August 2003

030802

ENERGIE-CHRONIK


Stundenlanger Stromausfall in Nordamerika

Am 14. August 2003 kam es im Nordosten der USA und im Südosten Kanadas zu flächendeckenden Stromausfällen. Betroffen waren bis zu 50 Millionen Menschen in einem Gebiet von der Größe Deutschlands, Frankreichs und der Benelux-Staaten. Dazu gehörten Großstädte wie New York, Detroit, Cleveland, Toronto und Ottawa. In den Bundesstaaten New York und New Jersey wurde der Notstand ausgerufen.

Der "Blackout" begann am Donnerstag um 16.11 Uhr Ortszeit und konnte erst im Laufe des folgenden Tags schrittweise behoben werden, wobei es noch immer zu einzelnen Störungen und Abschaltungen kam. Während der Nacht versanken deshalb Städte wie New York in Dunkelheit. In Ottawa kam es zu Plünderungen. Vielfach herrschten chaotische Zustände, weil Verkehrsmittel, Aufzüge und andere elektrischen Anlagen nicht mehr funktionierten.

Insgesamt war eine Kraftwerksleistung von rund 62.000 MW ausgefallen, was etwa der Hälfte der in Deutschland installierten Kraftwerkskapazität entspricht. Bis 23 Uhr waren davon wieder 21.300 MW am Netz. Am nächsten Tag um fünf Uhr morgens waren es 41.100 MW und um elf Uhr 48.600 MW. In New York war die Stromversorgung am Freitagvormittag wieder hergestellt, doch wurde die Bevölkerung vom Netzbetreiber NYISO aufgerufen, noch bis in die Abendstunden jeden unnötigen Stromverbrauch zu vermeiden. In der kanadischen Provinz Ontario dauerte es fast eine Woche, bis alle Folgen des Stromausfalls beseitigt waren.

Von dem Stromausfall betroffen waren die US-Bundesstaaten New York, Ohio, Michigan, Pennsylvania, Connecticut, Massachusetts und Vermont (markierte Gebiete) sowie das südöstliche Kanada. Am schlimmsten wirkte sich der "Blackout" rund um die Großen Seen aus.

Domino-Effekt führte zum Ausfall von Leitungen und Netzen

Die Ursache des Stromausfalls war zunächst unklar. Nachdem ein terroristischer Anschlag ausgeschlossen werden konnte, ließ die kanadische Regierung verlauten, ein Blitzschlag in ein Wasserkraftwerk an den Niagara-Fällen habe den Zusammenbruch der Netze ausgelöst. Später verdichteten sich aber die Hinweise darauf, daß der Ausgangspunkt im Bundesstaat Ohio zu suchen war: Dort hatten bereits kurz nach 15.00 Uhr mehrere Hochspannungsleitungen abgeschaltet, worauf sich die elektrische Energie andere Wege zu den Verbrauchsschwerpunkten suchte. Nach Art eines Domino-Effekts kollabierten daraufhin andere Leitungen und Netze.

Deregulierung überfordert Infrastruktur

Nach dem Stromnotstand in Kalifornien ( 030410) provozierte der jetzige Stromausfall ein weiteres Mal Kritik an der Deregulierung des US-amerikanischen Strommarktes, die nicht nur falsch angepackt worden sei, sondern auch die technische Infrastruktur der amerikanischen Stromversorgung überfordere und damit grundsätzlich die Versorgungssicherheit gefährde: Die Netze könnten die Stromflüsse nicht mehr bewältigen, die Kraftwerkskapazitäten reichten nicht aus und der Zustand der Anlagen lasse generell zu wünschen übrig. Hinzu kämen das Fehlen einheitlicher Sicherheitsstandards und der Kompetenz-Dschungel der Behörden und Organisationen, die auf nationaler oder einzelstaatlicher Ebene für eine funktionierende Stromwirtschaft sorgen sollen. In den USA wird deshalb sowohl über die notwendige Verbesserung der Netze als auch über eine Verstärkung der staatlichen Aufsicht diskutiert. Der von der Industrie getragene Rat für elektrische Funktionssicherheit (NERC) schätzt, daß bis 2013 rund 56 Milliarden Dollar für die Modernisierung der Stromversorgung gebraucht werden. Die US-amerikanischen Strompreise, die bisher im Vergleich zu Europa niedrig sind, dürften entsprechend steigen. Bereits gestiegen sind die Aktien von General Electric als wichtigstem Ausrüster der Stromwirtschaft. Auch andere Unternehmen wie Siemens und ABB hoffen von Netz- und Kraftwerksbauten in den USA zu profitieren.

Der Stromausfall in USA gab zugleich Befürchtungen in Deutschland Auftrieb, die Deregulierung des Strommarktes könne hier zu ähnlichen Zuständen führen. Die Stromwirtschaft betonte demgegenüber, daß das deutsche Verbundnetz wesentlich engmaschiger, von besserer technischer Qualität und mit größeren Kraftwerksreserven ausgestattet sei.

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