September 2004 |
040901 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Bundesrat verlangte in seiner Sitzung am 24. September 2004 umfangreiche Änderungen am Entwurf für ein neues Energiewirtschaftsgesetz, den das Bundeskabinett Ende Juli verabschiedete (040702). Vor allem forderte er die Einfügung eines neuen Paragraphen, der die Entgelte für den Netzzugang nach § 21 und Entgelte für die Erbringung von Ausgleichsleistungen nach § 24 des Entwurfs von einer Vorab-Genehmigung durch die neue Regulierungsbehörde abhängig macht. Die Genehmigung ist mindestens drei Monate vor der geplanten Wirksamkeit der Entgelte zu beantragen. Sie ist zu befristen und mit dem Vorbehalt eines Widerrufs zu versehen.
Der hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU) begründete die Notwendigkeit einer Vorab-Genehmigung mit den Worten: "Bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist, muß reguliert werden. Wir dürfen den Netzbetreibern keine Spielräume für mißbräuchliche Verhaltensweisen lassen".
"Nur die ex-ante-Genehmigung der Entgelte für die Netznutzung gewährt ein hohes Maß an Sicherheit, daß künftig die Nachfrageseite keine überhöhten Entgelte zahlen muß und daß sich dadurch der Wettbewerb entwickeln kann", heißt es in der schriftlichen Stellungnahme des Bundesrats, die nun mit einer Stellungnahme der Bundesregierung an den Bundestag weitergeleitet wird. Die nachträgliche Kontrolle der Netzentgelte berge zudem "ein beträchtliches Element der Rechtsunsicherheit", weil die Netzbetreiber ständig damit rechnen müßten, nachträglich zur Änderung ihrer Entgelte gezwungen zu werden. Dadurch werde die Investitionsbereitschaft der Netzbetreiber beträchtlich gefährdet. Den Netznutzern fehle ebenfalls die erforderliche Kalkulationssicherheit.
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement wies die Forderung des Bundesrats nach einer "Ex-post-Kontrolle" zurück und warnte vor einer weiteren Verzögerung des Gesetzes, das eigentlich schon zum 1. Juli 2004 hätte in Kraft treten sollen. Nach Clements Ansicht würde die Vorab-Genehmigung einen enormen Aufwand an Bürokratie erfordern und die Regulierung bereits in der Startphase zusammenbrechen lassen, da bei insgesamt 1700 Netzbetreibern intensive Vorprüfungen vorgenommen werden müßten und alle Bescheide angefochten werden könnten. (DPA, 24.9.)
Die Energie Baden-Württemberg, die als Eigner der Stromvertriebsgesellschaft "Yello" stark an niedrigeren Netznutzungsentgelten interessiert ist, begrüßte dagegen den Beschluß des Bundesrats. Nach ihrer Auffassung läßt sich das "Ex-Ante-Modell" auch ohne großen bürokratischen Aufwand realisieren, wenn die dafür notwendige Datenerhebung an externe Dienstleister vergeben und auf Grundlage testierter Netzentgeltkalkulationen der Netzbetreiber erhoben werde.
In seiner Stellungnahme hält der Bundesrat den Gesetzentwurf sowohl inhaltlich als auch unter gesetzestechnisch formalen Aspekten für stark überarbeitungsbedürftig. Der Umfang des 118 Paragraphen umfassenden Textes sei ohne Einbuße an Rechtsklarheit stark reduzierbar. So würden teilweise für identisch gemeinte Regelungen unterschiedliche Formulierungen bzw. Begriffe verwendet und Sachverhalte doppelt geregelt.
Zu den zahlreichen inhaltlichen Änderungswünschen der Ländervertretung gehört, daß in § 21 des Gesetzentwurfs die "Beachtung der Nettosubstanzerhaltung" bei der Berechnung der Entgelte gestrichen werden soll. Unter Verweis auf die Verbändevereinbarungen, die das Prinzip der Nettosubstanzerhaltung ebenfalls vorsahen, wird die Eignung dieses Prinzips für Zwecke der Netzregulierung bezweifelt: "Während die Methode der Realkapitalerhaltung den dem Kapitalgeber zugebilligten Ertrag offen als Marktzins ausweist, werden nach der Methode der Nettosubstanzerhaltung Ertragsbestandteile als Kosten verbucht. Dadurch wird die Transparenz der Kalkulation verschlechtert."
Ein weiterer wichtiger Änderungswunsch betrifft die Fortgeltung der Bundestarifordnung Elektrizität (BTOEltV). Gemäß dem Regierungsentwurf würde die BTOEltV mit Inkrafttreten des neuen Energiewirtschaftsgesetzes ihre Gültigkeit verlieren. Der Bundesrat möchte dagegen die behördliche Genehmigung von Pflichttarifen für Kleinkunden zumindest für eine Übergangszeit noch gesichert wissen.
"Erhebliche ordnungspolitische und rechtsstaatliche Bedenken" hat der Bundesrat gegen die geplante Heranziehung der Netzbetreiber zur Finanzierung der Regulierungsbehörde. Der entsprechende § 92 müsse gestrichen und die Finanzierung der Behörde allein aus dem allgemeinen Haushalt bestritten werden.
In seiner Sitzung am 24. September verabschiedete
der Bundesrat außerdem eine allgemeine Entschließung zur Energiepolitik.
Diese Resolution, die vom Land Bayern eingebracht worden war, spricht von
einem Gegensatz zwischen der "derzeit einseitig (vermeintlich) ökologischen
Ausrichtung der deutschen Energiepolitik" und den "Anforderungen nachhaltiger
Entwicklung". Energie sei ein wesentlicher Kostenfaktor im internationalen
Wettbewerb. Die von der Bundesregierung betriebene Energieverteuerung sei
deshalb falsch. Die Förderregelung des EEG drohe zu einer "neuen volkswirtschaftlich
problematischen Dauersubvention zu werden". Im Rahmen eines ausgewogenen
Energiemixes leiste die Kernenergie "einen nicht verzichtbaren Beitrag
zur global nachhaltigen wie auch national sicheren, wirtschaftlichen und
umweltverträglichen Entwicklung". Der Bundesrat halte deshalb den
von der Bundesregierung politisch erzwungenen Ausstieg aus der Kernenergie
sowohl ökonomisch als auch ökologisch für verfehlt.