November 1999

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ENERGIE-CHRONIK


Stromsteuer verteuert die Kilowattstunde bis 2003 um insgesamt 4,64 Pfennig

Der Bundestag verabschiedete am 11.11. das "Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform" ( 990820). Am 26.11. stimmte auch der Bundesrat zu. Das Gesetz kann damit, wie vorgesehen, zu Beginn des neuen Jahres in Kraft treten. Es erhöht die Steuer auf Kraftstoffe bis 2003 jedes Jahr um weitere sechs Pfennig, sodass sich binnen vier Jahren eine Erhöhung um 24 Pfennig ergibt. Die Stromsteuer, die derzeit 2 Pfennig pro Kilowattstunde beträgt, steigt ab 1. Januar jährlich um 0,5 Pfennig, sodass sie sich bis 2003 auf vier Pfennig pro Kilowattstunde verdoppelt haben wird. Die ermäßigten Steuersätze (z.B. für Nachtspeicherheizungen) erhöhen sich proportional. Unter Berücksichtigung sämtlicher fünf Stufen der Ökosteuer sowie der anfallenden Mehrwertsteuer (16 Prozent) verteuert sich Strom bis zum Jahr 2003 um 4,64 Pf/kWh und Benzin um 35 Pfennig je Liter.

Vergünstigungen für Kraft-Wärme-Kopplung, Eigenerzeuger und hocheffiziente Gaskraftwerke

Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde nachträglich noch ergänzt durch Vergünstigungen für Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), Eigenerzeuger und hocheffiziente Gas-Kraftwerke: Die Betreiber von KWK-Anlagen können künftig für jeden einzelnen Monat, in dem sie eine Brennstoffausnutzung von 70 Prozent erreichen, die Steuerbefreiung geltend machen (bisher mussten sie diese Brennstoffausnutzung im Jahresmittel erreichen). Als von § 2 und § 5 des Gesetzes nicht erfasste und deshalb von der Steuer befreite Eigenerzeuger gelten künftig auch die Betreiber größerer Anlagen mit einer Nennleistung von bis zu zwei Megawatt (bisher 0,7 MW). Für Gas- und Dampfkraftwerke (GuD) mit einem elektrischen Wirkungsgrad ab 57,5 Prozent wird eine auf zehn Jahre befristete Steuerbefreiung eingeführt, sofern sie bis zum 31. März 2003 in Betrieb gehen.

Wie der SPD-Abgeordnete Reinhard Schultz im Bundestag zur Begründung des Gesetzentwurfes ausführte, soll die Neuregelung der Kraft-Wärme-Kopplung den Betreibern von kleineren kommunalen Anlagen entgegenkommen, deren Geschäft im Wärmemarkt von der kalten Jahreszeit abhängt. Sie können nun jeden Monat einzeln abrechnen. Von der Ausweitung der Steuerbefreiung für Eigenerzeuger auf Leistungen bis 2 MW erhoffe man sich eine "Investitionswelle" zugunsten der dezentralen Energieversorgung mittels Blockheizkraftwerken. Dagegen sei die Steuerbefreiung für GuD-Kraftwerke bewusst an sehr hohe Wirkungsgrade und ein enges Zeitfenster gebunden worden, um Mitnahme- und Masseneffekte zu vermeiden. Sie solle lediglich als Anreiz dienen, in den nächsten Jahren ein bis zwei solcher "High-Tech-Kraftwerke" zu errichten.

Heftiger Streit um Kriterien für Steuerbefreiung von Gaskraftwerken

Die Steuerbefreiung für Gaskraftwerke war heftig umstritten. Zunächst wollte sie das Bundeskabinett unbefristet und bereits ab einem Wirkungsgrad von 55 Prozent gewähren. Die SPD-Bundestagsfraktion verlangte dagegen mit Rücksicht auf die Braunkohle 58 Prozent, während die Grünen auf zumindest 57 Prozent bestanden. Am Ende einigte man sich auf den Wirkungsgrad von 57,5 Prozent, der zwar technisch erreichbar ist, aber noch bei keinem Gaskraftwerk in Deutschland verwirklicht wurde. Der RWE-Konzern sah allerdings auch unter diesen Umständen die Wettbewerbsfähigkeit der Braunkohle gefährdet und kündigte an, Garzweiler II und andere Braunkohlenprojekte zu überprüfen. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) drohte aus demselben Grund, im Bundesrat gegen die Ökosteuer zu stimmen (was das Gesetz zumindest hätte verzögern können, obwohl es nicht der Zustimmung des Bundesrats bedarf). Der Energieerzeuger Vasa Energy drohte seinerseits damit, das geplante Gaskraftwerk in Lubmin bei Greifswald (980821) nicht zu bauen, falls es zu weiteren Abstrichen an der geplanten Regelung komme. Schließlich bot Clement dem Bundeskanzler und der SPD-Bundestagsfraktion als Kompromiss an, die Steuerbefreiung schon Ende März 2002 auslaufen zu lassen bzw. die dann ohnehin erforderliche Neugenehmigung durch die EU nicht mehr zu beantragen. Die Grünen setzten dann eine Verlängerung dieser Frist um ein Jahr durch (FAZ, 4.11., 12.11. u. 24.11.).