November 2012

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ENERGIE-CHRONIK


Für Flexstrom wird es eng: Anleihe über 35 Millionen Euro kurzfristig abgesagt

Der von Verbraucherschützern argwöhnisch beobachtete Stromanbieter Flexstrom (120108) ist anscheinend in Geldnöten und auch bei Kapitalanlegern nicht vertrauenswürdig genug, um sich frisches Geld zu beschaffen. Am 12. November kündigte er die Aufnahme einer Anleihe in Höhe von 35 Millionen Euro an, die er aber drei Tage später wieder absagte, weil "die Presseberichterstattung der letzten Tage eine faire Bewertung der Emission nicht mehr möglich erscheinen läßt".

Die Anleihe sollte im Segment Bondm für Mittelstandsanleihen der Börse Stuttgart ab 19. November angeboten werden. Sie verhieß eine Rendite von 8,25 Prozent bei einer Laufzeit von fünf Jahren. Mit ihrer kleinteiligen Stückelung (1000 Euro) sprechen diese Bondm-Anleihen besonders private Anleger ohne besondere Marktkenntnisse an. Die Börse Stuttgart hat sie allerdings neuerdings zum Schutz der Anleger mit einer fünfstufigen Risikobewertung von sicherheitsorientiert (1) bis spekulativ (5) versehen. Nach Ansicht von Marktbeobachtern wäre die Flexstrom-Anleihe wohl im oberen Teil dieser Skala eingestuft worden.

Vattenfall machte weitere Belieferung von Vorauskasse abhängig

Schon am 13. November berichtete das "Handelsblatt", daß Flexstrom bei allen vier großen Stromkonzern nach häufigem Zahlungsverzug unter Beobachtung stehe. Flexstrom-Sprecher Dirk Hempel erklärte daraufhin den Zahlungsverzug gegenüber DPA damit, daß die Rechnungen der Lieferanten stets sehr sorgsam geprüft werden müßten. Zum Beispiel habe Vattenfall eine zwanzigfach überhöhte Forderung gestellt, die nach der Überprüfung von einem siebenstelligen Betrag auf 48.500 Euro geschrumpft sei. Vattenfall wies diese Darstellung umgehend als unzutreffend zurück. In Wirklichkeit verhalte es sich so, daß Vattenfall im Januar einen siebenstelligen Betrag angemahnt habe, mit dem Flexstrom zum Stichtag 31.12.2011 im Rückstand war. Diese Forderung sei zwischenzeitlich bis auf eine Summe von 24.000 Euro beglichen. Gleichzeitig habe man für künftige Lieferungen an Flexstrom Vorauskasse vereinbart.

Am 9. Oktober kündigten die Stadtwerke Emsdetten dem Stromanbieter alle Netznutzungsverträge, nachdem er die Netzentgelte mehrfach verspätet bezahlt hatte und eine deshalb geforderte Sicherheitsleistung ebenfalls nicht erbringen wollte. Dieser Konflikt konnte allerdings schnell beigelegt werden, zumal Flexstrom im Bereich der Stadtwerke Emsdetten über weniger als hundert Kunden verfügt.

Unzufriedene Kunden werden verklagt, um Schlichtungs-Kosten zu vermeiden

Die nicht an der Börse notierte Flexstrom AG ist eine reine Vertriebsfirma, die sich den Strom zu üblichen Marktpreisen beschaffen muß. Sie lockt die Kunden mit sehr günstig erscheinenden Angeboten, was beim Bund der Energieverbraucher den Verdacht weckte, daß sie den Strom nicht hinreichend kostendeckend anbietet (120108). Zugleich behandelt sie Kunden, die sich geprellt oder sonst irgendwie benachteiligt fühlen, äußerst rabiat. Zum Beispiel verklagt sie diese vor Gericht, wenn sie sich an die "Schlichtungsstelle Energie" wenden, die vor einem Jahr eingerichtet wurde (111016). Sie setzt damit nicht nur die Kunden unter Druck. Vor allem vermeidet sie so die Kosten der Schlichtung, denn pro Verfahren berechnet die Schlichtungsstelle den Versorgern eine Pauschale von 416,50 Euro. Da die Schlichtungsstelle in § 111b Abs.1 EnWG verankert ist, kann ein Stromanbieter die eingereichten Beschwerden nicht einfach ignorieren. Er kann die Einleitung des Schlichtungsverfahrens und damit die Zahlung der Pauschale aber vermeiden, wenn er den normalen Rechtsweg beschreitet.

Mehr als die Hälfte von 14.000 Schlichtungsanträgen entfällt auf zwei Energieanbieter

Wie die Schlichtungsstelle Energie am 1. November anläßlich ihres einjährigen Bestehens mitteilte, ist sie bisher rund 14.000mal von Verbrauchern angerufen wurden. Rund 56 Prozent der Schlichtungsanträge hätten zwei Unternehmen betroffen, "die ihre Vertragsabschlüsse nahezu ausschließlich über das Internet generieren". Höchstwahrscheinlich ist eines dieser beiden Unternehmen Flexstrom. Veranschlagt man den Anteil von Flexstrom an allen Beschwerden zurückhaltend auf ein Viertel, wären das 3500 Schlichtungsverfahren, die den Stromanbieter mit 1,46 Millionen Euro an Verfahrenskosten belasten würden. Den Schlichtungsspruch selber bräuchte Flexstrom dagegen nicht zu fürchten, da er nicht bindend ist. Mit der Weigerung, ihn zu akzeptieren, hat der Stromanbieter allerdings seinen Ruf noch mehr ramponiert als er es ohnehin schon war (120108) .

Nicht ganz so eindeutig ist der andere Spitzenreiter auf der Beschwerdeliste auszumachen, da die Schlichtungsstelle grundsätzlich keine Details bekanntgibt. Hinweise in dieser Richtung liefern aber die Kundenbeschwerden, die bei der Stiftung Warentest eingehen: Hier betrifft ein Großteil der Beschwerden neben Flexstrom die Geschäftspraktiken der Extra-Energie GmbH mit den Marken hitstrom und prio-energie.

In der Schlichtungsstelle sind derzeit – neben dem Ombudsmann und der Geschäftsführung – sieben Schlichter (Volljuristen) und neun Assistenzen tätig. Die Anträge betreffen zu 45 Prozent das Thema Abrechnung (z.B. Rechnung nicht korrekt, Zählerstände nicht in Ordnung, Abschlagszahlung, Abschlagshöhe, Rechnung nicht erhalten). 39 Prozent der Anträge betreffen vertragliche Streitigkeiten (z.B. Vertragslaufzeit, Bonus, Kündigung). Bei 10 Prozent geht es um den Lieferantenwechsel. Der Rest der Beschwerden betrifft Sperrung (2 %), Sonstiges (2%), Sachschäden/Baumaßnahmen (1% ) und Zählerdefekte (1%).

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