Juni 2005

050608

ENERGIE-CHRONIK


Schweiz vier Stunden lang ohne Bahnstrom

In der Schweiz ist am 22. Juni das Bahnstromnetz zusammengebrochen. Rund vier Stunden lang ruhte dadurch der Betrieb der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) sowie anderer Normalspurbahnen (BLS, RM, SOB und TPF). Betroffen waren rund 200.000 Reisende und 1500 Züge. Da sich der Stromausfall in den Abendstunden ereignete, zählten insbesondere Pendler zu den Leidtragenden. Sieben Züge blieben in Tunnelabschnitten stecken, und es dauerte bis zu eineinhalb Stunden, ehe sie mit Diesellokomotiven ins Freie gezogen werden konnten. Der grenzüberschreitende Verkehr mit Frankreich, Deutschland und Österreich war ebenfalls gestört. Es handelte sich um die bislang größte Panne in der Geschichte der schweizerischen Bahnen, die sonst für ihre Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit bekannt sind.

Kurzschluß zerlegte Bahnstromnetz in zwei Teile

Wie die SBB am 23. Juni auf einer Pressekonferenz in Bern mitteilten, begann der Stromausfall um 17.08 Uhr mit einem Kurzschluß an der Bahnstromleitung von Amsteg nach Rotkreuz. Normalerweise hätten zwei parallel verlaufende Leitungen den Ausfall dieser Bahnstromleitung ohne weiteres kompensieren können. Sie waren jedoch wegen Bauarbeiten direkt unter der Leitung abgeschaltet. Deshalb zerfiel das Schweizer Bahnstromnetz in zwei Teilnetze, von denen das eine über- und das andere unterversorgt war.

Der Produktionsüberschuß im südöstlichen Teilnetz bewirkte innerhalb von elf Sekunden die Schutzabschaltung von zwei Bahnstromkraftwerken und eines Umformers aus dem öffentlichen Netz. Neun Minuten später kam es infolge von Überlast, die das südliche Teilnetz wegen der Abschaltungen nun nicht mehr ausgleichen konnte, zur automatischen Abschaltung weiterer Kraftwerke und ab 17.35 zum völligen Zusammenbruch der Bahnstromversorgung in der Region Uri/Tessin.

Im größeren Teilnetz der Deutsch- und Westschweiz fehlten durch den Ausfall der Leitung von Amsteg nach Rotkreuz rund 200 MW. Die Unterversorgung konnte hier zunächst durch Überlastung der verfügbaren Produktionskapazitäten und der Kupplungsstellen mit dem Netz der Deutschen Bahn ausgeglichen werden. Um 17.45 brach aber auch hier die gesamte Bahnstromversorgung zusammen.

Die SBB begann unmittelbar nach dem Zusammenbruch mit dem Wiederaufbau der Bahnstromversorgung. In einem ersten Schritt wurden in den Räumen Zürich/Ostschweiz, Wallis/Westschweiz und Tessin Inselnetze aufgebaut. Nach deren Synchronisation und Koppelung wurden die Fahrleitungen abschnittsweise zugeschaltet. Nach und nach konnte so der Zugverkehr wieder aufgenommen werden. Um 21.30 Uhr war der Wiederaufbau der Bahnstromversorgung abgeschlossen. Die Störungen im Zugverkehr konnten jedoch erst im Laufe des folgenden Tages behoben werden.

Bahnstromversorgung müßte engmaschiger sein

Nach Ansicht der SBB zeigte der Kollaps, daß das Schweizer Bahnstromnetz bei steigender Beanspruchung einen zu geringen Vermaschungsgrad und eine unzureichende Ausfalltoleranz aufweist. Entsprechend groß sei die Gefahr von Inselnetzbildungen. Um eine Ausfalltoleranz wie im Bereich der öffentlichen Stromversorgung zu erreichen (Prinzip N-1) , sei der Aufbau redundanter Ringstrukturen nötig. In der Praxis sei dies aber nur sehr schwer zu verwirklichen, und die Verfahren dauerten sehr lange.

Die Schweiz betreibt ihr Bahnstromnetz - wie Deutschland und Österreich - mit einphasigem Wechselstrom der Frequenz 16,7 Hertz. Der Strom wird in zehn Kraftwerken erzeugt sowie durch fünf Umformer aus dem Netz der öffentlichen Versorgung bereitgestellt. Ferner verfügt die SBB über zwei Kupplungen zum Netz der Deutschen Bahn. Die Übertragungsleitungen für den Bahnstrom sind 1800 Kilometer lang. Sie versorgen 63 Unterwerke, die den Strom von 132 auf 15 Kilovolt heruntertransformieren und mit dieser Spannung in die Oberleitungen des Schienennetzes einspeisen.

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