Februar 2009

090210

ENERGIE-CHRONIK


K.-T. Frhr. zu Guttenberg (CSU)
seit 2/2009

Michael Glos
(CSU)
2005 - 2009

Wolfgang Clement (SPD)
2002 - 2005

Werner Müller (parteilos)
1998 - 2002

Günter Rexrodt (FDP)
1993 - 1998

Jürgen Möllemann (FDP)
1991 - 1993

Nicht gerade eine Ruhmesgalerie: Die deutschen Wirtschaftsminister seit 1991. Der neue Amtsinhaber Guttenberg dürfte ohnehin eine Interimslösung bleiben.

Wirtschaftsminister Glos gibt auf und beklagt sich bitter über die Kanzlerin

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hat am 9. Februar die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) um seine Entlassung gebeten. Am folgenden Tag übernahm der CSU-Politiker Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg die Leitung des Ministeriums. Der Nachfolger gilt von vornherein nur als Übergangslösung, da mit ziemlicher Sicherheit die FDP dieses Ressort beanspruchen wird, wenn es nach den Bundestagswahlen im September des Jahres zu einer Koalition aus Union und FDP kommen sollte.

Allgemeines Befremden löste aus, wie Glos den parteipolitischen Proporz im Kabinett mit verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten zu verwechseln schien, indem er am 7. Februar zunächst den CSU-Parteivorsitzenden Horst Seehofer in einem Brief darum bat, "mich von meinen Ministerpflichten zu entbinden". Nachdem er dann sein Entlassungsgesuch an die Kanzlerin als die richtige Adresse gerichtet hatte, beklagte er sich in einer Sitzung der CSU-Landesgruppe bitterlich darüber, daß diese ihn als Wirtschaftsminister nie richtig ernst genommen habe. "Sie hat immer geglaubt, ich hätte von vielen Dingen keine Ahnung. Stattdessen hängt sie an den Lippen von Finanzminister Steinbrück, der sich jeden Satz aufschreiben lassen muß." (zit. n. FAZ, 11.2.)

Zur Amtsmüdigkeit von Glos dürfte ein peinlicher Vorfall beigetragen haben, der sich am 3. Februar in Berlin ereignete: Glos sollte in Vertretung der Bundeskanzlern den kasachischen Staatspräsidenten Nasarbayev empfangen. Ein Polizist stoppte jedoch den Wagen des Ministers wie andere Autos weisungsgemäß an der Absperrung der Veranstaltung. Der Minister und sein Chauffeur wollten dies nicht akzeptieren, weil sie in Eile waren. Bevor sich Glos notgedrungen zu Fuß zum Empfang begab, soll er dem Polizisten das Ende von dessen Karriere angedroht haben. Später bestritt er eine solche Äußerung. Unstrittig ist aber, daß der Chauffeur dem Polizisten über den Fuß fuhr und ihn leicht am Bein verletzte. Das Medienecho war naturgemäß katastrophal.

Glos galt von Anfang an als schwache Besetzung

Der gelernte Müller Glos war Ende 2005 unverhofft zu seinem Amt gekommen, weil CSU-Chef Edmund Stoiber Edmund darauf verzichtete, in der neugebildeten schwarz-roten Koalition einen Kabinettsposten zu übernehmen. Zuvor war Glos als möglicher Verteidigungsminister im Gespräch gewesen. Im Unterschied zu Stoiber, der sogar Kompetenzen des Finanzministeriums beanspruchen wollte, mußte sich Glos allerdings mit einem abgespeckten Zuständigkeitsbereich zufriedengeben: Das Bundeswirtschaftsministerium, das seit 1998 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hieß und 2002 zum Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) erweitert worden war, wurde nun wieder auf den vorherigen Aufgabenbereich reduziert und in Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) rückbenannt.

Glos galt von Anfang als schwache Besetzung und hatte auch keine sonderlich glückliche Hand bei der Auswahl seiner Mitarbeiter, die dieses Defizit ausgleichen mußten. So übernahm er zunächst von seinem Vorgänger Wolfgang Clement (SPD) den Staatssekretär Georg Wilhelm Adamowitsch, der nicht nur das "falsche" Parteibuch besaß, sondern vor allem durch penetrante Nähe zu den Energiekonzernen aufgefallen war (060614). Den Staatssekretär Joachim Wuermeling, der ein Parteifreund war und fachliche Reputation genoß, feuerte er dagegen wegen eines persönlichen Zerwürfnisses (080116).

Im Dauerstreit mit Gabriel zog Glos eher den kürzeren

In der Energiepolitik versuchte Glos vor allem dadurch Profil zu gewinnen, daß er als Gegenspieler von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) längere Laufzeiten für die Kernkraftwerken forderte (080812), auf den Ausbau des Endlagers "Schacht Konrad" drängte (060308) oder Gabriels EEG-Politik kritisierte (070411). Zum Hickhack zwischen den beiden Ministern gehörte auch, daß sie stellvertretend die "Deutsche Energie-Agentur" und das Umweltbundesamt vorschickten, um völlig gegensätzliche Gutachten zum künftigen Kraftwerksbedarf erstellen zu lassen (080407). Dabei war es eher der wendige Gabriel, der von solchen Auseinandersetzungen profitierte. Glos protestierte auch vergebens, als Gabriel ohne Rücksprache mit ihm die nach Brüssel gemeldete Zuteilungsmenge für die zweite Periode des Handels mit CO2-Emissionsrechten kürzte (061201).

Die Energiewirtschaft dankte es Glos nicht so recht, daß er sie vor allerlei Unbill wie einer Verlängerung der Tarifaufsicht über die Strompreise zu bewahren versuchte (071002) und auch die ersatzweise angekündigte Verschärfung des Kartellrechts eher milde ausfiel (071104). Eine herbe Enttäuschung war für ihn vor allem, wie sich der E.ON-Konzern plötzlich mit der EU-Kommission über den Verkauf des Transportnetzes einigte und damit die Bundesregierung düpierte, die sich in Brüssel mit Händen und Füßen gegen eine eigentumsrechtliche Entflechtung gestemmt hatte. Ratlos und erbost sprach Glos im Bundestag von "faulen Deals", dessen Motive er nicht kenne, die aber einer "intensiven Überprüfung" bedürften (080305).

Die Vorgänger waren auch nicht viel kompetenter oder allzu willige Taschenträger der Wirtschaft

Die Vorgänger des glücklosen Bundeswirtschaftsministers waren vom Erscheinungsbild her nicht ganz so blaß. Der SPD-Politiker Wolfgang Clement, von dem Glos das Amt übernahm, galt sogar als begnadeter Selbstdarsteller. Sie verfügten aber auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Energiepolitik entweder auch nicht über viel mehr Kompetenz oder galten als allzu willige Taschenträger der Wirtschaft. So war Clement schon vor der Amtsübernahme als besonderer Freund des Braunkohleverstromers RWE bekannt. Zusammen mit seinem alten Gehilfen Adamowitsch, einem ehemaligen Lobbyisten des VEW-Konzerns, stemmte er sich so lange wie nur möglich gegen eine wirksame Regulierung des deutschen Energiemarktes. Nach dem Abgang als Wirtschaftsminister verdingte sich Clement ganz offiziell bei RWE (060203) und trat mit Aplomb aus der Partei aus, die ihm zum Amt verholfen hatte (081121).

Clements Vorgänger Werner Müller brauchte dagegen nicht einmal ein Parteibuch, um Wirtschaftsminister zu werden. Der ehemalige Veba-Manager hatte sich dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hinreichend als Mittelsmann zur Aushandelung des Atomausstiegs mit der Energiewirtschaft empfohlen (050119). Das Amt bekam er dennoch eher zufällig: Schröder brauchte einen Ersatz für den Internet-Unternehmer Jost Stollmann, den er eigentlich zum Wirtschaftsminister machen wollte und der ihm plötzlich abgesprungen war. Im Vergleich mit Schröders Wunschkandidat war der Lückenbüßer sicher um einiges qualifizierter. Müller blieb aber der Branche mehr verbunden als dem Regierungsamt gut tat. Die bedenklichste Entscheidung seiner Amtszeit war die Sondererlaubnis für die Übernahme von Ruhrgas durch E.ON, die sein Ministerium gegen alle ordnungspolitischen Bedenken durchboxte.

Falls die FDP nach den Bundestagswahlen das Wirtschaftsministerium wieder für sich reklamieren sollte, das sie von 1972 bis 1998 ununterbrochen besetzen konnte, wird sie auch nicht auf strahlende Vorbilder an Kompetenz und Unabhängigkeit verweisen können. Der letzte FDP-Amtsinhaber Günther Rexrodt pflegte zwar ein besonders inniges Verhältnis zu Wirtschaftskreisen, hatte aber kaum eine Ahnung von den technisch-wirtschaftlichen Besonderheiten der Stromwirtschaft, die unter seiner Amtsführung "liberalisiert" wurde. Immerhin war er aber studierter Betriebswirt und Diplomkaufmann. Insofern hätte er wissen müssen, daß ein "natürliches Monopol" wie der Betrieb des Stromnetzes nicht durch freiwillige Vereinbarungen der Marktpartner neutralisiert werden kann, sondern von vornherein einer strikten Regulierung unterworfen werden muß. Der FDP-Wirtschaftsminister trug deshalb entscheidende Verantwortung dafür, daß in Deutschland jahrelang der Irrweg des "verhandelten Netzzugangs" beschritten wurde und der Wettbewerb mittels überhöhter Netzentgelte abgewürgt werden konnte. Nach seiner Amtszeit betätigte sich Rexrodt offen als Lobbyist der Energiewirtschaft (020815).

Rexrodts Vorgänger und Parteifreund Jürgen Möllemann taugte noch weniger zum Wirtschaftsminister. "Er war in diesem Amt schon vorher unmöglich, und daß er es gegen alle Vernunft bekommen hatte, führte nur dazu, daß alsbald vom Wirtschaftsministerium kaum noch die Rede war", schrieb die "Süddeutsche Zeitung" nach seinem Rücktritt (930108). Möllemann stolperte nämlich schon nach kurzer Zeit über eine "Briefbogenaffäre", die ihn als Wirtschaftsminister wie als Vizekanzler unmöglich machte: Er hatte sich als Minister für einen angeheirateten Cousin ins Zeug gelegt, indem er dessen Geschäftsidee - Plastik-Chips für Einkaufswagen - in Schreiben an sieben Einzelhandelsketten als "pfiffiges Produkt" anpries. Dummerweise leugnete er auch noch, die Briefe eigenhändig unterschrieben zu haben. Die Kritik verschärfte sich, als bekannt wurde, daß Möllemann in seinem Wahlkreis für die weitere Zulassung eines "Wunderheilers" als Heilpraktiker interveniert hatte, dem die Ausübung der "Heilkunde durch Handauflegen" vom Gesundheitsamt untersagt worden war.

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