Mai 2003 |
030507 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der britische Energiekonzern Intergen will im rheinischen Braunkohlerevier ein Gud-Kraftwerk mit einer Leistung von 800 MW errichten, stößt damit aber auf den Widerstand von Landes- und Bundespolitikern, die in der Verstromung von Erdgas eine unerwünschte Konkurrenz für die Braunkohlekraftwerke sehen. Auf Regierungsebene vertreten das Bundeswirtschafts- und das Bundesumweltministerium in dieser Frage gegensätzliche Positionen. Am 9. Mai verhandelte Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier mit den Staatssekretären der beteiligten Ministerien, doch blieb dieser Schlichtungsversuch erfolglos. Unterdessen droht das Projekt am Zeitdruck zu scheitern, da es bis spätestens März 2006 am Netz sein müßte, um in den Genuß der angestrebten fünfjährigen Steuerbefreiung zu kommen. (FTD, 9.5.)
Im Düsseldorfer Landtag fand auf Antrag der CDU am 14. Mai eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema statt, bei der sich CDU, FDP und Grüne erneut für den Bau des Kraftwerks aussprachen. Landesregierung und SPD verteidigten dagegen ihre Haltung in der strittigen Frage der Wirkungsgradbestimmung, von der die Steuerbefreiung für das Kraftwerk abhängt. (DPA, 14.5.)
Das bereits genehmigte Kraftwerk in Hürth-Knapsack lohnt sich für den Investor nur, wenn es einen Wirkungsgrad von mindestens 57,5 Prozent erreicht und deshalb aufgrund des im November 1999 beschlossenen "Gesetzes zur Fortführung der ökologischen Steuerreform" ( 991104) von der Mineralölsteuer für die Verstromung von Erdgas befreit ist. Dieses Kriterium kann beim gegenwärtigen Stand der Technik nur unter günstigen Standortbestimmungen erfüllt werden, da der Wirkungsgrad von Wärmekraftwerken grundsätzlich vom Temperaturgefälle abhängt. Am Standort Hürth-Knapsack würde deshalb die gleiche Anlage, die beispielsweise am Meer mit Frischwasser gekühlt werden kann und dort 57,5 Prozent Wirkungsgrad erreicht, wegen der ungünstigeren Kühlwasserverhältnisse knapp unter dieser Grenze bleiben. Die Gegner des Projekts nutzen diesen physikalischen Sachverhalt, um die Steuerbefreiung zu verweigern. Die Befürworter machen dagegen geltend, daß es auf die optimierte Technik ankomme und daß deshalb ein GuD-Kraftwerk, das an einem günstigen Standort wie Lubmin an der Ostsee (030101) die Kriterien für die Steuerbefreiung erfüllt, auch als Referenzanlage für einen anderen Standort dienen kann.
Die Steuerbefreiung für hocheffiziente GuD-Kraftwerke sollte ursprünglich für zehn Jahre gelten, wurde dann aber auf fünf Jahre verkürzt (001119). Intergen wollte in das Projekt 500 Millionen Euro investieren. Der Bau war Ende 2001 beantragt und im Oktober 2002 offiziell genehmigt worden. Die Düsseldorfer Landesregierung von Wolfgang Clement (SPD) bzw. der damalige Chef der Staatskanzlei, Georg Wilhelm Adamowitsch (SPD), signalisierten aber den britischen Investoren, daß man das Wirkungsgrad-Kriterium restriktiv auslegen würde und deshalb nicht mit Steuerbefreiung zu rechnen sei. Diese Haltung vertraten Clement und Adamowitsch auch, nachdem sie Bundeswirtschaftsminister bzw. Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium geworden waren ( 021001). Das Bundesumweltministerium unter Jürgen Trittin (Grüne) setzte sich dagegen für eine großzügigere Handhabung ein.