November 1991

911103

ENERGIE-CHRONIK


Deutsche Kernkraftwerk-Experten nach Kiew und Moskau

Die Kernkraftwerke sowjetischer Bauart sind generell so unsicher, daß ihr Betrieb nach deutschen Anforderungen und Verfahrensregelungen "grundsätzlich nicht möglich" wäre. Dies erklärte Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU), als er am 6.11. einen diesbezüglichen Bericht dem Umweltausschuß vorlegte. Allerdings sei es "absolut nicht durchsetzbar, in kurzer Zeit alle 58 Ost-Reaktoren zuzumachen". Töpfer schlug deshalb ein zweigleisiges Konzept vor, das sowohl die Leistungsfähigkeit der konventionellen osteuropäischen Kraftwerke zu steigern wie auch die Sicherheit der dortigen Kernkraftwerke zu verbessern versucht. Die deutsche Hilfe soll dabei möglichst im internationalen Zusammenwirken gewährt werden, wie bereits im Fall des bulgarischen Kernkraftwerks Kosloduj geschehen. Neu vereinbart wurde die Einrichtung von Außenstellen der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) in Kiew und Moskau. Die Kosten von 2,8 Mio. DM übernimmt die Bundesrepublik. Außerdem hat Töpfer angeboten, die in Greifswald bestehende Simulationsanlage für die Schulung von Technikern aus den Ländern mit Sowjetreaktoren zu nutzen (dpa, 6.11.; siehe auch 910701 u. 911011).

Nach Angaben der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) weisen 10 von 42 Druckwasserreaktoren in Osteuropa "größte Sicherheitsdefizite" auf. Wenn diese in Betrieb bleiben sollten, müßten sie erheblich nachgerüstet werden, sagte GRS-Geschäftsführer Adolf Birkhofer am 27.11. in München. Von den 10 Reaktoren stehen 4 in Rußland, 2 in der Tschechoslowakei und 4 im bulgarischen Kosloduj (dpa, 27.11.).

"Stoff zum Gruseln" bietet nach Meinung des Spiegel (48/91) der von Töpfer vorgelegte Bericht zur Sicherheit der osteuropäischen Kernkraftwerke. Die vorgeschlagenen Hilfsmaßnahmen könne die Bundesrepublik nicht allein finanzieren. Die übrigen westeuropäischen Staaten, Japan und die USA zögerten aber mit Geldzusagen:"Die anderen vertrauen auf die Atomangst der Deutschen, lassen sich Zeit und hoffen, daß Wählerfurcht Bonn schon zu Vorleistungen zwingen wird."

Aufruf zu Anschlägen auf russische KKW

Der Zerfall der Sowjetunion birgt zusätzliche Risiken für die dortigen Kernkraftwerke. So hat der Präsident der abtrünnigen Tschetscheno-Inguschischen Autonomen Republik im Kaukasus zu Anschlägen auf russische KKW aufgerufen, nachdem der russische Präsident Boris Jelzin am 8.11. den Ausnahmezustand über das Gebiet verhängt hatte (WamS, 10.11.).

Die Republik Armenien will wegen ihrer derzeitigen Energienot das Kernkraftwerk im Ararat-Tal wieder in Betrieb nehmen, das in einem von Erdbeben gefährdeten Gebiet liegt und deshalb 1989 stillgelegt wurde (VWD, 13.11.)..