Mai 2001 |
010511 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der französische Staatskonzern Electricité de France (EDF) erwarb im Mai zwanzig Prozent der Anteile am italienischen Mischkonzern Montedison, der mit einem Marktanteil von 18 Prozent der zweitgrößte italienische Stromversorger nach Enel ist. Die italienische Regierung beschloß darauf in einer Dringlichkeitssitzung am 24. Mai, die Stimmrechte von EDF bei Montedison auf zwei Prozent zu begrenzen. Die Begrenzung soll wirksam werden, sobald EDF es nicht - wie zunächst angekündigt - bei einer reinen Finanzbeteiligung beläßt, sondern auf dem italienischen Markt tätig wird. Die Regierung will auf diese Weise verhindern, daß EDF auf dem italienischen Strommarkt "eine dominante Position" erringt.
Die EU-Kommission verfolgt den Vorgang in zweierlei Hinsicht sehr kritisch: Zunächst mal zeigte sich Energiekommissarin Loyola de Palacio besorgt darüber, daß der Staatsmonopolist EDF seine weitgehend geschützte Stellung am Heimatmarkt ausnutze, um in angrenzenden Strommärkten Fuß zu fassen. Inzwischen muß die Kommission aber auch prüfen, wieweit die Abwehrmaßnahmen der römischen Regierung gegen EU-Vorschriften verstoßen, welche die Diskriminierung ausländischer Investoren verbieten.
Aufmerksamkeit erregte in diesem Zusammenhang der Erwerb eines Montedison-Anteils von 3,14 Prozent durch die Deutsche Bank. Da diese bereits Partner der EDF beim Schweizer Stromversorger Atel ist, wurde dies als Stärkung des französischen Energiekonzerns gewertet (VWD, 28.5.).
Laut "Handelsblatt" (23.5.) tobt um Montedison seit einiger Zeit eine Übernahmeschlacht: Auf der einen Seite wolle eine Gruppe um die Mailänder Mediobank ihren dominierenden Einfluß bei Montedison zementieren. Auf der anderen Seite habe der französisch-polnische Unternehmer Roman Zaleski eine Gruppe von Investoren inklusive EDF um sich geschart, um den Mischkonzern unter Kontrolle zu bekommen. Die zweite Gruppe wolle Montedison zerschlagen, um sich auf die lukrative Stromsparte zu konzentrieren.
Der italienische Minister für Industrie und Außenhandel, Enrico Letta, verwies gegenüber der Zeitung "Le Monde" (23.5.) auf den unterschiedlichen Stand der Liberalisierung in Italien und Frankreich. Die EDF verfüge als staatlich protegiertes Monopolunternehmen über eine weit bessere Startposition als Unternehmen im liberalisierten Markt. Diese "Asymmetrie" könne nicht hingenommen werden. Letta warf der EDF außerdem vor, sie habe das Ausmaß ihrer Beteiligung an Montedison zunächst zu verschleiern versucht. In Wirklichkeit handele es sich mit zwanzig Prozent um eine "wahre Machtergreifung".