Mai 2001 |
010502 |
ENERGIE-CHRONIK |
Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) forderte am 31. Mai die deutsche Stromwirtschaft nachdrücklich auf, die Schikanen beim Versorgerwechsel von Privatkunden endlich wirksam abzustellen. Andernfalls lasse sich eine staatliche Regulierung des Netzgangs nicht verhindern, warnte er die anwesenden Vertreter der Branche auf dem Kongreß des Verbands der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) in Hamburg. Die bisher berechneten Netznutzungsentgelte seien zu hoch. Um eine diskriminierungsfreie und kundenfreundliche Netznutzung zu erreichen, müßten an der geplanten Weiterentwicklung der zweiten Verbändevereinbarung zur Netznutzung auch die Verbraucherverbände beteiligt werden.
Müller listete zunächst eine ganze Reihe konkreter Fälle auf, in denen Stadtwerke und andere Stromversorger den Wechsel zu neuen Stromlieferanten in schikanöser Weise be- und verhindert hätten (Text der Rede als HTML-Datei). Manche örtlichen Versorger würden von Konkurrenten allein für die Netznutzung mehr verlangen als sie ihren eigenen Endkunden für die Netznutzung inklusive Strombeschaffung und sonstiger Leistungen in Rechnung stellen. Es handele sich dabei auch offensichtlich nicht um Einzelfälle. Das Bild der Branche werde geprägt von "reihenweisen Beschwerden, unzufriedenen Kunden und Wettbewerbern, die man am langen Arm verhungern läßt".
Nicht nur die Bundesregierung werde dadurch zu politischem Handeln herausgefordert, warnte Müller. Auch die EU-Kommission verfolge diese mißbräuchlichen Praktiken sehr aufmerksam. Sie sehe sich dadurch in der Auffassung bestätigt, daß der Netzzugang in allen Mitgliedsstaaten staatlich reguliert werden müsse. Müller verwies dazu auf die Vorschläge, welche die Kommission im März zur Änderung der Richtlinien für Strom und Gas sowie zur Tarifierung grenzüberschreitender Stromlieferungen vorgestellt hat (010301 u.010505). Im Falle ihrer Verwirklichung würden diese Vorschläge auf einen "Systemwechsel" für den deutschen Strommarkt hinauslaufen. Außerdem würden sie, solange die Märkte noch nicht gleichmäßig geöffnet sind, die Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten deutscher Unternehmen zementieren und noch verstärken. Die Bundesregierung stehe deshalb diesen Brüsseler Plänen äußerst kritisch gegenüber, unterstrich Müller. Nach wie vor kämpfe die Bundesregierung für die Erhaltung der deutschen Lösung des verhandelten Netzzugangs und für eine Regelung der grenzüberschreitenden Energietransporte, die Anreize für eine verbrauchsnahe Stromerzeugung setzt. "Für chancengleichen Wettbewerb ein Europa kämpft es sich allerdings wesentlich leichter, wenn man chancengleichen Wettbewerb zu Hause vorweisen kann", gab er zum Schluß seiner Rede zu bedenken.
Nach den Worten von VDEW-Präsident Günter Marquis stimmt die Stromwirtschaft mit Müller darin überein, daß das System des verhandelten Netzzugangs in Deutschland beibehalten werden soll. Dieses System habe sich im Prinzip bewährt, auch wenn es in Einzelfällen noch Probleme gebe. Der VDEW nehme diese Probleme ernst, obwohl sie keineswegs typisch für den gesamten Markt seien. Zur Verbesserung der Marktregeln führe er intensive Gespräche mit den anderen Vertragspartnern. Das Ergebnis werde die "Verbändevereinbarung II plus" sein.
Zusätzlich werde der VDEW den Partnern der Verbändevereinbarung die Einrichtung einer "Clearingstelle" vorschlagen, um die Marktregeln überall praxisorientiert, schnell und unbürokratisch anwenden zu können.