März 2019

190306

ENERGIE-CHRONIK


Russland ist für EU kein "strategischer Partner" mehr

Das Europäische Parlament verabschiedete am 12. März in Straßburg eine Entschließung zum Stand der politischen Beziehungen zwischen der EU und Russland. Darin wird betont, dass Russland unter den derzeitigen Umständen nicht mehr als "strategischer Partner" betrachtet werden kann, wie das bisher aufgrund eines 1994 getroffenen Partnerschafts-und Kooperationsabkommens sowie eines 2005 unterzeichneten Zusatzabkommens über eine engere strategische Zusammenarbeit offiziell noch immer der Fall ist. Die Resolution wurde mit 402 Stimmen gegen 163 bei 89 Enthaltungen angenommen. Die deutschen Sozialdemokraten stimmten dagegen, weil sich die Kritik zu einseitig auf Russland konzentriere und damit bei der Überbrückung der bestehenden Konflikte nicht behilflich sei.

Das Partnerschafts-und Kooperationsabkommen (PKA) trat 1997 mit zehnjähriger Laufzeit in Kraft und gilt bis heute, weil es sich anschließend ohne Kündigung automatisch um jeweils ein Jahr verlängerte. Vor allem unter dem Einfluß von Wirtschaftskreisen wurden die autoritären, demagogischen und korrupten Züge des in Russland neu installierten kapitalistischen Systems zunächst ausgeblendet oder beschönigt. So wollte 2011 ein von Wirtschaftsinteressen geprägtes Kuratorium dem Kremlchef seinen sogenannten "Quadriga-Preis" verleihen, weil er über so hervorragende "leadership"-Qualitäten verfüge (siehe Hintergrund, Juli 2011). Und noch Ende 2012 wurde Russland in einer Resolution des Bundestags, die grundsätzlich die repressive Politik des Kreml kritisierte, weiterhin als "strategischer Partner Deutschlands" bezeichnet (siehe Hintergrund, November, 2012).

Noch 2005 wurde eine Intensivierung der Kooperation vereinbart

Der Einbeziehung der zehn neuen EU-Mitgliedsstaaten (040404) in das PKA stimmte Russland 2004 nur widerstrebend zu, da die osteuropäischen Staaten aus dem ehemaligen Machtbereich der Sowjetunion auch Mitglieder der NATO wurden. Dennoch kam es am 10. Mai 2005 zur Unterzeichnung des zusätzlichen Abkommens über eine engere strategische Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland. Aber noch im selben Jahr startete Kremlchef Putin seine Erpressungspolitik gegenüber der Ukraine, nachdem die "orangene Revolution" dort eine Entwicklung eingeleitet hatte, die ihm nicht genehm war (051204). Auch innenpolitisch wurde sein Regime immer autoritärer, wie beispielhaft der in stalinistischer Manier inszenierte Schauprozess gegen den Ölmagnaten Michail Chodorkowskij zeigte (050914). Mit der gewaltsamen Einverleibung der Halbinsel Krim (140304) und der Inszenierung des bis heute andauernden Bürgerkriegs im Osten der Ukraine (140903) wurde das Verhältnis zur EU und zur übrigen westlichen Welt noch gespannter.

Lediglich punktuelle Zusammenarbeit möglich

Die EU soll nun dieses Partnerschafts-und Kooperationsabkommen überdenken, weil Rußland gegen die in Artikel 2 vereinbarte Achtung der Grundsätze der Demokratie und der Menschenrechte verstößt. Es soll nur noch eine punktuelle Zusammenarbeit stattfinden. Als Gebiete, auf denen dies möglich und nötig ist, nennt die Entschließung globale Herausforderungen wie Klimawandel, Energieversorgungssicherheit, Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Terrorismusbekämpfung.

Nord Stream 2 wird als Bedrohung des EU-Binnenmarkts gesehen

Die Entschließung hält dem Kreml ein langes Sündenregister vor. Es reicht von der Verletzung des Völkerrechts durch den Einmarsch auf der Krim über Verstöße gegen demokratische Grundsätze, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit bis zum Mordanschlag auf den Emigranten Skripal in Großbritannien. Ferner wird dem Kreml unter anderem vorgeworfen, rechtsextreme oder rechtspopulistische Strömungen in der EU zu unterstützen, Desinformationskampagnen und Cyberangriffe in den EU-Mitgliedsstaaten zu betreiben und gezielt solche Staaten zu destabiliseren, die den Beitritt zur EU erwägen. Die Abgeordneten bekräftigen die Ansicht des Parlaments, dass die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 (190201) die Abhängigkeit der Europäischen Union von russischen Erdgaslieferungen erhöht und den EU-Binnenmarkt bedroht. "Die Zeit für schöne Worte und diplomatischen Duktus ist vorbei", erklärte die Berichterstatterin Sandra Kalniete (EVP, LV). "Solange Russland weiterhin Teile der Ukraine besetzt hält und andere europäische Länder angreift, gibt es nur sehr wenig Spielraum für eine Kooperation."