Oktober 1997

971002

ENERGIE-CHRONIK


Siemens will sein Kernergiegeschäft mit British Nuclear Fuels zusammenlegen

Der Siemens-Konzern will sein gesamtes Kernenergiegeschäft mit der British Nuclear Fuels (BNFL) zusammenlegen. Wie beide Unternehmen am 15.10. mitteilten, würde das angestrebte neue Unternehmen "dem Weltmarkt ein breites Tätigkeitsspektrum von der Uran-Beschaffung über die Brennelementversorgung für eine große Bandbreite von Reaktortypen und einen umfassenden Nuklearservice bis zum Bau von neuen Kernkraftwerken und Forschungsreaktoren anbieten". Der für den Bereich Energieerzeugung (KWU) zuständige Siemens-Vorstand Adolf Hüttl begründete die geplante Zusammenlegung mit der weltweiten Deregulierung der Strommärkte. Dadurch erhöhe sich der Druck auf die Betreiber von Kernkraftwerken, ihre Kosten zu reduzieren und die Verfügbarkeit der Anlagen zu erhöhen. Die bestehende Kooperation zwischen Siemens und Framatome einschließlich der Entwicklung des Europäischen Druckwasser-Reaktors (EPR) würde im Rahmen des neuen Unternehmens fortgeführt. Die MOX-Brennelemente-Fertigung in Sellafield und die BNLF-Beteiligung an der Urenco Ltd. (Anreicherungsgeschäft) seien nicht Gegenstand der Verhandlungen. Wer bei dem neuen Gemeinschaftsunternehmen das Sagen haben werde, sei bisher noch offen (Handelsblatt, 16.10.; FAZ, 16.10.).

Das Kernenergiegeschäft macht bei Siemens nur noch knapp ein Viertel der KWU-Umsätze von rund 9 Milliarden Mark aus. Zu Anfang des Jahres war bekanntgeworden, daß Siemens mit dem US-Konzern Westinghouse auch über eine Kooperation im Bereich der konventionellen Kraftwerke verhandelt (siehe 970108).

Framatome-Präsident empfindet "keine Freude"

Obwohl sich nach Hüttls Worten das geplante Bündnis mit BNFL nicht gegen Framatome richten soll, belastet es offenbar zusätzlich die bestehende Kooperation zwischen Siemens und Framatome auf dem Gebiet von Druckwasserreaktoren einschließlich der Entwicklung des neuen Europäischen Druckwasserreaktors (siehe 970101, 970102u. 970811). Die zu diesem Zweck gegründete Nuclear Power International (NPI) leidet bereits darunter, daß der neue Framatome-Mehrheitsaktionär Alcatel-Alsthom im konventionellen Ausrüstungsbereich mit Siemens konkurriert (siehe 970103). "Es ist klar, daß uns diese Allianz keine Freude bereitet", sagte Framatome-Präsident Dominique Vignon in einem Interview mit der französischen Zeitung Le Monde. Sein Unternehmen stehe einer weiteren Zusammenarbeit mit dem geplanten Gemeinschaftsunternehmen von Siemens und BNFL nicht ablehnend gegenüber. Wenn das neue Unternehmen aber auf den französischen Markt dränge, trete es in direkte Konkurrenz zu Framatome und dem staatlichen Kernenergiekonzern Cogema (Welt, 21.10.; SZ, 22.10.).

Für das Handelsblatt (16.10.) fügt sich das geplante Bündnis mit BNLF ein in eine "konsequente Fortentwicklung der Risikominierung", wie sie Siemens bereits durch die Kooperation mit Framatome und die Gespräche mit Westinghouse betrieben habe. Der Konzern reagiere damit auf die hierzulande düsteren Aussichten für die Kernenergie, die europaweiten Kapazitätsüberhänge der Elektrizitätswirtschaft und einen nur noch schwach zunehmenden Stromverbrauch.