September 2010

100908

ENERGIE-CHRONIK


Endlager "Schacht Konrad" wird voraussichtlich erst 2019 fertig

Das geplante Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle im "Schacht Konrad" wird voraussichtlich erst 2019 fertiggestellt. Wie das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) am 24. September mitteilte, ist die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe (DBE) seit Ende 2009 schrittweise von ihrer ursprünglichen Zusage einer Fertigstellung bis zum Jahr 2014 abgerückt, so daß sich inzwischen eine Verzögerung von fünf Jahren abzeichnet. Damit wäre es vorläufig auch nicht möglich, den im Schacht Asse II lagernden Atommüll zurückzuholen und im Schacht Konrad endzulagern, wie dies Anfang des Jahres beschlossen wurde (100103).

Sowohl das Bundesamt für Strahlenschutz als auch das Bundesumweltministerium erklärten, daß sie die Verzögerung nicht hinnehmen und auf eine frühere Fertigstellung von Schacht Konrad drängen werden. Dem Vernehmen nach sollen nun die bundeseigenen Energiewerke Nord (EWN) prüfen, weshalb die DBE mit den Arbeiten derart in Verzug geraten ist. Da die EWN einen großen Haufen radioaktiver Abfälle vor sich her schieben, sind sie ein Hauptbetroffener der Verzögerung. Kritiker bemängeln jedoch, daß sie wohl kaum sehr streng mit einer Gesellschaft ins Gericht gehen wird, an der sie selber beteiligt sind.

Die DBE ist vom Bund mit der Errichtung und dem Betrieb von Endlagern beauftragt. Neben dem Ausbau von Schacht Konrad zum Endlager obliegt ihr der "Stillegungsbetrieb" im ehemaligen DDR-Endlager Morsleben sowie der "Offenhaltungsbetrieb" im sogenannten Erkundungsbergwerk Gorleben. Sie gehört zu 75 Prozent der Gesellschaft für Nuklearservice (GNS), deren Gesellschafter die Kernkraftwerksbetreiber E.ON (48 %), RWE (28 %), EnBW (18,5 %) und Vattenfall (15,5 %) sind. Das restliche Viertel halten die Energiewerke Nord (EWN), die dem Bundesfinanzministerium gehören und im Auftrag des Bundes die radioaktiven Hinterlassenschaften der ehemaligen DDR-Kernkraftwerke Lubmin und Rheinsberg sowie des Atomversuchsreaktors Jülich (AVR) und der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK) entsorgen sollen (091207).

Für hochradioaktive Abfälle gibt es noch immer keine Lösung

"Schacht Konrad" ist bisher das einzige genehmigte Endlager in Deutschland. Der schließlichen Rechtskräftigkeit der Genehmigung (070409) ging ein jahrelanger Abwehrkampf von Bürgerinitiativen und Umweltverbänden voraus (910708). Das Endlager wird aber nach seiner Fertigstellung nur schwach- und mittelradioaktive Abfälle aufnehmen können. Für die Endlagerung von abgebrannten Brennelementen und anderen hochradioaktiven Abfällen wird seit 1979 der Salzstock Gorleben vorbereitet. Offiziell handelt es sich dabei lediglich um eine "Erkundung" des Salzstocks nach bergrechtlichen Vorschriften, weshalb die Aufsicht über die Bauarbeiten nicht den Bundesbehörden, sondern dem Land Niedersachsen obliegt. Der Standort Gorleben war von Anfang an heftig umstritten und offenbar auch von sachfremden Erwägungen beeinflußt worden (090908, 090808). Im Jahr 2000 verfügte die damalige Bundesregierung die vorläufige Aussetzung der Bauarbeiten (000601) und ließ auch andere Standorte auf ihre Eignung hin überprüfen (021206, 070409). Seit dem Amtsantritt der gegenwärtigen Bundesregierung gilt Gorleben aber wieder als klarer Favorit für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle (091001, 100308).

Problematisches Erbe: Die geschlossenen Endlager Morsleben und Asse

Neben dem offiziell genehmigten und in Bau befindlichen "Schacht Konrad" sowie der nur als "Erkundungsbergwerk" genehmigten Baustelle für das Endlager Gorleben gibt es in Deutschland als faktische Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle die Schachtanlage Bartensleben bei Morsleben (Sachsen-Anhalt) und den Schacht Asse II (Niedersachsen). In Morsleben wurde seit 1971 der Atommüll aus kerntechnischen Anlagen der früheren DDR und anschließend auch solcher aus dem vereinten Deutschland eingelagert. Seit 1998 ist die Anlage geschlossen (980919). Ihr Betrieb dient nur noch dem Zweck der Stillegung und der Abwendung von Gefahren für die Umwelt. Im Schacht Asse II wurden von 1967 bis 1978 erhebliche Mengen radioaktiven Mülls aus der damaligen Bundesrepublik eingelagert, der größtenteils aus Kernkraftwerken stammte. Offiziell sprach man von einer "Versuchseinlagerung" und einem Forschungsprojekt, weshalb Asse II nicht als Endlager galt. Vor zwei Jahren stellte sich indessen heraus, daß der eingelagerte Atommüll durch eindringende Salzlösungen "abzusaufen" droht (080606). Asse II wurde daraufhin durch eine Änderung des Atomgesetzes auch offiziell zum Endlager erklärt (090203). Der von Überflutung bedrohte Atommüll soll nun unter Milliardenkosten zurückgeholt und im "Schacht Konrad" endgelagert werden (100103).

In Asse liegt zehnmal mehr mittelaktiver Atommüll als vermutet

Im Schacht Asse II wurden zehnmal mehr mittelradioaktive Abfälle eingelagert als bisher vermutet. Dies ergibt sich aus einem abschließenden Bericht zum radioaktiven Inventar der Schachtanlage, den die Projektgruppe Jülich des Helmholtz-Zentrums München (HMGU) auf Veranlassung des Bundesforschungsministeriums erstellte und den das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) am 10. September veröffentlichte. Bisher war man von der offiziellen Deklaration der insgesamt 125.787 Stück Gebinde ausgegangen, die von 1967 bis 1978 eingelagert wurden. Ein Statusbericht des niedersächsischen Umweltministeriums vom September 2008 sprach deshalb von 1.293 Stück mit mittelradioaktiven und von 124.494 Stück mit schwachradioaktiven Abfall (080906). Indessen hat man damals nur die Strahlung an der Außenfläche der Gebinde gemessen. Insgesamt 14.779 speziell abgeschirmte Behälter mit mittelradioaktivem Abfall wurden so als schwachradioaktiver Abfall eingestuft. Aufgrund des radioaktiven Zerfalls sind davon heute – nach mehr als 30 Jahren – noch immer 8.465 Behälter als mittelaktiver Abfall einzustufen.

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