März 2018

180304

ENERGIE-CHRONIK


 

Am 14. März erhielten die 16 Mitglieder des vierten Kabinetts Merkel vom Bundespräsidenten ihre Ernennungsurkunden. Das Foto zeigt von rechts nach links Bundespräsident Steinmeier, Angela Merkel (CDU, Kanzlerin), Olaf Scholz (SPD, Finanzen/Vizekanzler), Horst Seehofer (CSU, Inneres), Heiko Maas (SPD, Äußeres), Peter Altmaier (CDU, Wirtschaft/Energie), Katarina Barley (SPD, Justiz), Hubertus Heil (SPD, Arbeit/Soziales), Ursula von der Leyen (CDU, Verteidigung), Julia Klöckner (CDU, Landwirtschaft), Franziska Giffey (SPD, Familie), Jens Spahn (CDU, Gesundheit), Andreas Scheuer (CSU, Verkehr), Svenja Schulze (SPD, Umwelt), Anja Karliczek (CDU, Bildung), Gerd Müller (CSU, Entwicklung) und Helge Braun (CDU, Kanzleramt). (Vergrößern)

Foto: Bundesregierung

Große Koalition steht – Altmaier neuer Minister für Wirtschaft und Energie

Die Mitglieder der SPD haben dem Koalitionsvertrag mit den Unionsparteien (180206) zugestimmt und damit die Bildung einer neuen Bundesregierung unter Angela Merkel als Kanzlerin ermöglicht. Wie am 4. März bekanntgegeben wurde, beteiligten sich 78,3 Prozent der 463.722 stimmberechtigten Mitglieder an dem Votum. Von 362.933 gültigen Stimmen folgten dabei 239.604 bzw. 66,02 Prozent der Empfehlung des Parteivorstands.

Gabriel und Hendricks sind nicht mehr im Kabinett

Die SPD veröffentlichte daraufhin auch die Besetzung der sechs Ministerien, die ihr laut der Ressortverteilung im Koalitionsvertrag zustehen und die bis dahin bewußt unklar gelassen worden war, um das Abstimmungsergebnis nicht zu gefährden. Wie allgemein erwartet, wird der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz neuer Finanzminister und Vizekanzler. Von den bisherigen SPD-Ministern sitzt jedoch nur noch Heiko Maas am Kabinettstisch, der nun anstelle der Justiz das Auswärtige Amt übernimmt. Er verdrängt damit Sigmar Gabriel, der als Außenminister wie auch in seiner vorangegangenen Funktion als Wirtschaftsminister insgesamt keine schlechte Figur gemacht hat, aber in den eigenen Reihen nicht über den notwendigen Rückhalt verfügt. Auch die bisherige Umweltministerin Barbara Hendricks gehört nicht mehr zum Kabinett und wird durch die nordrhein-westfälische SPD-Generalsekretärin Svenja Schulze ersetzt.

Altmaier gilt als Merkels Allzweckwaffe

Die CDU hat das nunmehr ihr zustehende Ministerium für Wirtschaft und Energie wie erwartet dem bisherigen Kanzleramtschef Peter Altmaier übertragen, der in der geschäftsführenden Regierung seit Oktober vorigen Jahres zugleich kommissarisch das Bundesfinanzministerium leitete, nachdem Wolfgang Schäuble zum Bundestagspräsidenten gewählt worden war. Altmaier gilt als eine Art Allzweckwaffe der Kanzlerin. In ihrer schwarz-gelben Koalition hatte sie ihn im Mai 2012 bereits zum Umweltminister gemacht, um den Amtsinhaber Norbert Röttgen zu ersetzen, den sie aus parteitaktischen Überlegungen aus dem Kabinett warf, nachdem er nicht "freiwillig" zurücktreten wollte (120501).

Innerparteilich ist die Kanzlerin geschwächt

Mittlerweile müsste die Kanzlerin selber um ihre Position bangen, wenn es ihr nicht gelungen wäre, eine neue Regierungskoalition herbeizuführen. Insofern ist ihre zuverlässigste Stütze nun die SPD. Das zeigte sich deutlich bei ihrer Neuwahl durch den Bundestag am 14. März, als sie mit 364 von 692 abgegebenen Stimmen die erforderliche Mehrheit von 355 Stimmen – bezogen auf die derzeitige Gesamtzahl von 709 Abgeordneten – nur um neun Stimmen übertraf. Insgesamt verfügt die Große Koalition im Bundestag über 399 Mandate. Bei der geheimen Abstimmung anwesend waren 397 Koalitions-Abgeordnete (245 von der CDU/CSU und 152 von der SPD). Der SPD-Abgeordnete Marco Bülow erklärte nach der Wahl, er habe Merkel aus Gewissensgründen nicht gewählt. Somit hätte Merkel noch 396 Stimmen bekommen müssen, wenn ihre alle anderen Abgeordneten der Koalition gefolgt wären. Politische Beobachter sind sich darin einig, dass das Defizit von 32 Stimmen ausschließlich oder größtenteils den Unionsparteien zuzuschreiben war.

Staatssekretär Baake bittet Altmaier um seine Entlassung

Noch vor Altmaiers Amtsantritt erreichte den künftigen Wirtschaftsminister ein Schreiben des Staatssekretärs Rainer Baake, in dem dieser darum bat, nach der Regierungsbildung von seinen Aufgaben entbunden zu werden. Baake war Ende 2013 von dem damals neu ernannten Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel zum beamteten Staatsekretär gemacht worden, obwohl er – ebenso wie der von Barbara Hendricks berufene Staatssekretär Joachim Flasbarth im Umweltministerium – Mitglied der Grünen war und blieb (131201).

Baake galt als der eigentliche Kopf hinter Gabriels Energiepolitik, die freilich nicht immer so umgesetzt wurde, wie es dem Erfinder vorschwebte. Zum Beispiel hat Gabriel gänzlich auf die "Klimaabgabe" verzichtet, mit der Baake die Braunkohlekraftwerke belegen wollte (150301), und stattdessen ausschließlich auf die Abwrack-Prämie gesetzt, die als Entschädigung für eine angeblich notwendige "Sicherheitsreserve" kaschiert wurde, um sie über die Netzentgelte auf die Stromverbraucher abwälzen zu können (151005).

"Glaubwürdigkeit der Energiewende wird großer Schaden zugefügt"

"Der Koalitionsvertrag für die jetzt beginnende Legislaturperiode ist aus meiner Sicht in den Bereichen Energiewende und Klimaschutz eine herbe Enttäuschung", schrieb Baake am 5. März seinem neuen Dienstherrn von der CDU. "Die Regierung verpasst die Chance einer umfassenden Modernisierung unserer Volkswirtschaft. Der Umstieg von fossilen Kraftwerken, fossilen Heizungen und fossilen Verbrennungsmotoren auf Effizienz und erneuerbare Energien wird viel zu zögerlich angegangen. Die Kräfte, die nicht zukunftsfähige, klimaschädliche Strukturen im Kraftwerks-, Gebäude- und Mobilitätssektor möglichst lange konservieren wollen, waren offenbar stärker. Deutschland wird in der Folge seine Effizienz- und Klimaziele deutlich verfehlen. Der internationalen Glaubwürdigkeit der Energiewende wird damit großer Schaden zugefügt."

Mit dem Rücktrittsgesuch kam Baake seiner Abhalfterung zuvor, da Staatssekretäre als politische Beamte ohne Begründung in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können. "Als erstes muss Staatssekretär Rainer Baake ausgewechselt werden", hatte der sächsische Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) in einem Interview mit dem "Handelsblatt" (26.2.) verlangt. Baake habe "die Energiepolitik ideologisch aufgeladen".

Dasselbe Schicksal droht dem SPD-Politiker Matthias Machnig, den Gabriel ebenfalls als beamteten Staatssekretär ins Wirtschaftsministerium holte. Dagegen verlieren die SPD-Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Iris Gleicke und Dirk Wiese, die Gabriel und dessen Nachfolgerin Zypries als "parlamentarische Staatssekretäre" dienten, mit dem Wechsel des Dienstherrn sowieso ihren Status.

 

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