Januar 2012

120109

ENERGIE-CHRONIK


 


Der Hamburger Kupferhütte Aurubis – noch immer besser unter dem alten Namen Norddeutsche Affinerie bekannt - bangt vor einem länger andauernden Stromausfall, der ihre Anlagen zerstören würde. Andere Betriebe beklagen sich dagegen eher über eine Häufung von kurzfristigen Spannungs- und Frequenzschwankungen, die empfindliche Produktionsprozesse beeinträchtigen.
Foto: Aurubis

"Abschaltverordnung" soll kurzfristigen Lastabwurf erleichtern

Das Bundeswirtschaftsministerium bereitet eine "Abschaltverordnung" vor, die kurzfristige Stromunterbrechungen für Industriebetriebe gegen Zahlung einer Entschädigung regelt. Damit soll der Handlungsspielraum der Regelzonenbetreiber bei der Erhaltung der Netzstabilität erhöht werden. Diese sind zwar aufgrund von § 13 EnWG schon bisher berechtigt, Lastabwürfe vorzunehmen, doch setzt eine solche Maßnahme voraus, daß "die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in der jeweiligen Regelzone gefährdet oder gestört ist". Andernfalls können sie die Stromversorgung nur auf Basis einer freiwilligen Vereinbarung mit dafür geeigneten Industriebetrieben unterbrechen. Die Verordnung dürfte den Zweck verfolgen, solche Vereinbarungen zu standardisieren und die dafür zu zahlenden Entschädigungen zu begrenzen. Der Wortlaut liegt jedoch noch nicht vor.

Wie die "Frankfurter Allgemeine" am 24. Januar exklusiv berichtete, ist ein pauschales Entgelt pro Abnehmer und Jahr vorgesehen, das sich nach der abzuschaltenden Leistung richtet: 60.000 Euro ab 150 MW, 45.000 Euro ab 100 MW und 30.000 Euro ab 50 MW. Für jeden der in Frage kommenden Betriebe wird exakt festgelegt, wie lange und wie oft abgeschaltet werden darf. Die Bundesnetzagentur soll jährlich über die Entwicklung berichten, die Verordnung selber nach drei Jahren überprüft werden. Der Entwurf, der jetzt im Kabinett abgestimmt wird, bedarf außerdem noch der Zustimmung des Bundestags. Die entstehenden Mehrkosten gehen in die Netzentgelte ein. Die Regierung schätzt sie auf nicht viel mehr als hundert Millionen Euro, da insgesamt nur wenige Großverbraucher für solche Kurzabschaltungen in Frage kommen.

In einem Kommentar beklagte das Blatt, daß damit "wieder ein Stück Markt in der Energiepolitik verschwindet". Auch wenn die Verordnung zur Sicherung der Versorgung und zur Abwehr von "Mondpreisen" für freiwillige Abschaltungsvereinbarungen notwendig erscheine, sei "dieser Griff zum Ordnungsrecht, diese neue Umdrehung der Interventionsspirale nur ein weiterer Schritt in einen staatlich regulierten Energiesektor, in dem Marktpreise bald keine Rolle mehr spielen".

Industrie klagt über Häufung von kurzfristigen Spannungs- und Frequenzschwankungen

Laut "Handelsblatt" (29.12.) hat sich die deutsche Tochter des norwegischen Aluminiumherstellers Norsk Hydro in einem Schreiben an die Bundesnetzagentur über eine "beunruhigende Häufung von Netz- und Frequenzschwankungen" beschwert. Es sei deshalb zu erheblichen Produktionsbeeinträchtigungen gekommen. Bei dem Stromausfall am 13. Juli in Hannover (110712) habe in der dortigen Gießerei des Unternehmens ein Millionenschaden nur knapp verhindert werden können. Am 20. Juli habe ein überraschender Spannungseinbruch im Großwalzwerk in Neuss einen nachweisbaren Schaden von 200.000 Euro verursacht. Ferner sei es in seinem Walzwerk in Grevenbroich zu kurzfristigen Spannungseinbrüchen und in zwei weiteren Werken zu Sttromausfällen gekommen.

Der Kupferproduzent Aurubis AG äußerte sich ebenfalls besorgt über das Risiko eines länger andauernden Stromausfalls. "Wir arbeiten mit flüssigem Metall", erläuterten Vorstandsvertreter auf der Bilanzpressekonferenz am 19. Januar. "Wenn das nach einem Stromausfall abkühlt, gehen unsere Anlagen kaputt." Zusätzlich zu den vorhandenen Notstromaggregaten habe man sich deshalb mit Millionenaufwand eigene Kraftwerkskapazität gesichert. Aurubis ist seit April 2009 der neue Name der Norddeutschen Affinerie, die sich mit einer "Scheibe" von 114 MW am neuen Hamburger Steinkohlekraftwerk Moorburg von Vattenfall beteiligt (070508). Das Kraftwerk befindet sich derzeit noch in Bau und wird voraussichtlich erst 2014 ans Netz gehen können.

Die Klagen dieser und anderer industrieller Stromkunden stehen im Widerspruch zum Befund der Bundesnetzagentur, die den deutschen Stromnetzen erst vor kurzem wieder eine hohe Versorgungsqualität bescheinigt hat. Allerdings bezog sich diese Aussage auf das Jahr 2010. Wie die Behörde am 17. November mitteilte, lag die durchschnittliche Versorgungsunterbrechung je angeschlossenem Letztverbraucher – der sogenannte SAIDI-Wert – bei 14,90 Minuten und somit nicht viel höher als 2009 (14,63 Minuten). Der SAIDI erfaßt zudem nur ungeplante Unterbrechungen, die länger als drei Minuten dauern (100210). Es sind aber offenbar gerade kurzfristige Ausfälle und für den Normalverbraucher kaum wahrnehmbare Spannungs- und Frequenzschwankungen, die sich in letzter Zeit häufen und manchen Industriebetrieben empfindlich zu schaffen machen.