April 2008

080410

ENERGIE-CHRONIK


Zähler-Lobby dringt auf monatliche Stromabrechnungen

Die Hersteller elektronischer Zähler dringen auf eine gesetzliche Verpflichtung zur monatlichen Stromabrechnung, um den Absatz ihrer Produkte und den neuen Dienstleistungszweig der Energieverbrauchsabrechnung anzukurbeln. Sie wollen deshalb im "Gesetz zur Öffnung des Meßwesens bei Strom und Gas für Wettbewerb", das der Bundestag am 6. März in erster Lesung beraten hat (080301), eine entsprechende Änderung bewirken. Die Forderung des Bundesrats, daß es keine Pflichtausstattung mit Geräten zur elektronischen Verbrauchsmessung geben darf, würde damit unterlaufen, denn eine monatliche Abrechnung aufgrund echter Verbrauchswerte ließe sich praktisch nur mit Hilfe der neuen Zählertechniken durchführen.

"Der nationale Gesetzesentwurf und auch die neue Meßzugangsverordnung alleine sind aus unserer Sicht nicht ausreichend, die politisch gewollte, flächendeckende, zeitnahe und effiziente Einführung von intelligenten Zählern anzustoßen", erklärte Herbert Brunner von der Meßtechnik-Firma Landis + Gyr am 22. April bei einer Pressekonferenz des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) auf der Hannover-Messe. "Wir sehen die Notwendigkeit für eine gesetzliche Vorgabe zur zeitnahen, mindestens monatlichen Energieverbrauchsinformation an den Endkunden, basierend auf der europäischen Richtlinie zur Endenergie-Effizienz und Energiedienstleistungen."

Mangelnde Akzeptanz der neuen Zähler-Technologie befürchtet


Stromspar-Appell aus dem Jahre 1947: Nach Einführung der "lastvariablen Tarife" werden Kleinverbraucher noch häufiger als täglich den Stromzähler ablesen müssen...

Laut Brunner würde sich das Geschäft für die "Meßdienstleister" unter den geplanten gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht lohnen. Offenbar befürchtet die Branche, daß zu wenige Endkunden bereit sein werden, die neuen bi-direktionalen Zähler bei sich installieren zu lassen oder gar noch extra dafür zu bezahlen. Bisher werden die Geräte dem Publikum als "intelligente Zähler", "Sparzähler", "Profizähler" oder "Smart-Meter" angedient, die es ermöglichen sollen, den eigenen Stromverbrauch am Bildschirm des häuslichen PC besser zu kontrollieren und dadurch die Stromkosten zu senken. In Wirklichkeit geht es der Branche hauptsächlich um die Einführung neuer Tarifmodelle, die nicht mehr nur den Stromverbrauch, sondern auch den aktuellen Leistungsbezug berücksichtigen. Auf politischer Ebene wird die Einführung "lastvariabler Tarife" für Kleinverbraucher damit begründet, daß dies zu Energieeinsparungen und einer höheren Energieeffizienz führe. Dies erscheint allerdings fraglich, da die Strombezüge der Kleinverbraucher sich wechselseitig so durchmischen und im Tagesverlauf so gut prognostizierbar sind, daß die Netzbetreiber seit jeher problemlos auf eine Leistungsmessung verzichten und sich auch im liberalisierten Markt mit standardisierten Lastprofilen begnügen können. Zumindest wäre es für die Haushaltskunden mit viel Aufwand und Unannehmlichkeiten verbunden, wenn sie ihren Stromverbrauch ständig wechselnden Tarifen anpassen müßten, um die Stromrechnung möglichst klein zu halten (siehe auch die Erläuterungen zum bisher üblichen Ferraris-Zähler).

Monatliche Ablesung wurde ab den siebziger Jahren immer seltener

Den Grundversorgern ist es bisher freigestellt, ob sie den Stromverbrauch "monatlich oder in anderen Zeitabschnitten, die jedoch zwölf Monate nicht wesentlich überschreiten dürfen" abrechnen. Die entsprechende Bestimmung in § 12 der Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) war so zuvor auch in § 20 der "Allgemeinen Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden" (AVBEltV), enthalten, die im November 2006 durch die StromGVV ersetzt wurden.

Bis in die siebziger Jahre wurden die Stromzähler durchweg monatlich oder zweimonatlich abgelesen, zumal die damit verbundenen Kosten über die behördlich genehmigten Tarife auf die Stromverbraucher umgelegt werden konnten. Dann setzte sich die Jahresverbrauchsabrechnung mit monatlichen Abschlagszahlungen durch, bei der nur noch einmal jährlich der exakte Zählerstand ermittelt wird. Die letzten Stromableser, die monatlich an der Tür klingelten, dürften mit der Liberalisierung des Strommarktes verschwunden sein, da die Stromversorger nun einem verschärften Rationalisierungsdruck ausgesetzt waren.

Siemens und ABB gaben ihr Zählergeschäft vor sechs Jahren ab, weil es zu wenig profitabel erschien

Die Schweizer Firma Landis+Gyr, die jetzt auf der Pressekonferenz des ZVEI als Branchensprecher auftrat und die Wiedereinführung der monatlichen Ablesung verlangte, sieht sich als "der weltweit führende Anbieter von Zählern, Systemen und Dienstleistungen für die Verbrauchsmessung von Energie". Sie gehörte von 1998 bis 2002 zum Siemens-Konzern und firmierte als Siemens Metering AG (980510). Siemens zog sich dann aus diesem Geschäftszweig zurück, da die erwartete Belebung des Zählergeschäfts durch die Liberalisierung der Energiemärkte ausblieb. Das 1896 gegründete Unternehmen nahm daraufhin wieder den alten Namen Landis+Gyr an. Seit 2004 gehört es der australischen Finanzgruppe Bayard Capital.

Wichtigster Konkurrent von Landis+Gyr ist die Elster Group, die sich als "der weltweit führende Hersteller und Anbieter hochwertiger Anlagen, Geräte und Dienstleistungen für die Gas-, Strom- und Wassermessung" bezeichnet. In diesem Unternehmen lebt das ehemalige Zählergeschäft von ABB fort, das 2002 von der Ruhrgas Industries GmbH übernommen wurde (020913). Nach der Einverleibung des Ruhrgas-Konzerns hat E.ON die Ruhrgas Industries an CVC Capital Partners und andere Finanzfonds verkauft, die daraus die Elster Group S.a.r.l. mit Sitz in Luxemburg machten.

Ein weiterer Anbieter, mit dem Schwerpunkt auf Software, ist die in Koblenz ansässige Görlitz AG. Sie bezeichnet sich als "marktführender Hersteller von Zählerfernablese- und Metering-Systemen, die Energiedaten erfassen und für die betriebswirtschaftlichen Systeme qualifizierte Messdaten liefern".

Links (intern)

Der Stromverbrauch von Haushalten wird bisher mit solchen elektromechanischen Zählern ermittelt, die nach dem Induktionsprinzip arbeiten: Eine Drehscheibe aus Aluminium (auch Ferraris-Scheibe genannt) rotiert zwischen zwei Elektromagneten, die mit ihren Magnetfeldern in der Scheibe Wirbelströme induzieren und sie dadurch in Bewegung setzen. Die Schreibe rotiert um so schneller, je höher die aus dem Netz bezogene Leistung ist, und überträgt die Drehung auf ein sechsstelliges Zählwerk, das im zeitlichen Verlauf den Verbrauch anzeigt. Die Scheibe hat dabei die Bremskraft eines Permanentmagneten zu überwinden. Das Drehmoment der Scheibe ist am größten, wenn der Spannungsfluß (oberer Magnet) dem Stromfluß (unterer Magnet) um 90 Grad nacheilt. Bei Zweitarif-Zählwerken wird durch eine Schaltuhr oder durch "Rundsteuerung" (vom Netzbetreiber ausgelöste Spannungsimpulse) auf ein anderes Zählwerk umgeschaltet.

Zur Veranschaulichung des Prinzips wird hier ein einphasiger Wechselstrom-Zähler aus DDR-Produktion gezeigt. Bei den haushaltsüblichen Drei-Phasen-Zählern kommen zusätzliche Spulen für die zwei anderen Stromkreise hinzu.

Bei den neuen elektronischen Zählern gibt es dagegen keine beweglichen Teile. Es lohnt auch nicht, einen Blick auf ihr Innenleben hinter der Verkleidung zu werfen. Sie sind Erzeugnisse des Computer-Zeitalters, die sich aus Hardware und Software zusammensetzen. Indessen können die elektronischen Zähler auch nicht mehr, als die Leistung in einem gegebenen Moment zu ermitteln und sie im zeitlichen Verlauf in Kilowattstunden umzurechnen. Was sie von den alten Zählern unterscheidet, ist lediglich die exakte Ermittlung der momentan bezogenen Leistung (Digitalanzeige in kW statt mehr oder weniger schnellem Rotieren der Scheibe). Außerdem werden die Verbrauchsdaten über das Internet oder die Stromleitung ("Powerline") fortlaufend zum Netzbetreiber bzw. "Meßdienstleister" übertragen. Dieser kann sie dann dem Endkunden via Internet wiederum zur Verfügung stellen. Im Grunde ist der Kunde aber auch nicht viel besser beraten, wenn er sich seine Verbrauchsdaten auf dem Bildschirm des PC anschaut, als wenn er zum bisherigen Zähler geht und dort sowohl den Zählerstand als auch das Tempo der "Ferraris-Scheibe" verfolgt. Um den Verbrauch eines einzelnen Geräts zu ermitteln, muß er weiterhin besondere Zwischenzähler verwenden.

Der Vorteil für den Netzbetreiber bzw. den Stromlieferanten besteht indessen darin, daß er dem Kunden nunmehr "lastvariable Tarife" anbieten kann. Es handelt sich hier um eine Weiterentwicklung des alten Zwei-Tarif-Modells, das nachts den Bezug von Strom verbilligte. Die Nutzung solcher lastvariabler Tarife würde nun aber voraussetzen, "daß man einen Kuchen zwei Stunden später backt, weil nicht nur Großverbraucher, sondern auch Angehörige normaler Haushalte die jeweils aktuellen Strompreise kennen", wie es Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) formuliert hat. Wer nicht gerade Hartz IV-Empfänger ist und deshalb mit jedem Cent rechnen muß, wird das für ein bißchen wirklichkeitsfremd halten. Mit ziemlicher Sicherheit wird indessen die Unübersichtlichkeit des Strompreisgefüges weiter zunehmen, wodurch sich Preiserhöhungen besser kaschieren und leichter durchsetzen lassen.