November 2015

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ENERGIE-CHRONIK


"Schulverweis für RWE"

Der Verein LobbyControl hat RWE einen "Schulverweis" erteilt. Es handelt sich um 26.377 Unterschriften unter einen Appell an die RWE Deutschland AG, ihre Lobbyarbeit an Schulen zu beenden. Schulen seien ein besonders schützenswerter Raum, heißt es in dem Appell, der am 17. November der RWE-Zentrale in Essen übergeben wurde. Der Energiekonzern mißbrauche diesen Raum für seine Geschäftsinteressen, wenn er unter dem Deckmantel von Bildungsförderung die Auseinandersetzung um die Braunkohle und andere energiepolitische Fragen zu seinen Gunsten zu beeinflussen versuche.

Der RWE-Konzern betreibt seit jeher eine umfangreiche Schularbeit. Außerdem hat er Ende 2012 mit Hilfe von PR-Agenturen eine bundesweite "Bildungsinitiative" gestartet. Unter der Bezeichnung 3malE ("Energie entdecken, erforschen und erleben") umfaßt sie zahlreiche Angebote vom Kindergarten bis zur Hochschule. Nach firmenoffizieller Darstellung will man damit "besonders junge Menschen für Energie und Technik begeistern und Lehrende dabei unterstützen, Energiewissen verständlich und lebendig zu vermitteln".

"Bildungsförderung dient nur als Vorwand"

Das sieht der Verein LobbyControl etwas anders. "Natürlich findet hier auch Bildung statt, und natürlich kann es auch sinnvoll sein, die Sichtweise eines Unternehmens zu hören", räumt er ein. Aber in diesem Fall diene die Bildungsförderung nur als Vorwand, um den Ruf des Unternehmens zu verbessern und die Akzeptanz für Braunkohle zu steigern. Beispielsweise lägen ihm die Kooperationsvereinbarungen zwischen RWE und zwei Schulen im rheinischen Braunkohle-Revier vor. Demnach zielen diese Kooperationen erklärtermaßen darauf ab, daß den Schülern "die Bedeutung und der Nutzen dieser Industrie (d.h. der Braunkohle) für die Gesellschaft, besonders auch für die Region, verdeutlicht werden".

Die Schulen, die im Mittelpunkt dieser Bildungs-Aktivitäten stünden, seien für RWE nur Mittel zum Zweck: "Das eigentliche Ziel ist die Politik, denn diese läßt sich einfacher für Konzern-Belange einspannen, wenn das Unternehmen auf Zustimmung in der Bevölkerung und ein positives Image verweisen kann."

Der Verein LobbyControl wurde 2005 gegründet, um unzulässige Einflußnahmen von Wirtschaftsinteressen auf die Politik aufzudecken und zu verhindern. Zum Beispiel hat er 2009 das Strategiepapier einer auf Politikberatung spezialisierten PR-Agentur enthüllt, das dem E.ON-Konzern Ratschläge erteilte, wie er die öffentliche Meinung zugunsten der Kernenergie und damit das Ergebnis der Bundestagswahl beeinflussen könne (090907). Wiederholt hat er auch den Propagandaverein "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM) ins Visier genommen, der seit fünfzehn Jahren mit Millionenaufwand die öffentliche Meinung im Sinne der Arbeitgeberverbände zu beeinflussen versucht und von "Gesamtmetall" finanziert wird (120801).

 

 

Das vom Bundesinnenministerium gestoppte Buch wurde auf der Internet-Seite der Bundeszentrale für politische Bildung als "vergriffen" ausgegeben. Inzwischen darf es wieder ausgeliefert werden.

 

Unternehmer erreichten Vertriebsverbot für Schulbuch

Aufgrund einer Beschwerde der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) stoppte das Bundesinnenministerium den Vertrieb eines Buches, das die ihm unterstehenden Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) herausgegeben hat. Unter dem Titel "Ökonomie und Gesellschaft – Zwölf Bausteine für die schulische und außerschulische Bildung" soll das Buch Lehrern dabei helfen, Wirtschaftswissen im Unterricht zu vermitteln. Dabei werden auch konträre Sichtweisen aufgezeigt. Nach Ansicht des BDA ist das aber "skandalös und nicht hinnehmbar", weil es sich um "einseitige Propaganda gegen die Wirtschaft" handele.

Besonders echauffierte sich der BDA über die Darstellung der Lobby-Arbeit: Hier werde ein "monströses Gesamtbild von intransparenter und eigennütziger Einflußnahme der Wirtschaft auf Politik und Schule gezeichnet".

Das Bundesinnenministerium von Thomas de Maizière (CDU) sorgte daraufhin im Juni 2015 für ein Vertriebsverbot des 356 Seiten umfassenden Sammelbandes, der unter der wissenschaftlichen Verantwortung der Bielefelder Soziologieprofessorin Bettina Zurstrassen entstanden war. Offiziell hieß es lediglich, das Buch sei nicht mehr lieferbar.

Der wissenschaftliche Beirat der Bundeszentrale für politische Bildung stimmte aber mit großer Mehrheit für eine Aufhebung des Verbots. Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie empörte sich in einer Stellungnahme über den "massiven Eingriff des Ministeriums in die Freiheit der Wissenschaft": Wer Schülern soziologische Erkenntnisse über Wirtschaft vorenthalte, mißachte das Gebot der Wissenschaftsorientierung von Bildung.

Ein Sprecher des Innenministeriums gab daraufhin am 28. Oktober in der Bundespressekonferenz bekannt, daß "das Werk in Kürze wieder erhältlich sein wird". Inzwischen ist es tatsächlich wieder lieferbar und kann bei der Bundeszentrale für politische Bildung für sieben Euro zuzüglich Versandkosten bestellt werden.