November 2012

121104

ENERGIE-CHRONIK


Industrie wird faktisch ohne Gegenleistung von der Stromsteuer befreit

Die deutsche Industrie wird für weitere zehn Jahre weitgehend von der Zahlung der Stromsteuer befreit. Mit den Stimmen der Regierungskoalition billigte der Bundestag am 8. November die entsprechende Gesetzesvorlage der Bundesregierung (120802). Die Oppositionsparteien SPD, Grüne und Linke lehnten das Gesetz ab. Sie bekundeten zwar mehr oder weniger Verständnis für eine gezielte Entlastung solcher Unternehmen, die durch die seit 1999 erhobene Stromsteuer im internationalen Wettbewerb benachteiligt werden. Sie wandten sich aber gegen eine pauschale Befreiung des Produzierenden Gewerbes. Insbesondere kritisierten sie die von der Industrie angeblich verlangte Verbesserung der Energieeffizienz, mit der die erneute Genehmigung der Steuerbefreiung durch die EU-Kommission begründet werden soll. Faktisch handele es sich um gar keine Gegenleistung, weil die verlangten Effizienz-Ziele auch ohne besondere Anstrengungen der Industrie erreicht und übertroffen würden.

Gesetzlich auferlegte Effizienz-Steigerung um jährlich 1,3 Prozent würde ohnehin erreicht

Die Verabschiedung des Gesetzes erfolgte ohne mündliche Debatte. Die Fraktionen begnügten sich mit Stellungnahmen ihrer jeweiligen Berichterstatter im Finanzausschuß, die zu Protokoll gegeben wurden. Für die Unionsfraktion erinnerte Norbert Schindler (CDU) daran, daß die Stromsteuer einst von der rot-grünen Koalition eingeführt wurde und von Anfang an die Industrie weitgehend verschont hat. Anders als bei der von Rot-Grün eingeführten Vorgängerregelung würden nun die Unternehmen, die einen Spitzenausgleich haben wollen, "stark an die Kandare genommen". Genau dies ist allerdings nach Feststellung der drei Oppositionsparteien nicht der Fall. Für die SPD konstatierte Sabine Bätzing-Lichtenthäler, "daß die Einsparungen an Energieeffizienz, die mit 1,3 Prozent jährlich erwartet werden, von selbst eintreten würden, ohne eigene Anstrengung der Wirtschaft".

Grüne wollen Spitzenausgleich durch Härtefallregelung ersetzen

In dieselbe Kerbe hieb Lisa Paus von den Grünen: "Das von der Bundesregierung vorgegebene Effizienzziel von 1,3 Prozent ist deutlich zu unambitioniert und unterliegt einer völlig unzureichenden wissenschaftlichen Überprüfung. Bereits in den vergangenen Jahren hat sich die Energieeffizienz der Industrie ohne besondere Anstrengungen bereits um 1,4 Prozent pro Jahr verbessert." Ihre Partei verlange die Ersetzung des sogenannten Spitzenausgleichs durch eine Härtefallregelung, die nur solche energieintensiven Unternehmen unterstützt, die wirklich von einer Verlagerung in Drittstaaten bedroht sind.

Für die Linke machte Eva Bulling-Schröter darauf aufmerksam, daß bei der Berechnung des Energieeffizienzindikators auch die Energieversorgungsunternehmen einbezogen werden. Infolge der ohnehin anstehenden Stillegung von Kernkraftwerken und des ständig wachsenden Anteils der erneuerbaren Energien ergebe sich so rechnerisch eine Minderung des Primärenergieverbrauchs (siehe Hintergrund). Es würden auf diese Weise "statistisch große Effizienzverbesserungen vorgegaukelt, ohne daß bei der Industrie tatsächlich etwas passiert".

Ferner kritisierten alle Vertreter der Opposition, daß die Unternehmen eine Verbesserung der Energieeffizienz nicht individuell nachweisen müssen. Auf Druck der Lobby habe man stattdessen die sogenannte Glockenlösung eingeführt, die lediglich das gesamte Produzierende Gewerbe verpflichtet, ein insgesamt viel zu niedrig gehängtes Effizienz-Ziel zu erreichen. Davon würden vor allem solche Unternehmen profitieren, die zur Erreichung des Ziels nichts geleistet haben. Die Pflicht zur Einführung von Energiemanagement-Systemen sei ebenfalls keine echte Gegenleistung. Sie werde zudem durch umfangreiche Ausnahmeregelungen für kleine und mittlere Unternehmen aufgeweicht.

Steuerentlastung für KWK-Anlagen wurde neuen EU-Bestimmungen angepaßt

Das nunmehr verabschiedete "Zweite Gesetz zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes" enthält außerdem eine Neuregelung der Steuerbefreiung für KWK-Anlagen, eine Regelung zur Steuerbefreiung von verflüssigtem Erdgas (LNG) für die gewerbliche Schiffahrt und eine Änderung des Luftverkehrssteuergesetzes. Die Steuerbefreiung für KWK-Anlagen wird den geltenden EU-Vorschriften angepaßt. Die Bearbeitung entsprechender Anträge mußte seit 1. April 2012 unterbleiben, da sich die beihilferechtlichen Vorschriften der EU geändert hatten (120408). Aufgrund der Neuregelung kann die Auszahlung rückwirkend bis zu diesem Datum vorgenommen werden. Eine teilweise Steuerermäßigung bis auf die Mindestsätze der EU-Energiesteuer-Richtlinie (031103) erhalten alle KWK-Anlagen unter den bisherigen Voraussetzungen. Eine vollständige Steuerentlastung wird künftig auf solche KWK-Anlagen beschränkt, die zusätzlich das Hocheffizienz-Kriterium der EU-KWK-Richtlinie erfüllen (040206).

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