Dezember 2022

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ENERGIE-CHRONIK


 

Die von der EU-Kommission ursprünglich vorgesehene Obergrenze von 275 Euro/MWh hätte selbst auf dem Höhepunkt der Gaspreisexplosion nicht gegriffen, als der Preis Ende August auf über 300 Euro pro Megawattstunde stieg – und zwar deshalb, weil die zusätzliche Bedingung eine zweiwöchigen Dauer nicht erfüllt worden wäre.

EU einigt sich auf dynamischen Gaspreis-Deckel von 180 Euro pro Megawattstunde

Nach überaus zähen Verhandlungen einigten sich die EU-Staaten am 19. Dezember über die Einführung eines Gaspreisdeckelung, die sich an der niederländischen Großhandelsplattform TTF orientiert. Sie soll ab Mitte Februar in Kraft treten und vorerst bis November befristet sein, um dann eventuell verlängert zu werden. Die Einigung scheiterte lange Zeit vor allem am Widerstand der deutschen Regierung, die eine Verknappung des Angebots befürchtet, wenn die Einkaufspreise gedeckelt werden. Dahinter steht die Erfahrung, dass es äußerst schwierig war, nach dem Stopp aller russischen Gaslieferungen die Speicher zu füllen und weitere Vorsorgemaßnahmen zu treffen, damit Haushalte, Gewerbe und industrielle Großverbraucher einigermaßen über den Winter kommen. Gelungen ist dies letztendlich nur durch die Akzeptierung von Preisen, die den TTF-Index in schwindelerregende Höhen trieben. Für die Mehrzahl der EU-Staaten, die über weniger finanzielle Reserven und einen geringeren Gasbedarf als Deutschland verfügen, ist aber gerade dies der Stein des Anstoßes: Sie wollen mit der Deckelung der Einkaufspreise verhindern, dass sich eine derartige Preisexplosion wiederholen kann.

Kommission schlug zunächst eine Preisgrenze vor, die faktisch wirkungslos gewesen wäre

Die EU-Kommission wollte die deutschen Bedenken, die auch von Österreich, den Niederlanden und Dänemark unterstützt wurden, zunächst dadurch berücksichtigen, dass sie am 22. November eine "Sicherheitspreisobergrenze" von 275 Euro für die monatlichen TTF-Month-Ahead-Derivate vorschlug. Das Verbot der Ausführung solcher Derivate sollte automatisch ausgelöst werden, sobald der Abrechnungspreis der Derivate zwei Wochen lang über 275 Euro beträgt und die TTF-Preise an zehn aufeinanderfolgenden Handelstagen um 58 Euro über dem LNG-Referenzpreis liegen. Durch die bewusste Beschränkung auf das Terminprodukt sollte es den Marktbetreibern weiterhin möglich sein, die Nachfrage zu bedienen, indem sie Gas auf dem Spotmarkt und außerbörslich beschaffen. Zugleich übte die Kommission Kritik am TTF-Index, der "kein angemessener Indikator für die Preise in Europa mehr ist" und deutete an, ihn durch ein geeigneteres Referenz-Instrument ersetzen zu wollen.

Dieser Vorschlag zur "Einführung eines Marktmechanismus zum Schutz der Bürger und der Wirtschaft vor übermäßig hohen Preisen" stieß bei der Mehrheit der EU-Staaten aber schon wegen der sehr hoch angesetzten Grenze von 275 Euro auf entschiedene Ablehnung. Diese Grenze hätte selbst auf dem Ende August 2022 erreichten Höhepunkt der Gaspreisexplosion nicht gegriffen, als der TTF-Preis auf über 300 Euro pro Megawattstunde stieg, weil die zusätzliche Bedingung eine zweiwöchigen Dauer nicht erfüllt worden wäre.

Bei Gasmangel in einem EU-Land entfällt der Deckel automatisch

Die nunmehr erfolgte Einigung sieht so aus, dass die Deckelung bereits greift, wenn drei Tage lang die Schwelle von 180 Euro/MWh überschritten wird. Außerdem muss der TTF-Preis stets um 35 Euro über dem Weltmarktpreis für Flüssigggas (LNG) liegen, solange er nicht unter 179 Euro fällt. Er bewegt sich also dynamisch innerhalb eines von zwei Faktoren bestimmten Rahmens. Die deutschen Bedenken wurden insoweit berücksichtigt, als der Deckel automatisch entfällt, sobald es in einem EU-Land zu einem Gasmangel kommen sollte. Der Deckel soll ferner dann aufgehoben werden können, wenn er einen Anstieg des Gasverbrauchs bewirkt, die Einfuhr von Flüssiggas behindert oder den grenzüberschreitenden Handel innerhalb der EU einschränkt.

Dem erzielten Kompromiss stimmte auch Deutschland zu, während Österreich und die Niederlande sich enthielten und Ungarn ihn ablehnte. Die Beilegung des Streits eröffnet der Kommission nun die Möglichkeit, ihre Pläne für einen gemeinsamen Gaseinkauf der Mitgliedsstaaten weiter zu verfolgen, die sie im Oktober angekündigt hatte. Mit dem gemeinsamen Gaseinkauf will sie mehr Marktmacht erzeugen und bessere Preise erzielen.

 

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