August 1994

940815

ENERGIE-CHRONIK


Bayern will Risiken durch "Elektrosmog" untersuchen

Das bayerische Umweltministerium will in ausgewählten Orten prüfen lassen, welche Kurz- oder Langzeitfolgen das Wohnen in der Nähe von Hochspannungsleitungen haben kann. Ziel der Untersuchungen soll es sein, die tatsächlichen Belastungen zu erkennen, um die Bauplanungen der Gemeinden gegebenenfalls zu verändern. Eine weitere Studie soll unter den Anwohnern des neuen Münchener Flughafens durchgeführt werden und klären, ob die Strahlung der dort befindlichen Radaranlagen gesundheitliche Beeinträchtigungen verursacht. Staatssekretärin Christl Schweder (CSU) stellte am 24.8. in Nürnberg ein Gutachten vor, das vom TÜV Bayern/Sachsen und der Deutschen Aerospace (Dasa) erarbeitet wurde und das beide Studien "dringend notwendig" mache (FR, 25.8.; siehe auch 930614 u. 930912).

Stuttgarter Gesundheitsministerium hält IRPA-Werte noch für zu hoch

Die baden-württembergische Ministerin für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung, Helga Solinger (SPD), gab am 25.8. das Ergebnis von Magnetfeld-Messungen bekannt, die das Hannoveraner Institut für sozial-ökologische Forschung durchgeführt hat. Dabei seien in fünf Wohnungen nahe einer 110 kV-Leitung Feldstärken zwischen 0,624 und 1,833 Mikrotesla ermittelt worden gegenüber Werten von 0,015 bis 0,153 Mikrotesla in "nichtexponierten" Wohnungen. Dies zeige, "daß Personen, die in der Nähe von Hochspannungsleitungen leben oder arbeiten, einer höheren elektromagnetischen Strahlung ausgesetzt sind als die übrige Bevölkerung". Die Ministerin räumte ein, daß die gemessenen Magnetfeldstärken selbst den relativ niedrigen Grenzwert von 100 Mikrotesla, den die Internationale Strahlenschutzkommission (IRPA) für den Daueraufenthalt von Personen festgesetzt hat, noch ganz erheblich unterschreiten. Die IRPA-Werte würden aber "nach Auffassung von Fachleuten des Gesundheitsressorts unter dem Aspekt der Gesundheitsvorsorge als nicht ausreichend angesehen". Sie habe sich deshalb in einem Schreiben an den Bundesumweltminister dafür eingesetzt, in der geplanten bundeseinheitlichen Rechtsverordnung nach § 23 Abs. 1 BlmSchG Planungsrichtwerte aufzunehmen, die deutlich unter der IRPA-Empfehlung liegen (Stuttgarter Zeitung, 26.8.).

Panikmache in der Boulevardpresse

Typisch für die teilweise sehr unqualifizierte Behandlung des Themas in den Medien ist ein Artikel über "Krankheiten, die aus der Steckdose kommen" , den die Neue Revue (12.8.) veröffentlichte: "Vor 100 Jahren waren die Menschen nur der natürlichen Strahlung ausgesetzt. Heute ist die künstliche Strahlung 100 000 mal so stark wie die natürliche. .... Undichte Mikrowellenherde, Steckdosen am Bett und der Haarfön verseuchen die Umwelt mit elektromagnetischer Strahlung."

Musterprozeß in England

In England bahnt sich ein Musterprozeß durch alle Instanzen um die angeblich kanzerogenen Auswirkungen von Hochspannungsleitungen an. Ausgangspunkt ist der Umstand, daß in dem Ortsteil Mardy im walisischen Abergavenny in kurzem Abstand vier Bewohner, die unter oder unmittelbar neben Hochspannungsleitungen wohnten, an Gehirntumoren erkrankten. Zwei davon sind gestorben. Die beiden bisher Überlebenden machen die für Südwales zuständige Elektrizitätsversorgungsgesellschaft für ihre Erkrankung verantwortlich (Blick durch die Wirtschaft, 8.8.).