Oktober 2018

181011

ENERGIE-CHRONIK


Hamburg kauft Fernwärme von Vattenfall zurück

Die Koalitionsparteien des Hamburger Senats haben beschlossen, die 2014 mit Vattenfall vereinbarte Kaufoption auszuüben und das Fernwärmenetz mit Wirkung zum 1. Januar 2019 zurückzukaufen. Dies teilten Bürgermeister Peter Tschentscher und Finanzsenator Andreas Dressel (beide SPD) am 9. Oktober auf der Landespressekonferenz mit. Auch Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) sowie Die Linke, Gewerkschaften und Umweltorganisationen begrüßten die Entscheidung. Heftige Kritik kam dagegen von CDU, FDP und AfD, weil der Kauf zu teuer und unnötig sei.

Volksentscheid von 2013 verpflichtete Senat zur kompletten Rekommunalisierung der Energieversorgung

Um der zunehmenden Forderung nach einer Rekommunalisierung der Energieversorgung nachzukommen – und um zugleich eine echte Rekommunalisierung zu verhindern – hatte der SPD-Senat Ende 2011 beschlossen, jeweils 25,1 Prozent an den lokalen Netzen für Strom, Fernwärme und Gas zu erwerben und dafür insgesamt 544 Millionen Euro auszugeben (111107). Die Forderung nach einer mehrheitlichen Übernahme war damit aber nicht vom Tisch. Bei einem Volksentscheid am 22. September 2013 sprachen sich die Hamburger Bürger mit knapper Mehrheit für die vollständige Rekommunalisierung der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze aus (130901). Inzwischen gehören sowohl das Strom- als auch das Gasnetz der Stadt und werden von kommunalen Netzgesellschaften betrieben (140111, 170707).

Neues Gutachten widerlegte angebliche Überteuerung des Rückkaufs

Für die Übernahme des Fernwärmenetzes hatten der Senat und Vattenfall Anfang 2014 einen Mindestpreis von 950 Millionen Euro vereinbart (140111). Abzüglich der 325 Millionen Euro, die bereits 2012 für die Viertelbeteiligung gezahlt wurden, sind somit noch insgesamt 625 Millionen Euro für den kompletten Erwerb zu zahlen. Über den Rückkauf mußte bis spätestens Ende November dieses Jahres entschieden werden. Während er innerhalb der SPD umstritten blieb, pochte der grüne Koalitionspartner auf die Umsetzung des Volksentscheids. Die Gegner des Rückkaufs argumentierten zuletzt mit einem Gutachten der Beratungsgesellschaft BDO, wonach der Wert der Fernwärmegesellschaft aktuell nur noch mit 645 Millionen Euro zu beziffern sei und die Stadt somit 300 Millionen zuviel bezahlen müsse. Offenbar wurde dabei aber ein Bewertungsstandard mit sehr hohen Renditezielen von sieben bis acht Prozent zugrunde gelegt. Ein neues Gutachten der Beratungsgesellschaft LBD taxierte dagegen das Fernwärmenetz sogar auf 1,1 Milliarden Euro. Die Renditeerwartung wurde dabei auf 5,5 Prozent abgesenkt, was nicht nur nach Ansicht des Senats völlig ausreichend ist.

Vattenfall schützte zuletzt noch europarechtliche Bedenken vor

Der Vattenfall-Konzern wäre gerne Miteigentümer oder sogar Mehrheitsgesellschafter geblieben. Er operierte deshalb ebenfalls mit dem Argument eines angeblich überteuerten Rückkaufs – obwohl er davon selber profitiert hätte – , indem er rechtliche Bedenken vorschützte: Bei Vollzug des Kaufs drohe ein Beihilfeverfahren der EU-Kommission. Er könne deshalb dem vereinbarten Verkauf nur zustimmen, wenn diese zuvor grünes Licht gebe. Das wäre allerdings wohl kaum vor Ende November zu erwarten gewesen. Der Senat begnügte sich deshalb mit einem Rechtsgutachten, um diesen an den Haaren herbeigezogenen Einwand zu widerlegen.

In einer Pressemitteilung vom 9. Oktober gab Vattenfalls Deutschland-Chef Tuomo Hatakka klein bei und versicherte: "Wir machen keinen Hehl daraus, dass wir gern gemeinsam mit der Stadt am Umbau des Fernwärmesystems hin zu umweltverträglicher Wärmeerzeugung und zunehmender Integration erneuerbarer Energien weitergearbeitet hätten . Wir respektieren die Entscheidung und werden alles tun, um einen reibungslosen Übergang des Unternehmens an die Stadt sicherzustellen." Falls es noch rechtliche Hürden für die schnelle Umsetzung geben sollte, werde Vattenfall die Stadt bei deren Ausräumung aktiv unterstützen.

 

Links (intern)