August 2017

170811

ENERGIE-CHRONIK


Care-Energy-Geschädigte müssen sich fragwürdiger Forderungen des Insolvenzverwalters erwehren

Der Skandal um den Energieanbieter Care-Energy köchelt weiter vor sich hin. Von den elf Handelsregister-Konstrukten des Firmengeflechts, die bis März dieses Jahres Insolvenz beantragt haben (170309), befinden sich inzwischen die meisten im endgültigen Insolvenzverfahren. Bei der Care-Energy Management GmbH und der Care-Energy AG, die zuletzt als Vertragspartner der Kunden auftraten, erhielt der Insolvenzverwalter außerdem die alleinige Verfügungsbefugnis über das Vermögen. Für die geschädigten Kunden zeichnet sich aber bereits ab, daß sie so gut wie keine Chancen haben, zu ihrem Geld zu kommen. Außerdem löste es viel Unmut und Befremden aus, wie Kunden noch nach Eröffnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung mit höchst fragwürdigen Rechnungen konfrontiert wurden. Anscheinend wurden ungeprüft solche Unterlagen verwendet, mit denen Care-Energy schon vor der Insolvenz die Kunden über den Tisch zu ziehen versuchte. Daß sie nun als Außenstände und angeblich berechtigte Forderungen geltend gemacht wurden, dürfte damit zu tun haben, daß der Insolvenzverwalter die alte Mannschaft vorerst weiter gewähren ließ. Die Nachforderungen waren zum Teil schon aus formalen Gründen unwirksam. Ihre Eintreibung durch Inkasso-Firmen vergrößerte die ungerechtfertigt verlangten Summen nochmals erheblich.

Zahlreiche Verträge sind nicht rechtskräftig übertragen worden

Als Vertragspartner der Kunden fungierte früher die "mk-power Ihr Energiedienstleister GmbH & Co. KG", die sich später in "Care-Energy Energiedienstleistungs GmbH & Co. KG" umbenannte und zum Schluß "Expertos Unternehmens- und Wirtschaftsberatungs GmbH & Co. KG" hieß. Der mittlerweile verstorbene Firmenchef Kristek (170109) ließ dann die bestehenden Kundenverträge aus taktischen Gründen auf zwei neue Firmen übertragen, wobei die "Care Energy AG" als Energielieferant und die "Care-Energy Management GmbH" als sogenannter Energiedienstleister auftrat (letzte wurde übrigens kurz nach Eröffnung des endgültigen Insolvenzverfahrens Ende Juli aufgelöst). Diese Übertragung erfolgte jedoch – soweit bekannt – ohne ausdrückliche Einwilligung der Kunden. Nach Ansicht des "Marktwächters Energie" bei der Verbraucherzentrale Niedersachsen kann deshalb der Insolvenzverwalter keine Ansprüche aus dem alten Vertragsbestand als Außenstände der beiden Pleite-Unternehmen geltend machen – und zwar unabhängig davon, ob die Rechnungen überhaupt korrekt sind.

Bei "Expertos" stehen bereits die Netzbetreiber als Gläubiger auf der Matte

Leider gilt das auch umgekehrt: Kunden der "Expertos" und ihrer beiden Vorgängerinnen haben keine Möglichkeit, eventuelle Guthaben oder Rückforderungen bei der Care-Energy AG einzuklagen. Sie müssen sich vielmehr an die "Expertos" halten. Bei dieser stehen aber schon Gläubiger viel größeren Kalibers auf der Matte: Die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber. Mit dieser Firma hat Kristek nämlich jahrelang die EEG-Umlage umgangen. Die "Expertos" wurde deshalb im November 2015 vom Landgericht Hamburg zur Nachzahlung von 85,5 Millionen Euro zuzüglich Zinsen verurteilt (160309). Das Urteil war zudem vorläufig vollstreckbar. Dennoch bekamen die Netzbetreiber bisher keinen Cent dieser Summe (die in Wirklichkeit noch höher sein müßte, weil das damalige Urteil nicht alle EEG-Schulden erfaßte). Stattdessen schichtete Kristek das operative Geschäft kurzerhand auf die beiden erwähnten Neugründungen um und überließ die "Expertos" mitsamt den Schulden einem ominösen Erwerber aus Tschechien, der offenbar auf "Firmenbestattungen" spezialisiert ist (160902).

Insolvenzantrag gegen "Expertos" führte bisher nicht zur Eröffnung des Verfahrens

Laut den Angaben zum Geschäftsjahr 2013, die von der "Expertos Unternehmens- und Wirtschaftsberatungs GmbH & Co. KG" im April dieses Jahres mit großer Verspätung beim Bundesanzeiger eingereicht wurden, verfügte sie damals über eine Bilanzsumme von 24 Millionen Euro und einen Jahresüberschuß von 20.000 Euro. Inzwischen handelt es sich allerdings um eine Briefkasten-Firma, die Kristek erklärtermaßen nur noch zu juristischen Zwecken aufrechterhalten wollte (160506). Jedenfalls wäre "Expertos" nicht in der Lage, die Nachforderungen der Netzbetreiber auch nur annähernd zu erfüllen. Vermutlich gilt dies sogar für Kunden-Guthaben. Deshalb dürften nicht nur zahllose Kunden von Care-Energy in die Röhre schauen, sondern auch die Stromverbraucher in ihrer Gesamtheit um eine neunstellige Summe geprellt werden.

Vermutlich aus diesem Grund haben die Übertragungsnetzbetreiber lange gezögert, die mehr als magere Kuh endgültig zu schlachten. Schließlich ist es schon arg peinlich, wie sie sich von Kristek zu Lasten der Stromverbraucher an der Nase herumführen ließen (das gilt übrigens auch für die Bundesnetzagentur). In diesem Frühjahr hat die Tennet TSO dann doch Insolvenzantrag gestellt. Wie sie auf Anfrage bestätigte, geschah dies in Abstimmung mit 50Hertz, Amprion und TransnetBW. Eine Insolvenzbekanntmachung ist bisher allerdings nicht erfolgt. Möglicherweise hat dies mit der Konfusion darüber zu tun, wer als tatsächlicher Vertragspartner der meisten Care-Energy-Kunden zu gelten hat, denn der von der Care-Energy AG reklamierte Kundenstamm dürfte seine Verträge größtenteils mit der "Expertos" und deren Vorläufern geschlossen haben. Aber auch eventuelle Zuflüsse aus Außenständen würden an der Leere in der "Expertos"-Kasse grundsätzlich nichts ändern.

In Österreich bestimmte die Regulierungsbehörde die Ersatzlieferanten per Los

Als das windige Geschäft noch florierte, soll Care-Energy bis zu 400.000 Kunden gehabt haben. Anfang dieses Jahres waren es laut Insolvenzverwalter noch rund 14.500 in Deutschland und 12.900 in Österreich. Vermutlich hat sich auch dieser Restbestand inzwischen mehr als halbiert. Allein in Österreich wurden sämtliche Kunden anderen Lieferanten zugewiesen. Die Regulierungsbehörde E-Control bestimmte am 25. August für jeden der 14 Netzbereiche des Landes, in denen der insolvente Lieferant tätig war, mittels eines gesetzlich vorgesehenen Losverfahrens einen Ersatzlieferanten. Zum Beispiel wurde so die Energieallianz Austria bzw. deren Tochter "switch" zum Ersatzlieferanten im Netzbereich Salzburg. Jedem betroffenen Kunden bleibt es natürlich unbenommen, auch Lieferverträge mit einem anderen Versorger zu schließen.

 

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