Oktober 2003 |
031012 |
ENERGIE-CHRONIK |
Bei der Mannheimer MVV Energie AG hat am 1. Oktober der frühere Bewag-Finanzvorstand Rudolf Schulten den langjährigen Vorstandsvorsitzenden Roland Hartung abgelöst (siehe 030216). In einem Gespräch mit der Zeitung "Die Welt" (30.9.) kündigte Schulten eine kritische Sichtung des Energiekonzerns an, der mit 5700 Beschäftigten einen Umsatz von 1,7 Milliarden Euro erwirtschaftet und inzwischen über fast hundert Beteiligungen verfügt, durch seine expansive Geschäftspolitik aber auch Finanzschulden in Höhe von 1,1 Milliarden Euro angehäuft hat. Wie die Zeitung schreibt, "wird nach dem Wachwechsel an der Führungsspitze ein anderer Wind durch das Unternehmen wehen. Alle Konzernsparten werden auf ihre Wettbewerbstauglichkeit untersucht." Auf der Prüfliste stünden insbesondere das Powerline-Projekt der MVV und das Engagement bei den Erneuerbaren Energien. Wie sein Vorgänger Hartung verfolge auch Schulten das Ziel, die MVV Energie als selbständiges Unternehmen zu erhalten. Anstelle der bisherigen Beteiligungs- und Übernahmestrategie setze er aber mehr auf Allianzen mit anderen kommunalen Versorgen.
Noch kurz vor seiner Pensionierung unterzeichnete Hartung am 27. September im spanischen Ampudia eine Vereinbarung mit dem Hamburger Windkraftanlagenhersteller REpower Systems AG, derzufolge MVV und REpower in der spanischen Region Castilla y Le-n gemeinsam 230 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von rund 350 MW errichten wollen. Am 29. September vollführte Hartung den ersten Spatenstich für eine neue Müllverbrennungsanlage in Leuna, die ab 2005 jährlich 195.000 Tonnen Restmüll aus Sachsen-Anhalt und benachbarten Bundesländern entsorgen soll. Zuvor hatte er am 24. September in Mannheim das erste von drei geplanten Biomasse-Kraftwerken der MVV in Betrieb genommen (030913).
"Mit Hartung tritt eine der schillerndsten Figuren
der deutschen Energiebranche ab", schrieb die "Börsen-Zeitung" (27.9.)
zum Wechsel in der Chefetage des Mannheimer Konzerns, der 1999 als erster
und bisher einziger kommunaler Versorger erfolgreich an die Börse
ging (990211) und sich selbst als "fünftgrößtes
Unternehmen der Energiebranche in Deutschland" sieht. Man dürfe gespannt
sein, wie Schulten das Werk Hartungs fortführe. Der neue Vorstandsvorsitzende
habe bereits durchblicken lassen, daß er sich die vielen seit dem
Börsengang gestarteten MVV-Aktivitäten "sehr vorurteilsfrei anschauen"
werde. Immerhin sei die MVV-Aktie "von ihrem Emissionspreis von 16 Euro
nie dauerhaft vom Fleck gekommen". Wenn Schulten den "Shareholder Value"
steigern wolle, müsse er neue Akzente setzen.