Januar 1997

970112

ENERGIE-CHRONIK


RWE hat grundsätzlich Anspruch auf Schadenersatz für Mülheim-Kärlich

Im Schadenersatzprozeß um das Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich hat der Bundesgerichtshof am 16.1. grundsätzlich die Haftung des Landes Rheinland-Pfalz anerkannt, zugleich aber einen Teil der Forderungen des RWE-Konzerns endgültig abgelehnt. Für prinzipiell entschädigungsfähig halten die Richter nur den Errichtungs- und Planungsaufwand sowie die Kosten des Stillstandsbetriebs und der erstmaligen Brennstoffbeschaffung. Nicht anerkannt wurden die Kosten für Ersatzstrombeschaffung und entgangenen Gewinn sowie für Entsorgung und späteren Abriß des Kernkraftwerks. Das Oberverwaltungsgericht Koblenz wird nun nach Maßgabe dieses höchstinstanzlichen Urteils erneut über den Umfang der Schadenersatzansprüche befinden müssen (siehe auch 950403).

"Fehlerhaftigkeit der ersten Teilgenehmigung war auch für RWE erkennbar"

Der Bundesgerichtshof versah die zugestandenen Schadenersatzansprüche mit der Einschränkung, daß die Fehlerhaftigkeit der ersten Teilgenehmigung für die Errichtung des Kernkraftwerks vom 9.1.1975 für alle Beteiligten erkennbar gewesen sei. RWE habe deshalb auf eigenes Risiko investiert. Erst mit der förmlichen zweiten Teilgenehmigung vom 6.7.1977 könne eine neue Lage entstanden sein, weil sie aus damaliger Sicht die Fehler der ersten Teilgenehmigung geheilt habe. Deshalb könne der RWE-Konzern frühestens ab diesem Zeitpunkt sein Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der amtlichen Genehmigung geltend machen und Schadenersatz für die getätigten Investitionen verlangen. Das Berufungsgericht werde dabei aber auch "die Frage des Mitverschuldens gegebenenfalls neu zu würdigen" haben (SZ, 17.1.; FAZ, 17.1.).

Der Mainzer Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sagte, seine Landesregierung könne mit dem Urteil leben. Es verpflichte das Land bisher in keinem Punkt zu Schadenersatz. Die politische Verantwortung für die rechtswidrige Teilgenehmigung von 1975 trage ohnehin die damalige Landesregierung unter Helmut Kohl (CDU). Falls RWE weiter auf Schadenersatz bestehe, gehe er davon aus, daß der Konzern in der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Koblenz seine gesamte Stromkostenkalkulation werde offenlegen müssen (taz,18.1.).

Die RWE Energie vermerkte mit Genugtuung, daß ihr der Bundesgerichtshof wesentliche Teile des beanspruchten Schadenersatzes zuerkannt und geklärt habe, "daß auch Großinvestitionen durch das Amtshaftungsrecht geschützt sind". Die endgültige wirtschaftliche Bewertung des Urteils bedürfe noch einer eingehenden Analyse der Urteilsbegründung (Handelsblatt, 17.1.).