März 2015

150305

ENERGIE-CHRONIK


Oligarch scheitert mit Schadenersatz-Klage gegen RWE

Das Landgericht Essen wies am 24. März eine Schadenersatzklage ab, die der russische Oligarch Leonid Lebedew gegen den RWE-Konzern angestrengt hat. Lebedew verlangt über 700 Millionen Euro, weil RWE den 2008 geplanten Einstieg in den russischen Strommarkt (080310) nach einem halben Jahr wieder abgeblasen hat (080908). Er beruft sich darauf, daß sein Mischkonzern Sintez damals im Auftrag des deutschen Unternehmens eine Drittelbeteiligung am Kraftwerksbetreiber TGK-2 erworben habe, und zwar mit Blick auf ein geplantes Gemeinschaftsunternehmen aus RWE und Sintez, das 43 Prozent an TGK-2 übernehmen sollte. Auf der unter hohen Kosten erworbenen Beteiligung sei er dann aber sitzengeblieben, da RWE die getroffene Absprache gebrochen und auf den Einstieg bei TGK-2 verzichtet habe.

Heute kann RWE froh sein, das aus den Rußland-Geschäften nichts geworden ist

Lebedew hatte die Klage Ende 2011 beim Landgericht Essen eingereicht, nachdem seine Schadenersatzforderung von einem Londoner Schiedsgericht zurückgewiesen worden war. Sie richtet sich gesamtschuldnerisch gegen RWE und gegen den damaligen Vorstandsvorsitzenden Jürgen Großmann, der seit 1. Oktober 2007 an der Spitze des Konzerns stand (070915) und bis Ende Juni 2012 amtierte (110807). Die Orientierung auf den vermeintlich lukrativen russischen Strommarkt gehörte zu den unternehmerischen Fehlentscheidungen Großmanns. Im Unterschied zum hohen Abschreibungsbedarf, den er mit seiner Fixierung auf die Kernenergie (091002, 120304) und die Erweiterung des konventionellen Kraftwerksparks (140104) hinterließ, konnte das mit Lebedew geplante Projekt allerdings noch relativ glimpflich beendet werden. Auch Pläne für eine strategische Partnerschaft mit dem russischen Staatskonzern Gazprom beim Kraftwerksgeschäft, die Großmann 2011 verfolgte (110701), hatten nur ein halbes Jahr Bestand und gediehen nicht über eine Absichtserklärung hinaus (111202). Heute darf sich der Konzern glücklich schätzen, daß aus beiden Rußland-Geschäften nichts geworden ist.

Für den ehemaligen Konzernchef Großmann ist die Sache noch nicht ausgestanden

Das Landgericht Essen begründete die Abweisung der Lebedew-Klage mit der vorangegangenen Entscheidung des Londoner Schiedsgerichts aus dem Jahr 2010. Eine weitere Klage gegen RWE in Deutschland sei damit unzulässig. Dies gelte allerdings nicht für die Klage gegen Großmann, da dieser vor dem Schiedsgericht nur als Zeuge und nicht als Beteiligter aufgetreten sei. Falls das Urteil Bestand haben sollte – es dürfte sowohl von Lebedew als auch von Großmann angefochten werden – wären somit die formalen Voraussetzungen für eine Schadenersatzklage des Oligarchen gegen den ehemaligen RWE-Chef erfüllt.

Lebedew hatte wohl zu hoch gepokert

Allerdings ist kaum anzunehmen, daß Lebedew mit einer Klage gegen Großmann letztendlich Erfolg haben wird. Die Übernahme der damals von Sintez erworbenen Beteiligungen durch RWE war zwar sicherlich beabsichtigt gewesen, aber nirgendwo verbindlich vereinbart worden. Das geplante Geschäft wird wohl deshalb geplatzt sein, weil Lebedew einen zu hohen Preis verlangte und RWE sich von ihm über den Tisch gezogen fühlte. Für diese Vermutung spricht auch, daß Großmann den ehemaligen Bundeskanzler und Putin-Freund Gerhard Schröder um Hilfe in der Auseinandersetzung mit dem Oligarchen bat: "Sintez hat als unser 'Handlanger' den Zuschlag erhalten und fühlt sich jetzt nicht an die Abmachungen gebunden", klagte Großmann in einem vom 2. Juli 2008 datierten Schreiben an Schröder. "Wie können wir sanften Druck auf Herrn Lebedev ausüben, dass er sein Wort hält? Könntest Du helfen?" (120614).

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