Januar 2013

130115

ENERGIE-CHRONIK


EU-Richtlinienvorschlag gefährdet kommunale Wasserversorgung

Der Binnenmarktausschuß des Europäischen Parlaments billigte am 24. Januar einen Richtlinienvorschlag der Kommission, der die kommunale Wasserversorgung in Deutschland gefährdet. Demzufolge wären die Kommunen künftig verpflichtet, auch Dienstleistungskonzessionen wie die Wasserversorgung europaweit auszuschreiben. Dadurch wären sie nicht mehr in der Lage, Leistungen der Daseinsvorsorge innerhalb des kommunalen Verbundes ohne Ausschreibung erbringen zu können. Das gilt insbesondere für kommunale Unternehmen mit privater Minderheitsbeteiligung sowie für Unternehmen, die neben der Trinkwasserversorgung auch in anderen Sektoren – etwa der Energieversorgung – tätig sind. Zudem würde die Beauftragung von Zweckverbänden erheblich erschwert. Aus Sicht des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) kommt der Richtlinienentwurf einer "Liberalisierung durch die Hintertür" gleich. Beispielsweise würde so der französischen Veolia (100613) das weitere Eindringen in die Wasserversorgung und andere kommunale Aufgabenbereiche ermöglicht. Federführend bei der Ausarbeitung des Richtlinienvorschlags war der französische Binnenmarktkommissar Michel Barnier.

Binnenmarktausschuß nahm nur geringfügige Änderung vor

Der seit 20. Dezember 2011 vorliegende Richtlinienentwurf wird in Deutschland von fast allen Bundestagsfraktionen abgelehnt. Unterstützung findet er lediglich bei der marktradikalen FDP. Die Bundesländer haben ihn ebenfalls zurückgewiesen: "Der Bundesrat vertritt weiterhin die Auffassung, daß kein Bedarf für einen Legislativakt zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen auf europäischer Ebene besteht", hieß es in einem Beschluß der Ländervertretung vom 30. März 2012 .

Der Binnenmarktausschuß des EU-Parlaments stimmte dagegen dem Vorschlag mit 25 gegen fünf Stimmen bei acht Enthaltungen zu. Der belgische Berichterstatter Marc Tarabella (Sozialdemokraten) lobte ihn als "Schritt in die richtige Richtung", der Dienstleistungen auf kommunaler Ebene verbilligen werde: "Gerade in dieser Zeit der Krise erwarten die Bürger, daß jeder Euro an öffentlichen Ausgaben nutzbringend, effizient und verantwortungsvoll ausgegeben wird." Der Ausschuß nahm lediglich eine kleine Änderung vor, wonach die Auftragsvergabe nicht in jedem Falle an den billigsten Anbieter zu erfolgen hat, sondern auch das "wirtschaftlich vorteilhafteste Angebot" berücksichtigen darf. Dieses MEAT-Kriterium ("Most Economically Advantageous Tender") soll es den Kommunen ermöglichen, auch umweltmäßige oder soziale Aspekte in die Auftragsvergabe einfließen zu lassen.

Städtetag spricht von "vollkommen weltfremder Regulierungswut"

"Die Bundesregierung muss jetzt die kommunale Wasserwirtschaft in den weiteren Beratungen der Richtlinie schützen, ansonsten kommt sie unter die Räder der Gleichmacher aus Brüssel", erklärte dazu der VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck. "Das heutige Abstimmungsergebnis belegt, dass einheitliche Festlegungen aus Brüssel zur Organisation der Daseinsvorsorge und insbesondere der Trinkwasserversorgung in den einzelnen Mitgliedstaaten für die Bürger in die falsche Richtung führen."

Der Münchener Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) appellierte als Präsident des Deutschen Städtetags an die Bundesregierung, ihren Einfluß geltend zu machen, damit die Wasserwirtschaft aus der Dienstleistungsrichtlinie herausgenommen wird. Er bezeichnete den Beschluß des Binnenmarktausschusses als eine "ärgerliche und überflüssige Fesselung und Benachteiligung" kommunaler Betriebe. Die EU belege damit erneut ihren Hang zur Bürokratisierung und einer "vollkommen weltfremden Regulierungswut". Es bleibe zwar grundsätzlich weiterhin möglich, die Wasserversorgung dem Zugriff privater Unternehmen zu entziehen. Die neue EU-Richtlinie lege die Hürden aber so hoch, daß sie nicht von allen Kommunen überwunden werden könnten. Ein auf kurzfristigen Gewinn orientiertes Privatunternehmen gefährde die Qualität der Wasserversorgung. Im übrigen hätten die Erfahrungen in Frankreich, England oder auch deutschen Städten längst die Behauptung widerlegt, daß die Wasserversorgung durch Privatisierung billiger würde.