Februar 2013

130207

ENERGIE-CHRONIK


 

 

Für die neue Verzögerung bei der Fertigstellung des EPR-Reaktors am finnischen Standort Olkiluoto geben sich der Auftraggeber TVO und das Konsortium aus Areva und Siemens gegenseitig die Schuld. Auch der Bau des ersten französischen EPR in Flamanville gestaltet sich langwieriger und teuerer als geplant. Der italienische Energiekonzern Enel nahm dies zum Anlaß, um die vor fünf Jahren vereinbarte Beteiligung an der französischen Atomstromerzeugung rückgäng zu machen.

Pressefoto TVO

Finnischer EPR verzögert sich nun sogar um sieben Jahre – Toshiba sticht Areva aus

Die Inbetriebnahme des EPR-Reaktors am Standort Olkiluoto in Westfinnland, die ursprünglich bereits 2009 erfolgen sollte (031205), wird sich nochmals verzögern und voraussichtlich erst 2016 erfolgen können. Dies ergibt sich aus einer Mitteilung, die der finnische Energieversorger Teollisuuden Voima Oy (TVO) am 11. Februar veröffentlichte. Die beiden Konzerne Areva und Siemens, die das Kernkraftwerk errichten, machten dagegen mangelnde Kooperationsbereitschaft ihres Auftraggebers TVO für die zusätzliche Verzögerung verantwortllich. Am 25. Februar eskalierte der Konflikt zwischen Areva und den finnischen Energieversorgern weiter, indem das Gemeinschaftsunternehmen Fennovoima Oy wissen ließ, daß es über die Lieferung des Reaktors für das KKW-Projekt "Hanhikivi 1" (121002) ab sofort mit dem japanischen Hersteller Toshiba verhandeln werde. Bisher galten der Druckwasserreaktor von Areva (1700 MW EPR) und der Siedewasserreaktor von Toshiba (1600 MW ABWR) als gleichrangige Optionen.

TVO stützt seine Prognose, daß der EPR erst 2016 ins Netz einspeisen werde, auf die neuesten Fortschrittsberichte von Areva und Siemens. Schon seit längerem sei bekannt, daß die zuletzt für 2014 zugesagte Fertigstellung nicht eingehalten werden könne. Dennoch habe das Konsortium bisher keinen angemessenen neuen Zeitplan vorgelegt. Momentan sei der Reaktor erst zu rund drei Vierteln vollendet, und im konventionellen Teil habe man mit der Installierung der Turbine begonnen.

Andauernde Probleme mit der Leittechnik

Das Konsortium aus Areva und Siemens bekräftigte demgegenüber am selben Tag, daß es alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe, um einen stabilen und verläßlichen Zeitplan für die Fertigstellung zu gewährleisten. Schon seit längerem wüßten alle Beteiligten um die Probleme bei der Leittechnik (090909). Um diese Schwierigkeiten endlich zu beheben und die endgültige Genehmigung für den Aufbau der Leittechnik zu erhalten, habe das Konsortium im vergangenen Jahr die TVO um "deutlich mehr aktive Zusammenarbeit" gebeten. Bedauerlicherweise sei TVO aber diesem Wunsch bis heute nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Bei der Konstruktion von Reaktoren der dritten Generation sei die Zusammenarbeit mit den Kunden ein entscheidender Faktor. In China komme deshalb der Bau der EPR-Reaktoren Taishan 1 und 2 (080808) doppelt so schnell voran wie in Finnland.

Beim Projekt Hanhikivi kommen jetzt die Japaner zum Zuge

Unterdessen verfolgt das Gemeinschaftsunternehmen Fennovoima Oy weiterhin die Errichtung eines Reaktors auf der Halbinsel Hanhikivi im Norden Finnlands, obwohl sich mit dem E.ON-Konzern ein wichtiger Partner zurückgezogen hat (121002). Wie das Unternehmen am 15. Februar mitteilte, übernimmt sein Mehrheitseigentümer Voimaosakeyhtiö SF nun auch den 34-Prozent-Anteil von E.ON. Am 25. Februar folgte die Mitteilung, daß Fennovoima Oy ab sofort mit Toshiba über die Lieferung des Siedewasserreaktors ABWR verhandeln werde. Damit ist die französische Areva mit ihrem EPR, der bisher als gleichwertige Option galt, aus dem Rennen. Sie unterliegt ein weiteres Mal dem japanischen Toshiba-Konzern, der 2006 den US-amerikanischen Reaktorbauer Westinghouse übernommen hat (061219). Die Entscheidung sei aufgrund der vorgelegten Angebote und deren gründlicher Prüfung gefallen, beteuerte Fennovoima-Chef Juha Nurmi. Die Probleme mit dem EPR in Olkiluoto hätten darauf keinen Einfluß gehabt.

Enel kündigt die Beteiligung an der französischen Atomstromerzeugung

Schon Ende 2012 hat der italienische Energiekonzern Enel die vor fünf Jahren vereinbarte Beteiligung an der französischen Atomstromerzeugung (071207) gekündigt. Wie er am 4. Dezember mitteilte, beendet er die strategische Partnerschaft mit der Electricité de France (EDF) mit Wirkung vom 19. Dezember. Dadurch entfällt die Beteiligung am Bau des Kernkraftwerks Flamanville 3 sowie die beabsichtigte Beteiligung an fünf weiteren Reaktoren des Typs EPR. Die Stromlieferungen, die EDF im Vorgriff auf die Beteiligung gewähren sollte, werden reduziert. Aufgrund einer günstigen Vertragsgestaltung erhält der italienische Energiekonzern die 613 Millionen Euro zurück, die er bereits in die 12,5-prozentige Beteiligung an Flamanville investiert hat.

Enel begründete den Rückzug mit einer weiteren Kostensteigerung für den Reaktor in Flamanville, die EDF kurz zuvor angekündigt hatte. Weitere Gründe seien Verzögerungen bei der Bauausführung, ein deutlicher Rückgang bei der Nachfrage nach Kraftwerksleistung und der "ungewisse Zeitrahmen für andere Investionen im nuklearen Bereich". Hinzu komme, daß im Juni 2011 eine Mehrheit der Italiener gegen den von der Regierung Berlusconi betriebenen Wiedereinstieg in die Kernenergie votiert hat (110608). Dieser Ausgang des Referendums habe die Bedeutung einer solchen strategischen Partnerschaft gemindert.

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