April 2005 |
050405 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Steinkohleverstromer Steag und die Energie Baden-Württemberg (EnBW) gaben am 12. April bekannt, daß sie langfristig kooperieren wollen. Sie überraschten damit vor allem den RWE-Konzern, der schon seit einem Jahr eine erneute Direktbeteiligung an der Steag plant (040310, 040504), bei den Verhandlungen bisher aber nicht vorangekommen ist. Bisher beschränkte sich die Kooperation beider Unternehmen auf das Kraftwerk Bexbach im Saarland, dessen Haupteigentümer und größter Stromkunde die EnBW ist, während die Steag über ihre Tochter Saar Energie AG ein Viertel der Anteile hält und die Betriebsführung besorgt.
Wie es in der gemeinsamen Pressemitteilung hieß, will sich die EnBW von einem neuen Steinkohle-Kraftwerksblock der Steag in Walsum, der voraussichtlich 2010 ans Netz gehen wird, ein Drittel der geplanten Gesamtleistung von 750 Megawatt sichern. Der Liefervertrag soll zwanzig Jahre laufen und verlängert werden können. Die EnBW soll sich ferner "mittelbar" an dem Kraftwerk beteiligen können.
Neben dem langfristigen Strombezug aus Walsum und der Beteiligungsoption streben Steag und EnBW eine weitergehende energiewirtschaftliche Kooperation an. Neben Planung, Finanzierung, Bau und Betrieb von Wärmekraftwerken ist an eine "Intensivierung der Zusammenarbeit im Bereich der fossilen Energieträger" gedacht.
Bisher beliefert die Steag neben einigen Industriekunden nur den RWE-Konzern. Aufgrund ihrer besonderen Entstehungsgeschichte (040504) ist sie der einzige große deutsche Stromproduzent, der über kein eigenes Netz bzw. eine konzerneigene Netzgesellschaft verfügt.
Bereits am 17. März unterzeichneten die Steag und die österreichische EVN den Rahmenvertrag über eine gemeinsame Projektgesellschaft zur Errichtung des neuen Kraftwerksblocks in Walsum. Die "Steag-EVN Walsum 10 Kraftwerksgesellschaft mbH" wird zu 51 Prozent der Steag und zu 49 Prozent der EVN gehören. Sie soll die Vorarbeiten für den neuen Block weiter vorantreiben und die Investitionsentscheidung vorbereiten. Ob und wieweit die EVN Strom aus Walsum beziehen will, ging aus den Unternehmensmitteilungen nicht hervor. Es war lediglich die Rede davon, daß die EVN zur Absicherung ihrer Erzeugungskapazitäten Kraftwerksprojekte im In- und Ausland prüfe und daß in Deutschland die Rahmenbedingungen für die Errichtung moderner Wärmekraftwerke gut seien.
Seit Anfang 2005 bündelt und führt die Steag alle Energieaktivitäten innerhalb des RAG-Konzerns. Sie ist die wichtigste Gesellschaft innerhalb des Konzerns, der neben dem subventionsabhängigen deutschen Bergbau noch den Chemiekonzern Degussa, die RAG Immobilien und die RAG Coal International umfaßt. Infolge der Eingliederung der früheren RAG Saarberg betreibt sie nun im Ruhrgebiet und an der Saar insgesamt acht Steinkohle-Kraftwerke und ist der fünftgrößte deutsche Stromerzeuger. Darüber hinaus verfügt sie über zwei Anlagen im Ausland (040210), Industriekraftwerke und Anlagen zur dezentralen Energieversorgung.
Anfang März hatte RAG-Chef Werner Müller die Absicht verlauten lassen, die RAG bis 2006 an die Börse zu bringen. Gegenwärtig wären RAG-Aktien allerdings völlig unattraktiv, da der Konzern keine Dividenden an die Aktionäre ausschütten darf und die profitablen Bereiche des Konzerns zur Stützung des mit Staatsgeldern ausgehaltenen Bergbaues beitragen müssen. Müller schlug deshalb vor, daß die gegenwärtigen Eigentümer ihre Aktien zum symbolischen Preis von einem Euro an ein Bankenkonsortium verkaufen, das den nicht zum deutschen Bergbau gehörenden Teil des Konzerns am Aktienmarkt plaziert und den Verkaufserlös in einen Fonds einbringt, aus dem künftig die Steinkohle-Lasten finanziert werden. Unklar blieb dabei, wieweit den bisherigen Eigentümern zusätzliche Anreize geboten werden sollen, indem sie etwa ihre eigenen Altlasten aus dem Bergbau in die RAG einbringen, und wieweit das Konzept tatsächlich zu einer Entlastung des Steuerzahlers führen würde. Müllers Vorstoß war offenbar auch nicht hinreichend mit den Hauptaktionären abgestimmt, den E.ON (40 Prozent) und RWE (30 Prozent) reagierten überrascht und verärgert.
Die "Frankfurter Allgemeine" (13.4.) bemerkte dazu: "Je höher die erwarteten Risiken, desto leichter können die RAG-Gesellschafter ihren Aktionären vermitteln, warum sie die Aktien für einen Euro abgeben. Bei hohem Risiko aber darf der Staat diese Last nicht übernehmen. Sind die Risiken jedoch gering, werden die Anteilseigner mehr als einen symbolischen Preis fordern. Dann aber funktioniert das ganze Konzept nicht."