Februar 2010

100204

ENERGIE-CHRONIK


ENI trennt sich von den Pipelines TENP/Transitgas und TAG

Um einem Verfahren wegen Verstoßes gegen das europäische Kartellrecht zu entgehen, hat sich der italienische Energiekonzern ENI am 4. Februar bereiterklärt, seine Anteile an den internationalen Gas-Pipelines TENP (Deutschland), Transitgas (Schweiz) und TAG (Österreich) abzugeben. Über diese Pipelines bezieht Italien seine Gasimporte aus den Niederlanden und Rußland (siehe Karte). An TENP und Transitgas ist ENI mit jeweils 46 Prozent beteiligt, an TAG mit 89 Prozent. Miteigentümer sind die nationalen Erdgasimporteure E.ON Ruhrgas, Swissgas und OMV.

Die 500 Kilometer lange Trans-Europa-Naturgas-Pipeline (TENP) verläuft von Holland durch Deutschland bis an die Schweizer Grenze. Die anschließende Pipeline Transitgas führt über 293 Kilometer durch die Schweiz bis zur italienischen Grenze. Die 380 Kilometer lange Trans-Austria-Gasleitung (TAG) stellt die Verbindung zwischen Italien und Tschechien her.

ENI will allerdings nur die Beteiligungen an TENP und Transitgas bedingungslos abtreten. Die Mehrheitsbeteiligung an TAG soll dagegen ein Käufer übernehmen, der wie ENI vom italienischen Staat kontrolliert wird. Begründet wird dies mit der "strategischen Bedeutung" der russischen Gaslieferungen. Offenbar ist diese Einschränkung bereits mit der Europäischen Kommission abgesprochen. Diese begrüßte das Angebot. Sie will es nun den Marktbeteiligten in einem sogenannten Markttest zur Stellungnahme vorlegen. Wenn das Ergebnis positiv ausfällt, wird sie einen Beschluß nach Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 fassen, durch den die Zusagen rechtsverbindlich würden.

Die Ente Nationale Idrocarburo (ENI) ist das größte Unternehmen Italiens und wird vom Staat kontrolliert. Der Konzern betätigt sich in den Bereichen Erdöl, Gas, Stromerzeugung und Petrochemie. In Italien ist er der größte Erzeuger, Importeur und Lieferant von Erdgas auf dem Großhandels- und Endnutzermarkt.

Das Kartellverfahren gegen ENI läuft bereits seit März 2007. Wie bei den Ermittlungen gegen RWE, E.ON und Gaz de France stützt sich die Kommission dabei auf Materialien, die ihr im Mai 2006 bei der Durchsuchung von Gaskonzernen in Deutschland, Italien, Frankreich, Belgien und Österreich in die Hände gefallen sind (060503), und auf weitere belastende Befunde, die sich aus den anschließenden Untersuchungen ergaben.

Am 6. März 2009 hatte die Kommission dem ENI-Konzern eine förmliche Mitteilung über mutmaßliche Verstöße gegen das EU-Kartellrecht übersandt. Sie warf ihm vor, bei der Verwaltung und beim Betrieb von Erdgaspipelines durch mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung gegen Artikel 82 des EG-Vertrags verstoßen zu haben. Die Verstöße betrafen hauptsächlich TENP, Transitgas und TAG. Entweder habe der Konzern den Zugang zu diesen Pipelines ganz verweigert, obwohl Kapazitäten verfügbar waren (Kapazitätshortung), oder er habe den Zugang in wirtschaftlich wenig praktikabler Weise gewährt (Zuweisung unterbrechbarer Kapazitäten). Ferner habe er Investitionen in die drei internationalen Pipelines aus strategischen Gründen begrenzt (strategische Unterinvestition), obwohl seitens dritter Transportunternehmen eine sehr hohe kurz- und langfristige Nachfrage bestand. Mit diesen Praktiken habe er die Wettbewerber auf dem Markt geschwächt und den Kunden in Italien geschadet.

GDF Suez und E.ON müssen auf langfristige Kapazitätsbuchungen verzichten

Das parallel laufende Verfahren gegen RWE ist inzwischen abgeschlossen, nachdem RWE sich zum Verkauf seines Gastransportnetzes bereiterklärte und die Kommission im Gegenzug das Mißbrauchsverfahren einstellte (090304). Die frühere RWE Transportnetz Gas firmiert seit Juli 2009 als "Thyssengas" und wartet noch auf einen Käufer (090709).

Das Verfahren gegen die Gaz de France (GDF), die inzwischen mit dem Suez-Konzern zu GDF Suez fusioniert hat, wurde Ende 2009 ebenfalls eingestellt: GDF Suez verpflichtete sich zum Abbau von langfristigen Kapazitätsbuchungen, mit denen bisher der französische Gasmarkt gegen Wettbewerber abgeschottet wurde (091214).

Ähnlich glimpflich wie GDF Suez scheint der E.ON-Konzern davonzukommen: Durch die langfristige Buchung nahezu aller Transportkapazitäten an wichtigen Einspeisepunkten soll er Wettbewerber am Zugang zu den deutschen Gasliefermärkten gehindert haben. Im Dezember 2009 bot die E.ON Ruhrgas an, ihre langfristigen Kapazitätsbuchungen umfassend und in struktureller Weise zu reduzieren. Die Kommission begrüßte dieses Angebot und ist offenbar bereit, im Gegenzug das Mißbrauchsverfahren einzustellen,

Unabhängig vom Vorwurf der Wettbewerbsbehinderung durch langfristige Kapazitätsbuchungen müssen GDF Suez und E.ON Ruhrgas jeweils eine Geldbuße in Höhe von 553 Millionen Euro zahlen, weil ihre Vorgänger-Unternehmen GDF und Ruhrgas eine Marktabsprache zur Nutzung der Megal-Pipeline getroffen haben. Beide Konzerne behaupten aber, daß diese Kartellvereinbarung nach der Liberalisierung des Energiemarktes nicht mehr praktisch wirksam gewesen sei, und wollen den Europäischen Gerichtshof anrufen (090704).

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