Mai 1992

920508

ENERGIE-CHRONIK


Auseinandersetzung um mehrfaches Stimmrecht der Kommunen bei RWE

RWE-Chef Friedhelm Gieske möchte das Mehrfachstimmrecht der 64 kommunalen Aktionäre seines Unternehmens beseitigen, die in der Hauptversammlung 60,1 Prozent der Stimmen besitzen, obwohl ihr Anteil am gezeichneten Kapital nur 29,8 Prozent und am stimmberechtigten Kapital 43,3 Prozent beträgt. Die Kommunen sind jedoch nicht bereit, auf ihr historisches Privileg zu verzichten: Das 20fache Mehrfachstimmrecht für ihre Namensaktien bekamen sie zu Beginn der zwanziger Jahre, als die Umstellung auf Goldmark erfolgte und das RWE sein Kapital beträchtlich aufstockte; sie behielten so die Stimmenmehrheit, obwohl sie bei der Kapitalaufstockung nicht mithalten konnten. Beide Seiten untermauern ihren jeweiligen Standpunkt mit entsprechenden Rechtsgutachten (Handelsblatt, 7.5.; FR, 21. u. 23. 5.).

Die Zeit (8.5.) sieht bei realistischer Betrachtung nur die Möglichkeit, daß der "Koloß in Fesseln" den Gemeinden ihren Verzicht auf das Mehrfachstimmrecht finanziell schmackhaft macht: "Noch wehren sich die Gemeinden mit Händen und Füßen gegen die Aufgabe ihres Privilegs. Aber schon ihre Finanznot könnte sie bald für attraktive Angebote empfänglich machen."

Nach Feststellung des Handelsblatts (7.5.) geht es Aufsichtsrat und Vorstand der RWE AG allein um die Beseitigung des Mehrfachstimmrechts. Im übrigen seien ihnen die Kommunen weiterhin als Aktionäre willkommen: "Sie stellen in Zeiten, da selbst bei der Veba beutelüsterne Aktionärsgruppen schlankweg eine Aufsplitterung des Konzerns zu Nutz und Frommen der Aktionäre fordern, hochwillkommene Bundesgenossen gegen potentielle Übernahmeversuche dar."