September 2018

180907

ENERGIE-CHRONIK


E.ON soll Stromkunden "gekapert" haben

Die Verbraucherzentralen haben beim Landgericht München Unterlassungklage gegen den E.ON-Konzern erhoben, weil er Stromverbraucher gewissermaßen "gekapert" habe, indem er sie ohne deren Wissen und Einwilligung beim alten Lieferanten abmeldete und auf die eigene Kundenliste setzte. Die E.ON-Kundenwerber hätten bei unaufgeforderten Werbeanrufen Lieferverträge angeboten und während des Gesprächs die Vollmacht zur Kündigung des Altvertrags per SMS eingefordert. "Anschließend wurde offenbar der Vertragswechsel eingeleitet, obwohl die Vollmacht nicht erteilt worden ist – noch nicht mal per SMS", heißt es in einer Mitteilung des "Marktwächters Energie", den die Verbraucherzentralen zur Unterbindung unseriöser Praktiken auf dem Strom- und Gasmarkt eingerichtet haben (170201).

"Trotz der kurzen gesetzlichen Frist für die Abwicklung des Lieferantenwechsels muss sichergestellt werden, dass die Rechte der Verbraucher gewahrt bleiben", unterstrich Svenja Gesemann, die beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) für den Marktwächter Energie zuständig ist. "In diesem Falle etwa dadurch, dass die Neulieferanten genau prüfen, ob ihre Mitarbeiter die Vollmacht in Textform tatsächlich eingeholt haben."

Der schnelle Lieferantenwechsel kann leicht mißbraucht werden

Üblicherweise übernimmt es der neue Lieferant, einen geworbenen Kunden beim bisherigen Versorger abzumelden. Dabei vertraut dieser in aller Regel darauf, dass der verlorene Kunde aufgrund eigener Entscheidung zu dem neuen Lieferanten gewechselt ist, ohne dies nachzuprüfen. Dieses Verfahren dient der Beschleunigung des Lieferantenwechsels. Es birgt aber auch die Möglichkeit des Mißbrauchs, wenn der neue Versorger gar nicht zur Abmeldung ermächtigt worden ist, sondern dies einfach nur behauptet oder eine gefälschte Ermächtigung vorlegt. Dieser Mißbrauch wird ihm sehr leicht gemacht. Solange sich die "gekaperten" Kunden nicht beim alten Versorger oder bei den Verbraucherzentralen beschweren, hat der Abmelder nichts zu befürchten. Notfalls kann er hinterher noch immer ein angebliches Versehen geltend machen.

Für die Ermächtigung zur Abmeldung genügt die "Textform"

Nach den geltenden Bestimmungen muss der abmeldende Lieferant zwar neben den üblichen Angaben zur technisch-kaufmännischen Durchführung des Wechsels auch eine Vollmacht des neu geworbenen Kunden vorlegen können. Die Anforderungen an diese Vollmacht sind jedoch minimal: Sie bedarf nicht der "Schriftform", die nach § 126 BGB die persönliche Unterschrift des Kunden unter eine entsprechende Erklärung voraussetzt. Es genügt vielmehr die sogenannte "Textform". Und diese läßt sich leicht manipulieren oder vortäuschen, denn nach § 126 b BGB handelt es sich dabei nur um "eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt wird" und die außerdem "auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben" wird. Als dauerhaft gilt nach der Definition des Gesetzes "jedes Medium, das es 1. dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und 2. geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben".

Angerufene wurden gegen ihren Willen zu E.ON-Kunden gemacht

Aufgrund dieser überaus vagen Definition werden auch E-Mails, Whatsapp-Nachrichten oder SMS als zulässige Medien erachtet, mit denen ein Kunde die Vollmacht zum Lieferantenwechsel erteilen kann. Diese elektronischen Textformen lassen sich relativ leicht manipulieren. Solange sie nicht ausdrücklich angefordert werden, genügt sogar die Behauptung, dass es sie gibt. Bei der Klage vor dem Landgericht München geht es um das letztere Delikt: Die Verbraucherzentralen wollen Beweise dafür vorlegen, dass E.ON einfach nur behauptet hat, von angeblichen Neukunden per SMS zur Abmeldung beim bisherigen Lieferanten ermächtigt worden zu sein. Sie stützen sich dabei auf die Aussagen etlicher Betroffener, dass sie niemals eine solche Vollmacht verschickt haben und somit gegen ihren Willen zu E.ON-Kunden gemacht wurden.

Bußgelder sind bisher zu gering, um illegale Praktiken wirksam zu unterbinden

Im Mai wurde dem E.ON-Vertrieb "e wie einfach" von der Bundesnetzagentur ein Bußgeld von 140.000 Euro auferlegt, weil er zahllose Verbraucher mit unerlaubten Werbeanrufen belästigen ließ. Die Anrufe besorgten einschlägig spezialisierte Subunternehmen mit ihren Call-Centern. Angeblich vorliegende Einwilligungen in die unerlaubten Anrufe, die bei Online-Gewinnspielen zustande gekommen sein sollen, erwiesen sich als getürkt (180509). Vermutlich sind die angeblichen Bevollmächtigungen per SMS ebenfalls in diesem zwielichtigen Bereich zustande gekommen. Das entbindet E.ON freilich nicht von der Verantwortung für illegale Praktiken der beauftragten Subunternehmer, wie bei dieser Gelegenheit die Bundesnetzagentur feststellte. Der Behörde müßte ihrerseits inzwischen klar geworden sein, dass die von ihr verhängten Bußgelder bisher viel zu gering waren, um den illegalen Praktiken großer Energievertriebe einen Riegel vorzuschieben.

 

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