Mai 2011

110511

ENERGIE-CHRONIK


CCS-Gesetz wird von Oppositionsparteien abgelehnt

Der Bundestag beriet am 12. Mai in erster Lesung den vom Kabinett beschlossenen Entwurf eines Gesetzes, das die versuchsweise Anwendung von CCS-Technologien (Carbon Capture and Storage) bei Kohlekraftwerken ermöglichen soll (110407). Grüne und Linke forderten die Bundesregierung auf, das Gesetz dem Papierkorb zu überanworten, weil es auf einen gefährlichen und teueren Irrweg führe (siehe Hintergrund). Die SPD wird dem Gesetz ebenfalls nicht zustimmen, beschränkte sich aber auf partielle Kritik an dem Entwurf, den sie zu wesentlichen Teilen bereits in der Großen Koalition mit der Union ausgearbeitet und mitgetragen hatte.

Für die Bundesregierung begründete die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Katharina Reiche (CDU), den Gesetzentwurf: CCS sei vor allem für den globalen Klimaschutz von Bedeutung: "Länder wie China, Kanada, Australien und die USA setzen große Hoffnungen in diese Technologie und unternehmen dazu große Forschungsanstrengungen." Aber auch in Deutschland könne man nicht auf diese "klimafreundliche Lösung" verzichten, um den Bau neuer Kohle- und Gaskraftwerke zu ermöglichen, bis der "Umstieg" in eine auf erneuerbaren Quellen basierenden Energieversorgung gelungen sei. Der Gesetzentwurf beschränke sich im Bereich der Speicherung strikt auf Demonstrations- und Forschungsvorhaben.

SPD will Wiederverwendung des abgespeicherten CO2 ermöglichen

Für die Koalitionsfraktionen begründeten die Unionsabgeordneten Jens Koeppen (CDU) und Georg Nüßlein (CSU) sowie die FDP-Abgeordneten Michael Kauch und Klaus Breil, weshalb das CCS-Gesetz erforderlich sei. Dagegen kündigte der SPD-Abgeordnete Dirk Becker an, daß seine Partei dem Gesetz nicht zustimmen werde. Es sei zwar richtig, in die Forschung einzusteigen und die Entwicklung auch mit ein paar Demonstrationsprojekten voranzutreiben. Einer möglichen Wiederverwendung des abgespeicherten CO2 müsse jedoch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Der vorliegende Gesetzentwurf lasse außerdem klar erkennen, daß er über Demonstrationsvorhaben hinausgehe. Die vorgesehene Deckungsvorsorge nach § 30 Abs. 4 sei zu gering, die Zeitspanne von dreißig Jahren für den Übergang der Verantwortung von den Betreibern auf den Staat zu kurz bemessen. Mit der nachträglich eingefügten Länderklausel schiebe die Bundesregierung die unbequeme Entscheidung über geeignete Lagerstätten auf die Länder ab. Die angestrebte Senkung des CO2-Ausstoßes bis 2020 um 40 Prozent werde man in jedem Falle ohne CCS erreichen müssen, weil diese Technologie bis dahin noch nicht eingeplant werden könne.

Linke und Grüne befürchten neues Endlagerproblem

Für die Linke bezeichnete Eva Bulling-Schröter CCS als gefährlichen und teueren Irrweg. CCS werden frühesten 2030 großtechnisch zur Verfügung stehen. Dann aber seien erneuerbare Energiequellen bereits deutlich billiger als fossil befeuerte Kraftwerke. Das "Forschungsendlager" Asse habe gezeigt, daß niemand genau voraussagen kann, wie es um die Sicherheit von unterirdisch eingelagerten Stoffen bestellt ist. Der hohe CCS-Verpressungsdruck könne salzhaltige Lösungen ins Grundwasser drücken und dadurch für riesige Gebiete unnutzbar machen. Hinzu erfordere jede Kilowattstunde ein Drittel mehr Brennstoff. Die in Aussicht genommenen geologischen Formationen könnten rechnerisch im besten Fall die Emissionen einer halben Kraftwerksgeneration aufnehmen. "Dann ist sowieso Schluß. Dafür hinterlassen wir unseren Enkeln ein neues Endlagerproblem für Tausende von Generationen."

Für die Grünen glaubte Oliver Krischer ein deutliches Abflauen der früheren "Euphorie" beim Thema CCS feststellen zu können. Sogar das einstige Musterland Norwegen habe alle Projekte eingestellt. CCS löse keine Probleme, sondern verlagere sie nur an eine andere Stelle. Die Bundesregierung solle ihren Gesetzentwurf dem Papierkorb überantworten und die vielen Millionen Euro, die von der EU für CCS bereitgestellt wurden, lieber in die erneuerbaren Energien investieren.

EU-Richtlinie würde auch Verbot von CCS erlauben

Der Gesetzentwurf wurde zusammen mit zwei anderen Anträgen an die Ausschüsse überwiesen. Die Linke hatte alternativ den "Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der Speicherung von Kohlendioxid" eingebracht. Sie bezog sich damit auf Artikel 4 Abs. 1 der Brüsseler CCS-Richtlinie, wo den Mitgliedsstaaten ausdrücklich das Recht einräumt wird, "keinerlei Speicherung auf Teilen oder auf der Gesamtheit ihres Hoheitsgebietes zuzulassen".

Untergrund-Atlas soll konkurrierende Nutzungsmöglichkeiten aufzeigen

In einem weiteren Antrag forderten die Koalitionsparteien die Bundesregierung auf, einen Atlas zur Nutzung des Untergrunds für Geothermie, CCS und andere Zwecke zu erstellen, wie ihn Union und FDP im Koalitionsvertrag vereinbart haben (091001). Aus diesem Atlas müsse auch hervorgehen, "ob Nutzungsmöglichkeiten des Untergrunds zueinander in Konkurrenz stehen oder ob durch die Nutzung unterschiedlicher Tiefen eine gleichzeitige Nutzung oder sogar Synergien möglich sind sowie in welcher Weise Nutzungen des Untergrunds oberirdische Nutzungen beeinträchtigen können".

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