Juni 2001 |
010602 |
ENERGIE-CHRONIK |
Bundesregierung und Stromwirtschaft unterzeichneten am 11. Juni endgültig die "Vereinbarung zur geordneten Beendigung der Kernenergie" (000601). Das Verständigungspapier (Text als PDF-Datei) war vor einem Jahr in einer Arbeitsgruppe ausgehandelt und von Vertretern beider Seiten paraphiert worden. Die förmliche Unterzeichnung sollte nach der Wiederaufnahme der Nukleartransporte und nach der rechtlichen Umsetzung und erfolgen. Nachdem die Wiederaufnahme der Transporte im Frühjahr erfolgt ist, konnten nun auch die strittigen Fragen der rechtlichen Umsetzung geklärt werden. Das Bundesumweltministerium wird in Kürze einen entsprechenden Entwurf zur Änderung des Atomgesetzes vorlegen, der mit der Stromwirtschaft abgestimmt ist. Für die Bundesregierung unterzeichneten Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) und Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) die Vereinbarung, für die Kernkraftwerksbetreiber die Vorstandsvorsitzenden Ulrich Hartmann (E.ON), Dietmar Kuhnt (RWE), Gerhard Goll (EnBW) und Manfred Timm (HEW). "Grundlage für die Unterzeichnung ist, daß die Atomgesetz-Novelle gemäß dem Inhalt der Vereinbarung verabschiedet wird", betonten EnBW, E.ON, HEW und RWE in einer gemeinsamen Pressemitteilung.
Nach Presseberichten scheint der wichtigste Konfliktpunkt die "Deckungsvorsorge" für Schäden durch einen KKW-Unfall gewesen zu sein. Die KKW-Betreiber hatten ein "Solidarmodell" vorgeschlagen, bei dem die vorgesehene Erhöhung der Haftungssumme von 500 Millionen Mark auf fünf Milliarden Mark von allen Betreibern gemeinsam getragen werden soll. Ferner nahmen sie Anstoß an der geplanten gesetzlichen Begründung für den Ausstieg aus der Kernenergie: Anstelle von "nicht verantwortbaren Risiken für Leben und Gesundheit" ist nun von einer "Neubewertung" der Risiken die Rede, die Kernkraftwerke "nur noch für einen begrenzten Zeitraum hinnehmbar" mache (Spiegel, 2.6.; SZ, 5.6.; Berliner Morgenpost, 6.6.).
Die CDU/CSU kündigte an, sie werde im Falle
eines Wahlsiegs die Vereinbarung rückgängig machen. Sie sei "nicht
im Konsens gemacht, sondern ein Kompromiß, zu dem die Energieversorgungsunternehmen
gepreßt wurden", hieß es in einer Pressemitteilung der Unionsfraktion
vom 11. Juni. Der stellvertetende Fraktionsvorsitzende Klaus Lippold monierte
ferner, daß die Vereinbarung als Gesetzentwurf eingebracht werde,
der im Bundestag nicht mehr verhandelbar sei. Damit werde "das Parlament
in seinem Grundrecht ausgeschaltet".
Einen Tag nach der Unterzeichnung der Kernenergie-Vereinbarung beantragte die RWE Power AG beim zuständigen rheinland-pfälzischen Umweltministerium den "Rückbau" bzw. Abriß des Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich. Die endgültige Stillegung dieser Anlage mit 1220 MW, die nur von 1987 bis 1990 Strom erzeugen konnte (980101), war im Kernenergie-Kompromiß mit der Bundesregierung vereinbart worden.