August 2011

110814

ENERGIE-CHRONIK


Timoschenko soll wegen Gasliefervertrags ins Gefängnis

Der früheren Ministerpräsidentin der Ukraine, Julia Timoschenko, wird seit Mai in Kiew ein Schauprozeß gemacht. Hauptanklagepunkt ist der im Januar 2009 geschlossene Gasliefervertrag mit Rußland, den die Ukraine unterzeichnen mußte, nachdem die russische Gazprom die über die Ukraine laufenden Gaslieferungen nach Westeuropa zwei Wochen lang gestoppt hatte (090101). Das neue Regime unter dem Präsidenten Viktor Janukowitsch, das seit März 2010 in Kiew an der Macht ist, wirft Timoschenko nun Amtsmißbrauch vor, weil sie den Gasliefervertrag zu unvorteilhaften Bedingungen abgeschlossen und dabei das eigene Kabinett übergangen habe. Bei einer Verurteilung drohen der Politikerin mindestens sieben Jahre Haft.

Seit 5. August sitzt Timoschenko überdies in Untersuchungshaft, weil sie beispielsweise den Richter als "Marionette" von Janukowitsch bezeichnete und sich weigerte, vor Gericht aufzustehen. Schon davor war sie mehrfach verhaftet und in anderer Weise drangsaliert worden. Das Kalkül des Regimes, die frühere Ministerpräsidentin juristisch diskreditieren und als politische Opponentin ausschalten zu können, scheint indessen nicht aufzugehen. Sowohl in der Ukraine als auch in der internationalen Öffentlichkeit wird der Prozeß als Willkürjustiz gesehen. Janukowitsch hat außerdem seine Gönner im Kreml vergrätzt, die sogleich Wert auf die Feststellung legten, daß damals selbstverständlich alles mit rechten Dingen zugegangen sei.

Kreml honorierte den Machtwechsel in Kiew mit nachträglichem Rabatt, aber nicht ohne Gegenleistung

Tatsächlich war es Janukowitsch nach seinem Machtantritt gelungen, einen erheblichen Rabatt auf die zuvor von Timoschenko vereinbarten Gaslieferungen zu erhalten. Der Kreml honorierte mit diesem Entgegenkommen jedoch den Wechsel zu einer moskaufreundlicheren Regierung in Kiew und bekam im Gegenzug die Erlaubnis, seine Schwarzmeerflotte noch mindestens 25 bis 30 Jahre auf der Krim zu stationieren. Der Gasrabatt wird über eine entsprechende Senkung der Exportabgaben für Gazprom aus dem russischen Staatshaushalt bestritten. Damit soll der Anschein aufrechterhalten werden, daß die Gazprom als Vertragspartner der ukrainischen Naftogaz ein unabhängig vom Kreml operierendes Unternehmen sei (100402).

Unter dem Vorwand der Korruptionsbekämpfung hat das Regime Janukowitsch neben Timoschenko noch mehrere andere Mitglieder der früheren Regierung in Haft genommen. Angesichts der in der Ukraine tatsächlich grassierenden Korruption sind die Vorwürfe aber mehr als dünn. So wird Timoschenko vorgeworfen, daß sie die Auszahlung von Renten mit Einnahmen aus dem Emissionshandel sichergestellt habe, die nur für Umweltschutzmaßnahmen bestimmt gewesen seien. Daß solche Vorwürfe überhaupt als justitiabel gelten können, liegt an einem noch aus Sowjetzeiten stammenden Gesetz, das die Staatsanwaltschaft pauschal ermächtigt, gegen "schlechtes Regieren" vorzugehen.

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