen Farrenkopf (Personal) und Werner Dub (Technik), zumal Schulten die Geschäftspolitik seines Vorgängers Hartung weitgehend als "Altlasten" einstufte (040709). Schon Wochen vor seiner Ablösung soll Trautmann bei wichtigen Entscheidungen von den anderen Vorstandsmitgliedern ausgegrenzt worden sein.

Betriebsrat protestiert gegen Zerschlagung der heutigen Konzernstruktur

Einer der sachlichen Streitpunkte war die von Schulten angestrebte Umwandlung der MVV zu einer Holding, der dann das Mannheimer Stammgeschäft der MVV Energie ebenso eingegliedert werden soll wie die Stadtwerke-Töchter Offenbach (000604) und Kiel (040505) sowie sonstige Beteiligungen, zu denen vor allem die Stadtwerke Solingen (010906) und Ingolstadt (011216) zählen. Kurz nach dem erzwungenen Abgang Trautmanns äußerte sich der MVV-Betriebsratsvorsitzende Manfred Lösch besorgt über die geplante Zerschlagung der heutigen Konzernstruktur und die damit verbundenen Auswirkungen auf den Standort Mannheim. Überraschenderweise antwortete auf seinen Brief an Schulten, der an alle Mitarbeiter verteilt wurde, nicht der angesprochene MVV-Chef, sondern Oberbürgermeister Gerhard Widder (SPD): Es sei noch völlig offen, ob es zu einer solchen Holding kommen werde, schrieb Widder in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des MVV-Aufsichtsrats.

Negative Schlagzeilen wegen Untreue, Betrugs und Anstiftung zum Mord

Auch sonst machte die MVV Energie in letzter Zeit durch allerlei Affären von sich reden: Im Oktober 2005 zeigte sie einen ihrer Aufsichtsräte wegen Untreue an, weil er eine bevorstehende Kapitalerhöhung für ein trickreiches Finanzgeschäft nutzen wollte (051009). Im August 2006 erstattete sie Strafanzeige gegen eigene Mitarbeiter wegen des Verdacht des Betruges, der Bestechlichkeit, der Untreue und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Anfang September 2006 verurteilte das Landgericht Frankenthal einen stellvertretenden MVV-Abteilungsleiter zu drei Jahren Haft wegen versuchter Anstiftung zum Mord: Er hatte einem früheren Hausmeister der MVV 10.800 Euro versprochen, wenn dieser seinen Vorgesetzten umbringen würde, von dem er sich "gemobbt" fühlte. Der vermeintliche Auftragsmörder hatte die Hälfte der Summe als Anzahlung kassiert und war dann zur Polizei gegangen.