April 2006 |
060402 |
ENERGIE-CHRONIK |
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich rufe den Zusatztagesordnungspunkt 5 auf: Aktuelle Stunde - Beitrag des Energiegipfels
zur Energieversorgungssicherheit und zur Verringerung der Gefahren durch Atomkraft
und Klimawandel.
Die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen hat diese Aktuelle Stunde
beantragt. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Renate Künast,
Bündnis 90/Die Grünen.
Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hätte der Koalition zu diesem
Energiegipfel als prominentem Ereignis gerne Glückwunsch gezollt. Als ich ans
Pult ging, hieß es: Jetzt bekommen wir bestimmt Lob. - Ich muss der Ehrlichkeit
halber sagen: Lob bekommen Sie allenfalls für die mediale Inszenierung. Die Ergebnisse
waren aber doch eher dünn, falls es neben der Gründung von Arbeitsgruppen
überhaupt Ergebnisse gab.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es war ein Gipfel der Aussparung, eine Art Spiegelbild des Minimalkonsenses innerhalb
der Koalition. Man könnte auch sagen: Sie sind als Gipfelstürmer angetreten,
aber irgendwo im märkischen Sand stecken geblieben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich könnte auch sagen: Das war ganz im merkelschen Sinne.
Der Gipfel hat eines gezeigt: viel Wind, aber wenig erneuerbare Energien. Die Gästeliste
verwundert einen dann auch nicht. Vertreten waren die Besitzstandswahrer der Energiewirtschaft,
die vier großen Monopolisten, aber wenige Verbraucher und überhaupt keine
Umweltgruppen. So macht man keinen der Zukunft zugewandten Energiegipfel.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Petra Sitte
(DIE LINKE))
Sie sind die energiewirtschaftlichen Fragen nicht angegangen. Dabei geht es um die
Fragen: Wie kann unsere Energieversorgung langfristig sicher sein? Wie kann man sie
langfristig wirtschaftlich gestalten und nicht nur am Tropf halten? Wie kann man sie
nachhaltig gestalten? - Dazu ist gar nichts gesagt worden. Sie haben auch die Kernthemen
des Energiebereichs vollkommen außen vor gelassen. Wie kann man eigentlich behaupten,
einen Energiegipfel zu veranstalten, wenn man nicht über den Verkehr diskutiert?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das heißt doch: Sie haben das halbe Problem schlicht und einfach ignoriert.
Der Löwenanteil unserer Erdölimporte wird nämlich im wahrsten Sinne
des Wortes verfahren. Wir machen hier vollkommen unsinnig Gebrauch von einer limitierten
und teuren Ressource. In keinem anderen Bereich sind wir so abhängig vom Erdöl
wie im Verkehr und Sie machen einen Energiegipfel, ohne über dieses Thema zu
reden!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wenn sich an dieser Stelle nichts bewegt, bewegt sich demnächst auch im Verkehr
nichts mehr. Stattdessen haben Sie auf diesem Gipfel ein gefährliches Spiel mit
der Debatte über den Ausstieg aus der Atomenergie getrieben. Der Dissens, den
Sie so munter zwischen den Koalitionsfraktionen pflegen, stellt mittlerweile eine
Blockade für Innovationen und dringend nötige Investitionen in Deutschland,
zum Beispiel im Mittelstand, dar.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich frage mich auch: Was ist jetzt eigentlich mit dem Koalitionsvertrag? Gilt er nur
ein bisschen oder nur bis zu einem bestimmten Punkt? Das riecht mir verdammt nach:
Wir sind ein bisschen schwanger. - Genau so agieren Sie bei diesem Thema. Im Ergebnis
tun Sie nichts für die Schaffung von Arbeitsplätzen und für Innovationen
in diesem Land. Mit Ihrem Gerede auf dem Gipfel haben Sie allenfalls den Kraftwerksbetreibern
geholfen, große Profite zu machen. Sie haben aber mittelfristig nicht einmal
einem Verbraucher in diesem Land geholfen und dazu beigetragen, dass er auf seiner
nächsten Stromrechnung sieht, dass die Kosten sinken und nicht weiter steigen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie lassen sich durch vermeintliche Investitionszusagen zu Zugeständnissen bringen.
Was wir in Wahrheit brauchen, ist eine Regierung, die sich nicht erpressen lässt,
gerade beim anstehenden Thema "Emissionshandel und Zertifikate". Was Ihnen da
an Geldern angeboten wird, ist das statistische Mittelmaß dessen, was sie sowieso
investieren müssen. Wir brauchen etwas anderes. Wir brauchen einen Anschub, der
zu Überkapazität und neuen Akteuren auf dem Markt führt, damit Wettbewerb
entsteht, zugunsten einer anderen Zukunft und zugunsten der Verbraucherhaushalte.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Man muss jetzt umsteuern; man darf das nicht wieder vertagen. Man muss jetzt einsteigen
beim Primat der Energiepolitik in eine Zukunft der Einsparungen. Wir wissen, dass
die meisten Industriestaaten, wenn sie eine gute Strategie verfolgen, mit der besten
verfügbaren Technologie problemlos 20 bis 30 Prozent des jetzigen Energieverbrauchs
einsparen könnten.
Dann brauchen Sie aber ehrgeizige Anforderungen, in Bezug auf den Wärmeschutz
bei Neubauten, Höchstverbrauchstandards für Klima- und Lüftungsanlagen,
und Sie brauchen Verbote für Stand-by-Geräte in der Unterhaltungselektronik.
Wir können bis 2020 unseren Verbrauch quasi halbieren.
Der Energiegipfel hat uns eines gezeigt: Sie haben keine Ziele; Sie arbeiten weiter
für die großen Anbieter. Ich sage Ihnen ganz klar: Wir werden dem ein grünes
weiterentwickeltes Energieszenario entgegensetzen.
(Martin Zeil (FDP): Bitte keine Drohung!)
Daran werden wir Sie messen. Wir werden Sie beim Emissionshandel -
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
- ich bin beim letzten Wort - fragen: Wie vergeben wir Zertifikate? Ich sage Ihnen
eines: Die 10 Prozent müssen wirklich versteigert werden. Wir dürfen
eines nicht tun: uns von den großen Wirtschaftsunternehmen -
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist überschritten.
Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
- erpressen lassen.
Danke.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Beck, zur Geschäftsordnung, bitte.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Keiner der für dieses Thema, Energie,
zuständigen Minister ist hier anwesend. Ich verstehe ja, dass man sich angesichts
des Outputs dieses Energiegipfels hier im Parlament nicht stellen will. Ich habe Verständnis
bei Herrn Glos: Er ist in den USA; wenn er kommen sollte, wäre das ein bisschen
schwierig. Aber der Bundesumweltminister ist im Haushaltssausschuss.
(Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Der Staatssekretär ist da!)
Ich meine, das geht nicht. Bei einem so wichtigen Thema muss die Bundesregierung auch
durch Minister hier im Plenum vertreten sein.
(Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Nein, muss sie nicht!)
Wenn sie so nicht vertreten ist, ist das eine Missachtung des Parlaments. Wir beantragen
die Herbeizitierung des Bundesumweltministers.
(Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Davon kann doch überhaupt nicht die
Rede sein! Das ist völlig albern! Der Staatssekretär ist anwesend!)
- Es gehört sich, dass beim Thema Energiegipfel auch der zuständige Minister
hier spricht oder dass er, wenn er nichts zu sagen hat, wenigstens hier anwesend ist
und sich eine solche zentrale Debatte des Parlaments anhört.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und
der LINKEN)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kumpf, bitte.
Ute Kumpf (SPD):
Herr Kollege Beck, ich glaube, Ihr Einwand und Ihr Antrag sind eine Farce. Es ist
ein sehr bekannter, sehr ausgewiesener Experte auf der Regierungsbank anwesend, der
dieses Thema exzellent für uns vertreten wird.
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer denn? - Jürgen
Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meinen Sie Herrn Neumann?)
- Ich rede von unserem Kollegen Michael Müller, der den Minister vertritt. Er
ist ein ausgewiesener Fachmann
(Martin Zeil (FDP): Für was?)
in der Angelegenheit.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dass Minister Gabriel vor dem Haushaltsausschuss vorstellig werden muss, ist das höchste
Recht und auch ein parlamentarisches Recht des Haushaltsausschusses. Das ist auch
Ihnen sehr wohl bekannt. Ich denke, es ist genügend Kompetenz auf der Regierungsbank
vertreten.
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wieso bezahlen wir überhaupt
Minister, wenn wir sie nicht brauchen?)
Daher ist Ihr Antrag abzulehnen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich lasse über den Geschäftsordnungsantrag des Kollegen Beck abstimmen.
Wer für die Herbeizitierung des Ministers ist, den bitte ich um das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Letzteres war die Mehrheit. Deshalb, Herr Kollege Beck, ist Ihr Antrag
abgelehnt.
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Schauerte.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Renate Künast (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Ich dachte, Herr Müller spricht! - Gegenruf von der CDU/CSU:
Zuhören!)
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für
Wirtschaft und Technologie:
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu
sagen: Ich bin zweimal dankbar, einmal dafür, dass die Bundeskanzlerin diesen
Energiegipfel organisiert und durchgeführt hat, und zum Zweiten dafür, dass
die Grünen diese Aktuelle Stunde beantragt haben. Denn so können wir hier
erklären, worum es wirklich geht.
Dieser Energiegipfel war absolut notwendig. Das haben alle Beteiligten auch so gesehen.
Was die Beteiligten angeht, Frau Künast: Es waren natürlich Vertreter der
Solarenergiewirtschaft, Klaus Töpfer und weitere Personen aus dem entsprechenden
Bereich anwesend.
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Klaus Töpfer ist ja
keine deutsche NGO!)
Der Kreis war also intelligent und der Sache angemessen zusammengesetzt. Ein Energiegipfel
ist auch kein Klein-Klein, kein Hin-und-Her und kein Springen von einem Thema zu anderen.
Denn er sollte ein strategischer Neuanfang sein. Schließlich haben wir seit
vielen Jahren nicht mehr über die Energiepolitik und die Lage der Energiewirtschaft
in Deutschland geredet,
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jedenfalls Sie nicht!)
jedenfalls nicht umfassend und im Rahmen eines gesamtstrategischen Konzepts. Damit
sollte auf diesem Energiegipfel begonnen werden. Das ist unter volkswirtschaftlichen,
internationalen und technologischen Gesichtspunkten nötig. Das ist eine absolut
runde Angelegenheit.
Sie haben uns vorgeworfen, wir hätten nichts zum Verkehr gesagt. Ich will nur
ein Beispiel nennen: Die Brennstoffzelle ist eine ganz wichtige technologische Antwort
auf die vor uns liegenden Herausforderungen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass
Sie während Ihrer Regierungszeit Entscheidendes für die Brennstoffzelle
geleistet hätten.
(Ulrich Kelber (SPD): Natürlich! - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Das nennt man retrograde Amnesie! Quatsch! Da protestiert schon die
SPD!)
Wir legen ein Forschungsprogramm mit einem Volumen von 155 Millionen Euro und
einer Laufzeit von drei Jahren auf. Eine so massive Forschungsförderung hat es
in diesem Bereich noch nicht gegeben. Wir begrüßen, dass wir das gemeinsam
beschließen können. Frau Künast, unter Ihrer Regierungsverantwortung
wurde ein solches Programm nicht aufgelegt.
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wieso fahren die Autos
jetzt schon mit Biodiesel?)
Eine Diskussion über die strategische Ausrichtung unserer Energiepolitik ist
notwendig. Sie kann einen Beitrag zur Verbesserung der Energieversorgungssicherheit
anstoßen. In diesem Zusammenhang sind Fragen der Wirtschaftlichkeit, der Umweltverträglichkeit,
der internationalen Sicherheit und der Versorgungssicherheit zu berücksichtigen.
Es lohnt, über grundsätzliche Fragen zu reden.
Frau Künast, in der Energiepolitik brauchen wir vor allen Dingen Rationalität,
ein Wissen über die Fakten und Zusammenhänge sowie möglichst wenig
Ideologie. Von den ideologischen Ansätzen grüner Energiepolitik haben wir
uns auf diesem Gipfel verabschiedet. Das wird Deutschland ausgesprochen gut tun.
(Beifall bei der CDU/CSU - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sie sind doch der Oberideologe! Ohne Sie wären wir schon viel weiter!)
Mit dem Statusbericht, den Bundesminister Glos zusammen mit Bundesminister Gabriel
vorgelegt hat, haben wir eine gute Grundlage für die Neuorientierung und die
Versachlichung der Energiepolitik gelegt.
Energiepolitische Entscheidungen müssen immer die drei energiepolitischen Ziele
im Blick haben: Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit
sowie Umweltverträglichkeit. Ich habe die Wirtschaftlichkeit bewusst an den Anfang
gestellt. Gerade auf diesem Gebiet wurden in der Vergangenheit schwere Fehler gemacht.
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Atomkraft!)
Der grüne Ansatz bei der Wirtschaftlichkeit, den die Bürger heute teuer
bezahlen, war: Energie kann ruhig teuer sein; denn nur, wenn Energie teuer ist, gehen
die Bürger sparsam damit um. Das war ein Kern Ihrer Energiepolitik, der natürlich
enorme Auswirkungen auf die Entwicklung der Energiepreise in Deutschland hatte.
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Während Atomkraft
noch in hundert Jahren kostet!)
Aufgrund der hohen Kosten für Energie in Deutschland haben wir erhebliche wirtschafts-
und arbeitsmarktpolitische Probleme. Die Kosten für Energie in Deutschland wurden
von Ihnen aus ideologischen, aus so genannten pädagogischen Gründen kraftvoll
erhöht. Bei der Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit des Energiepreises
- Sie haben den Energiepreis nicht mehr ernst genommen - haben wir eine erhebliche
Korrektur vorgenommen. Ich hoffe, dass sie sich mittelfristig auf den Standort Deutschland
im Wettbewerb der Nationen positiv auswirkt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir müssen in aller Sachlichkeit immer wieder analysieren, ob die angestrebten
Ziele auch tatsächlich erreicht werden. Auch das soll ein Ergebnis der verstärkten
Diskussion über unsere energiepolitische Ausrichtung sein.
Der Energiegipfel ist als Auftakt einer Debatte über die mittel- und langfristige
Energiepolitik gedacht. Kein laufendes Projekt wird gestoppt. Es gibt keinen Stillstand.
Insofern können wir uns die Zeit nehmen, gründlich darüber nachzudenken.
Alle Projekte, die sich jetzt in der Pipeline befinden, werden weitergeführt.
All das, was im Energiewirtschaftsgesetz festgelegt ist - die notwendigen Neujustierungen,
die Aufstellung der Netzagentur -, läuft unbeeinflusst weiter. Die Ergebnisse
des Energiegipfels zeigen langfristige Planungsansätze auf, sie zeigen, wie wir
uns energiepolitisch in der Zukunft aufstellen sollten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir werden - das haben Sie den Medien entnommen - drei Arbeitskreise einrichten. Einer
beschäftigt sich mit den internationalen Aspekten, einer mit den nationalen Aspekten
und einer mit Forschung und Energieeffizienz. Diese drei Arbeitskreise sollen Vorlagen
erarbeiten. Dann soll ein weiteres Spitzentreffen stattfinden. Ziel dieses Prozesses
ist die Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes, das die Bundesregierung in der zweiten
Hälfte des Jahres 2007 vorlegen will. Diese Zeit nehmen wir uns. In der Zwischenzeit
wird das getan, was aktuell anliegt. Es herrscht also kein Stillstand. Wir arbeiten
konkret in den aktuellen Bezugsfeldern und erstellen gleichzeitig eine mittel- und
langfristige Strategie.
Die praktische Energiepolitik geht weiter und die Ergebnisse und Erkenntnisse fließen
in das Gesamtkonzept ein. Mit einfließen sollen auch die Ergebnisse der deutschen
EU-Ratspräsidentschaft und der G-8-Präsidentschaft im Jahr 2007. Wir
wollen das international aufstellen. Frau Merkel hat ja bekanntlich die Energiepolitik
als einen der drei Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft genannt.
Wir bereiten uns darauf vor und hoffen, daraus Erkenntnisse für die strategische
Ausrichtung der deutschen Energiepolitik zu gewinnen.
Wichtig ist natürlich der Energiemix, für den wir auch Erkenntnisse gewinnen
wollen. Wie können wir ihn optimieren? Dabei fallen als erstes die Kohle und
die fossilen Brennstoffe ins Auge. Wir wollen neue Ansätze in Technik und Forschung
entwickeln bis hin zum CO2-freien Kraftwerk. Dafür nehmen wir richtig Geld in
die Hand. Wir schließen nichts aus. Wir wollen möglichst breit auch unter
dem Gesichtspunkt der Energiesicherheit aufgestellt sein.
Wir begrüßen ausdrücklich die beim Energiegipfel gegebenen Zusagen
der Energiewirtschaft zu umfangreichen Investitionen in Kraftwerke und Stromnetze.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU))
Frau Künast, das hat es in Ihrer Zeit auch schon einmal gegeben, aber sehr vage,
unbestimmt und nicht belastbar. Man wollte 20 Milliarden Euro in ein Investitionsprogramm
investieren. Dieser Gipfel hat dazu geführt, dass aus den 20 Milliarden Euro
30 Milliarden Euro geworden sind. Er hat eine neue Sicherheit in die Gespräche
gebracht. Ich halte die Zusagen, die jetzt gemacht worden sind, für belastbarer
als das, was vorher hin und wieder einmal erörtert worden ist. Wir sind also
auch hier ein gutes Stück weitergekommen.
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das werden Sie alles noch
merken!)
- Ja, das wird sich zeigen. Haben Sie ein bisschen Geduld! Das ist sicher eine Tugend,
die Ihnen ziemlich abgeht. Üben Sie sie einmal ein bisschen.
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sonst wäre ich nicht
hier!)
Bei uns geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Bei Ihnen war und ist das offensichtlich
immer noch umgekehrt. Wir wählen den anderen, den seriöseren Weg.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die erneuerbaren Energien sind wichtig. Das haben die Teilnehmer des Energiegipfels
einhellig unterstrichen. Sie sind ein wichtiger und wachsender Teil des Energiemixes.
Lassen Sie mich dazu zum Abschluss noch ein paar Zahlen vortragen, weil ich glaube,
dass sie beeindruckend sind. So etwas hat es in der Energieforschungspolitik bisher
nicht gegeben. Für rationelle Energieumwandlung haben wir im Jahr 2005 104 Millionen Euro
ausgegeben; für das Jahr 2009 planen wir 203 Millionen Euro ein.
Das ist fast eine Verdoppelung und das sind 36 Prozent der Finanzmittel, die
wir für die Energieforschung und -optimierung ausgeben. Bei den erneuerbaren
Energien gibt es ebenfalls eine Erhöhung von 135 Millionen Euro Ist
in 2005 auf 154 Millionen Euro in 2009. Wir sind also in diesen Bereichen
gut drauf. In keinem Bereich des Haushalts ist ein solcher Aufwuchs zu verzeichnen
wie in diesem forschungs- und energierelevanten Bereich. Ich meine, wir sind intelligent
aufgestellt. Der Energiegipfel war gut. Wir bedanken uns für die Gelegenheit,
mit Ihnen hier im Plenum des Deutschen Bundestages eine Stunde darüber diskutieren
zu können.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort hat die Kollegin Gudrun Kopp, FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Gudrun Kopp (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren und Damen! "Gut drauf" ist die Bundesregierung
- Herr Staatssekretär, das nehmen wir gern zur Kenntnis. Wahrscheinlich hat der
Energiegipfel dazu beigetragen. In Wahrheit aber war er ein selbsttherapeutischer
Gesprächskreis und ohnehin ein Milliardenpoker. Mehr hat er nicht gebracht. Substanz
kann ich wirklich nicht erkennen.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich muss Sie daran erinnern: Wir haben gestern im Wirtschaftsausschuss versucht, auszuloten,
wie sich die 33 bis 40 Milliarden Euro, die Sie an Investitionen im Bereich
der erneuerbaren Energien zugesagt haben, zusammensetzen und woher sie kommen, also
wie belastbar diese Summe ist. Sie konnten uns nicht erläutern, wie sich diese
Summe zusammensetzt. So klar scheint den Regierungsteilnehmern also nicht zu sein,
was eigentlich passieren soll.
(Beifall bei der FDP)
Die notwendigen Investitionen in Kraftwerke und Netze haben Sie angesprochen; sie
sind in der Tat wichtig und richtig. Aber die Unternehmen investieren nur, wenn sie
wissen, wie die Rahmenbedingungen aussehen. Auch hierzu haben Sie manche Fragen völlig
offen gelassen: Welche Vorgaben machen Sie mit Blick auf den Nationalen Allokationsplan II?
Was kommt hier auf uns alle, auf die Verbraucher wie auf die Unternehmen, zu? Diese
Fragen haben Sie sträflich vernachlässigt.
In Vorbereitung dieses fulminanten Gipfels habe ich Ihren Statusbericht gelesen. Darin
stellen Sie die Frage: Wird es für die auslaufende Stromerzeugung aus Kernenergie
qualitativ ausreichend und wirtschaftlich vertretbar Ersatz geben? Diese Frage haben
Sie gestellt, ohne bemerkt zu haben, dass Sie in diesem Zweierkanon den dritten Aspekt,
die Umweltverträglichkeit, völlig außer Acht gelassen haben. Sie haben
sich nicht gefragt, ob das unter umweltpolitischen Gesichtspunkten passt. Ich finde,
das ist entlarvend; denn daran wird deutlich, dass Sie nicht genau genug hinschauen.
In Ihrem Statusbericht gehen Sie davon aus, dass - den Ausstieg aus der Kernenergie
unterstellt - in circa zehn bis 13 Jahren der Fokus auf einer vermehrten Kohlenutzung,
auf einer Verdopplung des Gasverbrauchs und auf einer Verdoppelung des Einsatzes erneuerbarer
Energien liegen wird. Sie müssen natürlich auch die Frage beantworten, wie
Sie das Thema Klimaschutz - ich habe es bereits angesprochen - in diesem Mix berücksichtigen
wollen. Was die erneuerbaren Energien betrifft, ist das okay. Auch wir wünschen
uns in diesem Bereich eine Förderung, und zwar nach einem differenzierten Mengenziel,
das wir festzulegen haben. Sie lassen das aber offen.
Es fehlt ein energiepolitisches Gesamtkonzept, für dessen Erarbeitung Sie sich
jetzt noch fast zwei Jahre lang Zeit lassen wollen.
(Ernst Burgbacher (FDP): Sehr wahr! Leider!)
Ich finde, diese Zeit haben wir nicht mehr. Wir sind gebeutelt von Arbeitslosigkeit,
von höchsten Energiekosten und von Rahmenbedingungen, die weit entfernt sind
von dem, was wir uns unter Wettbewerb und Markt vorstellen. Daran hat natürlich
auch die frühere rot-grüne Bundesregierung ihren Anteil. Die neue rot-schwarze
Regierung setzt diese Politik im Augenblick schlicht fort. Ich kann in diesem Bereich
keine neuen Entwicklungen feststellen.
(Beifall bei der FDP)
Die Fragen, um die es geht, liegen auf dem Tisch und die Antworten sind nahe liegend.
Aber Sie geben sie nicht. Sie streiten sich untereinander und schieben sich gegenseitig
die Karten zu. Sie wollen nachdenken und strategische Überlegungen anstellen.
Dabei müssten Sie dringend Antworten geben, und zwar solche, die Sie im Konsens
gefunden haben.
Wir als FDP-Bundestagsfraktion haben in dieser Woche ein energiepolitisches Grundsatzpapier
verabschiedet, das zukunftsweisend ist. Darin befassen wir uns mit der internationalen
Energiepolitik, beleuchten den gesamten Energiemix ohne ideologische Vorgaben,
(Zuruf von der SPD: Mensch! Donnerwetter!)
und behandeln Umweltschutz, Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und die Minderung
von Importabhängigkeiten als gleichrangige Ziele. Wir stellen also weder bestimmte
Ziele in den Vordergrund noch rücken wir andere Ziele in den Hintergrund.
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Kopp, davon hätte ich
gerne ein handsigniertes Exemplar!)
Ich empfehle Ihnen dringend, sich ausgiebig mit unserem energiepolitischen Grundsatzpapier
zu befassen.
(Vorsitz: Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt)
Denn, Herr Staatssekretär Schauerte, wir haben nicht die Zeit, zwei weitere Jahre
in Arbeitskreisen zu diskutieren. Sie wissen ja: Wenn man nicht mehr weiter weiß,
dann gründet man einen Arbeitskreis. Sie gründen sogar drei Arbeitskreise.
Handeln Sie! Treffen Sie Ihre Entscheidungen! Wir brauchen energiepolitische Leitlinien,
in denen die Energiepolitik als das dargestellt wird, was sie ist: als Standortpolitik.
Wirtschaftsminister Glos hat neulich gesagt,
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer? Glos? Wer ist das denn?)
die Energiepolitik sei nach seinem Verständnis die Hauptschlagader der gesamten
Wirtschaftspolitik.
(Ernst Burgbacher (FDP): Ja! In der Tat! Da hat er Recht!)
Wenn das so ist - auch wir sind dieser Meinung -, dann handeln Sie bitte auch dementsprechend
und verlieren Sie sich nicht in endlosen Diskussionszirkeln.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Michael Müller.
Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Energiepolitik ist ein Schlüsselthema
dieses Jahrhunderts, dessen Bedeutung weit über ökonomische Fragen hinausreicht.
Hierbei handelt es sich um den Schlüssel zur Sicherung des Friedens in der Welt
und zur Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen. Weil das so ist, ist es bei
diesem Thema unangebracht, parteipolitische Spielchen zu beginnen; dafür ist
es viel zu ernst.
Ich halte nichts davon, aus umfangreichen Berichten einen einzigen Satz herauszugreifen
und daran die Kritik festzumachen, Frau Kopp. Wenn Sie ehrlich gewesen wären,
hätten Sie ansprechen müssen, dass der Statusbericht über lange Passagen
den Klimaschutz zum Thema hatte. Wenn das nicht Umweltpolitik ist, dann weiß
ich nicht, was Umweltpolitik ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dieses Thema ist nicht dazu geeignet, die Schlachten von gestern zu schlagen. Es gibt
eine Mahnung der beiden großen Aufklärer Theodor Adorno und Max Horkheimer,
die immer wieder die Frage gestellt haben, ob die europäische Gesellschaft noch
die Kraft in sich hat, Fortschritt und Entwicklung möglich zu machen. Aus meiner
Sicht ist ihre Mahnung, dass in jeder modernen Gesellschaft immer auch der Keim des
Rückschritts steckt, richtig.
Es gibt kaum einen Bereich, in dem die Weichen so neu gestellt werden müssen
wie in der Energiepolitik. Die Grundfrage in der Energiepolitik, die wir klären
müssen, ist: Welches Verständnis von Zeit haben wir? Es gibt nämlich
zwei völlig unterschiedliche politische Strategien, je nach dem Verständnis
von Zeit: Wenn wir in der Energiepolitik zu dem Ergebnis kommen, dass wir uns den
aktuellen Zwängen anpassen müssen, kommen wir zu anderen Schlussfolgerungen,
als wenn wir vor allem von den großen Zukunftsherausforderungen ausgehen und
versuchen, frühzeitig Antworten zu geben. Ich plädiere für das Zweite,
weil ich glaube, dass die Veränderungen, die in den nächsten Jahren auf
uns zukommen, so gewaltig sind, dass kurzfristige Anpassungen wenig bringen werden.
Wir müssen die Energiepolitik aus ökologischen, aus ökonomischen und
aus friedenspolitischen Gründen neu ordnen, sonst wird sie immer mehr zur Achillesferse
der modernen Gesellschaft.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Lassen Sie mich das an drei Punkten deutlich machen: Erster Punkt. Im Augenblick nutzen
1,3 Milliarden Menschen ungefähr drei Viertel der kommerziellen Energie
und Rohstoffe. Nehmen wir an, dass Länder wie China, Indien und Brasilien - die
bevölkerungsreichsten Schwellenländer - in 35 Jahren das Wohlstandsniveau
erreichen, das heute Ungarn hat, dann bedeutet das eine Verdreifachung des Weltsozialprodukts.
Wenn man gleichzeitig andere Entwicklungen berücksichtigt - Wachstum der Industrieländer,
der anderen Länder, Bevölkerungswachstum - ist es eine Verfünffachung.
Es ist eine Illusion, zu glauben, dass diese Herausforderung mit der heutigen Energieversorgung
lösbar ist - es ist schlicht eine Illusion. Im Gegenteil: Die Länder, die
auf diese Herausforderungen frühzeitig eine Antwort geben, werden in der Zukunft
am besten dastehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die zweite große Herausforderung ist der Klimawandel. Wir wissen in der Zwischenzeit,
dass die größten Veränderungen im Klimasystem nicht in den tropischen
und subtropischen Breiten - obwohl es da schlimm genug ist -, sondern in den nordpolaren
Regionen stattfinden; dort ist die Klimasensibilität am höchsten. Beispielsweise
beträgt die Erwärmung im Weltdurchschnitt etwa 0,7 Grad, aber über
Grönland erreicht sie schon fast 3 Grad. Die Vereinten Nationen gehen davon
aus, dass die Erwärmung bis zum Ende dieses Jahrhunderts im Durchschnitt 2,5 Grad
beträgt. Das bedeutet in der Konsequenz: Über Grönland wird eine Erwärmung
von mehr als 12 Grad zu befürchten sein. Was das wegen der Veränderungen
in den Meeressystemen bedeutet, kann man sich gar nicht ausmalen!
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich glaube, wir brauchen
doch den Gabriel!)
Die Konsequenz daraus kann nur ein Umbau des Energiesystems sein; darüber ist
intensiv zu reden. Das wiederum ist eine Frage unseres zeitlichen Verständnisses.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dritter Punkt: Die Zeit der billigen Energie ist vorbei. Es sind Leute wie James Schlesinger
und Henry Kissinger, die uns vor drohenden Ressourcenkriegen warnen, wenn nicht vor
allem die Industrieländer einen anderen Umgang mit Energie pflegen. Das sind
doch die Herausforderungen der Zukunft, denen wir uns stellen müssen!
Deshalb geht es um unser zeitliches Verständnis von Energiepolitik. Ein Teil
dieses Hauses kennt nur die Anpassung an aktuelle Zwänge. Aber das kann nicht
die Lösung sein. Energiepolitik muss heißen, die Infrastruktur der Zukunft
möglichst früh zu entwickeln. Energie sparen: Effizienzsteigerung und erneuerbare
Energien. Das sind die Antworten, die von der großen Koalition gemeinsam geben
werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich will auf einen interessanten Punkt hinweisen: Es waren im Wesentlichen die Fraktionen
von CDU/CSU und SPD, die 1990 das große Klimaschutzziel 25 Prozent weniger
CO2-Ausstoß entwickelt haben.
Ich sage: Ganz egal, wie man die Koalition einschätzt, sie ist verpflichtet,
erfolgreich zu sein, weil das schon aufgrund der Konstellation notwendig ist.
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein, nein!)
- Ja, doch. Man sollte über den Tellerrand hinausschauen. Für die Demokratie
ist es wichtig, dass diese Koalition erfolgreich ist. - Wenn wir es schaffen - gerade
in der Energiepolitik -, ein Zeichen nach vorne zu setzen und eine Entwicklung einzuleiten,
die überall in der Welt vorbildlich ist, dann hat sich diese Koalition gelohnt.
Dafür setzen wir uns ein.
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hätte die SPD
ja schon vor Jahren merken können!)
- Liebe Renate Künast, dazu möchte ich einmal etwas Deutliches sagen: Es
ist ja schön und gut, dass sich die Grünen immer um das Thema erneuerbare
Energien gekümmert haben - übrigens nicht allein -,
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das meine ich doch gar
nicht!)
aber es wäre sehr viel schöner gewesen, wenn sich die Grünen beispielsweise
auch sehr viel mehr des Themas Effizienz angenommen hätten. Hier war nämlich
die große Schwachstelle. Reden wir also darüber. Das wisst ihr doch auch
ganz genau.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU - Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Also bitte, was ist denn mit dem Emissionshandel?)
- Auch beim Emissionshandel hätten wir manche Weichen anders stellen können.
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Clement!)
Auch das weiß Jürgen Trittin besser, als er es hier sagt.
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit eurem Werner Müller?)
- Wenn ich darauf hinweisen darf: Er war in den letzten drei Jahren nicht in der Regierung.
- Lasst uns bitte nicht die Schlachten von gestern schlagen.
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was tut die Regierung? - Renate
Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was macht ihr denn jetzt?)
Ich will, dass diese Zukunftsherausforderungen im Zentrum stehen. Die Reaktion der
Grünen scheint mir eher die zu sein, dass sie Angst haben, ein Thema zu verlieren.
(Beifall der Abg. Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU))
Das scheint mir der Punkt zu sein. Das ist diesem Thema nicht angemessen. Lasst uns
bitte gemeinsam in die Zukunft schauen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich glaube, dass es vor allem um vier zentrale Punkte geht:
Erstens. Der Austausch von Energieträgern als Energiepolitik ist nicht ausreichend.
Die entscheidende Frage ist, unter welchen Rahmenbedingungen wir so schnell wie möglich
mehr einsparen sowie eine höhere Effizienz schaffen und schneller erneuerbare
Energien entwickeln können.
(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sagt doch mal was zum
Emissionshandel und zum Verkauf der Zertifikate!)
Genau diese Fragen müssen ins Zentrum rücken und nicht der Austausch eines
Energieträgers durch den anderen. Die Frage lautet: Wie können diese Ziele
optimal erreicht werden? Das geschieht nicht durch immer mehr Energieeinsatz, sondern
der intelligente Einsatz von Energie ist die entscheidende Herausforderung.
Zweiter Punkt: unser Vorangehen beim Klimaschutz. Das ist die zentrale Zukunftsherausforderung.
Die Welt schaut dabei auf Europa. Was in Europa geschieht, wird die Welt prägen.
Dritter Punkt. Wir müssen die Energiepolitik immer mehr als Energieaußenpolitik
begreifen. An der Frage des Energieeinsatzes wird sich die Sicherheit der Welt entscheiden.
Auch hier ist entscheidend, was Europa tut. Der Gedanke, das technologisch starke
Westeuropa mit dem Rohstoffriesen Russland im Sinne einer intelligenten Kooperation
für die Welt zusammenzubringen, ist eine große Vision, die wir voranbringen
sollten. Ich finde, auch hier war die Diskussion in den letzten Wochen im Verhältnis
zur großen Bedeutung dieses Themas kleinkariert. Ich glaube nicht, dass uns
das voranbringt.
(Beifall bei der SPD - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zur
Größe von Michael Müller!)
Lassen Sie mich noch den vierten Punkt nennen. Wir müssen auch den historischen
Fehler überwinden, zu meinen, dass sich die Stärke eines Landes vor allen
Dingen an der Arbeitsproduktivität orientiert. Energie- und Ressourcenproduktivität
sind zentrale Wettbewerbsfaktoren in der Zukunft. Dadurch wird der Fehler überwunden,
dass bei einem schwächer werdenden Wachstum immer mehr Menschen durch Technik
ersetzt werden. Wir schaffen eine Produktivität, durch die auch mehr Arbeit möglich
wird.
Das sind vier Herausforderungen, die wir mit der Energiepolitik verbinden. Lasst uns
deshalb nach vorne schauen. Wir führen nicht die Schlachten der Vergangenheit,
sondern wir sehen vor allem die Herausforderungen der Zukunft und wir wollen Antworten
geben, die umweltverträglich, wettbewerbsfähig und kostengünstig sind.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU - Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Wir wissen jetzt, was Regieren heißt! Wir dachten immer, Regieren
heißt Antworten geben und nicht nur Fragen stellen! - Fritz Kuhn (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Das war eine Nullemission! - Renate Künast (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Da muss man sich nur einmal die ganzen SPD-Bundesländer
dazu ansehen!)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Als Nächster hat der Kollege Hans-Kurt Hill von der Linken das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der hinter
uns liegende Winter wird für uns alle teuer. Der Verbraucher zahlt bis zu 500 Euro
mehr für das Heizen und den Strom. Das ist für viele Haushalte ein halbes
Monatsgehalt. Und was tun die Energiekonzerne? Bei immer weniger Mitarbeitern verkünden
sie für das letzte Jahr natürlich Rekordgewinne.
EnBW und RWE haben insgesamt 14 000 Mitarbeiter entlassen. Andere Konzerne veranstalten
Übernahmen mit riesigen Summen: 29,1 Milliarden Euro will Eon für
die spanische Endesa berappen. Bezahlt wird das Ganze aus den Taschen der Verbraucher.
(Ulrich Kelber (SPD): Und Verbraucherinnen!)
- Natürlich auch der Verbraucherinnen. - Weitere Beispiele: 6 Milliarden Euro
pro Jahr steckt das Stromoligopol im Rahmen des Emissionshandels in die eigene Tasche.
18 Milliarden Euro zahlen die Kunden jedes Jahr allein für die Nutzung
der Stromnetze; aber nur 2 Milliarden Euro fließen davon in die Netze
zurück. Alles in allem kann man sagen: Die Energiekartelle ziehen den Bürgerinnen
und Bürgern ungeniert das Geld aus der Tasche.
Und was macht die Bundesregierung? Erstens. Sie erhöht die Mehrwertsteuer um
noch einmal 3 Prozentpunkte. Zweitens. Sie lädt die Energiebosse zum Gipfel
ein, auf dass alles besser werde. Ich bin der Meinung, das ist den Menschen im Land
nicht mehr zu vermitteln.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Energiegipfel bei Bundeskanzlerin Merkel am Montag letzter Woche hat das Bild
abgerundet. Man sitzt gemeinsam im sicheren Boot und lässt die Verbraucherinnen
und Verbraucher schwimmen. Mein Respekt gilt an dieser Stelle Edda Müller vom
Verbraucherzentrale Bundesverband. Sie vertrat als Einzige die 39 Millionen privaten
Haushalte mit Bravour.
(Beifall bei der LINKEN)
Machen wir uns nichts vor: Die Gästeliste spiegelt wider, wohin die Reise geht,
nämlich zurück in die fossil-atomare Steinzeit. Wenn die Kanzlerin keine
andere Energiepolitik will, dann sollte sie uns das sagen und nicht so einen Zirkus
veranstalten.
Die Investitionszusage der Konzernbosse ist unserer Meinung nach eine Mogelpackung.
Die 30 Milliarden Euro waren schon lange vor dem Energiegipfel fest eingeplant,
und zwar für die Ersetzung der maroden Kohleblöcke bzw. für die Neubauten,
die von Umweltminister Gabriel über den Emissionshandel subventioniert werden.
Hinzu kommt: Kein einziger Arbeitsplatz wird geschaffen. Die neuen Kraftwerke ersetzen
zwar die alten Dreckschleudern, werden aber nur mit einem Viertel des Personals betrieben.
Das bestätigen sogar die RWE-Betriebsräte. Dass die Großen der Branche
die Investitionen nur in Aussicht stellen, darf sicherlich als Drohkulisse für
die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken verstanden werden; denn da kann
man richtig verdienen: 300 Millionen Euro zusätzliche Einnahmen pro
Jahr beschert die Verlängerung der Laufzeit eines einzigen Atomkraftwerkes.
Die Branche der erneuerbaren Energien leistet als Einzige einen echten Beitrag für
eine zukünftige Energieversorgung. Der Anteil von Energie aus Sonne, Wind, Wasser,
Biomasse und Erdwärme soll in den nächsten 14 Jahren auf 20 Prozent
steigen. Das bedeutet: Durch den steigenden Anteil dieser heimisch erzeugten Energie
nimmt die Versorgungssicherheit zu. Mehr erneuerbare Energien entlasten die Geldbeutel
der Verbraucher. Sie fangen die hoch drehende Preisspirale bei Öl und Gas auf.
Die CO2-Einsparung wird jährlich 270 Millionen Tonnen betragen. Bis 2020
werden 330 000 neue Arbeitsplätze entstehen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Es ist aber zu fragen, ob sich die erneuerbaren Energien tatsächlich durchsetzen
können. Zurzeit werden sie vom Energiekartell behindert, sei es beim Anschluss
ans Netz, sei es durch unzureichenden Ausbau der Stromtrassen, um zum Beispiel Windstrom
einzuspeisen. Die CDU/CSU stimmt in diesen Chor kräftig mit ein. Die erste Strophe
des Liedes lautet, das EEG müsse abgeschafft werden. Die zweite Strophe - wen
wundert's - heißt, Atomkraftwerke müssten länger laufen. Eine derart
ideologische Polemik hat nun wirklich nichts mit einer vernünftigen Energiepolitik
zu tun.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Für eine bezahlbare, klimafreundliche und sichere Energieversorgung müssen
Sie schon etwas mehr tun: erstens Energieeinsparung durch einen klaren ordnungsrechtlichen
Rahmen, zweitens Umschalten auf erneuerbare Energien und drittens schnellstmöglicher
Ausstieg aus der gefährlichen Atomwirtschaft.
Unser Fazit: Die Energiewende fällt wegen Stillstand aus und die Zeche zahlen
die Bürgerinnen und Bürger. Das ist der Gipfel!
Danke.
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Das Wort hat der Kollege Franz Obermeier, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Franz Obermeier (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nahtlos an die Rede
des Parlamentarischen Staatssekretärs Müller anschließen.
(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das wird Herrn Müller
besonders freuen! - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da sind
ja die Richtigen zusammen!)
Denn er hat den Kern der gesamten Problematik exakt getroffen, indem er die Analyse
der globalen Herausforderung der vergangenen Jahre noch einmal erläutert und
uns deutlich gemacht hat, was wir in Zukunft in Europa am globalen Energiemarkt zu
erwarten haben.
Im Kontrast dazu stand die Rede der Kollegin Künast, die den Blick wieder auf
eine rein nationale Diskussion der Fragen verengt hat, die wir schon in den vergangenen
Jahren mit fatalen Folgen für das Land aus einer nationalen Betrachtungsweise
hin- und hergewendet haben. Sie haben von einer Blockade gesprochen, Frau Künast.
Das stimmt, es gab eine Blockade Ihrerseits für Investitionen in die richtige
Richtung. Es gab aber unsererseits keine Blockade bei den erneuerbaren Energien, speziell
bei der Windkraft.
Die Politik hinsichtlich der gesamten Energieversorgung in der Bundesrepublik Deutschland
ist durch die grüne Ideologie in eine völlig falsche Richtung gegangen.
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was? Sie führen unsere
Politik doch weiter!)
Jetzt kommt es durch die Initiative der Bundeskanzlerin Gott sei Dank zu einer Diskussion,
die in erster Linie von Ideologiefreiheit geprägt ist.
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie brauchen doch Herrn
Müller, damit er Ihnen erzählt, was draußen los ist!)
Diese ist auch dringend notwendig, um unsere Ziele zu erreichen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Frau Künast, Sie haben die Verbraucher angesprochen. Was die Energiekosten für
die Verbraucher angeht, waren es doch die Grünen, denen die beim Endverbraucher
anfallenden Kosten nicht hoch genug sein konnten. Diese Linie haben Sie immer verfolgt.
Jetzt aber präsentieren Sie sich als die großen Heilsbringer.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung, Frau Künast. Sie haben den mangelnden
Wettbewerb in Deutschland angesprochen. Warum haben Sie in den vergangenen Jahren
nichts unternommen, um nach 1998 den Wettbewerb im Stromsektor zu erhalten? Er ist
nämlich deshalb nicht erhalten geblieben, weil Sie die Gesetzgebung nicht entsprechend
nachjustiert haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Das war die SPD!)
Noch ein Punkt, Frau Künast: In der Tat - darin stimmen wir zufällig überein
- kann der Energieverbrauch in der Bundesrepublik Deutschland halbiert werden. Darin
gebe ich Ihnen Recht. Aber das geht mit einer Deindustrialisierung und dem Abbau von
Arbeitsplätzen in der Bundesrepublik Deutschland einher. Dann haben Sie Ihr Ziel
erreicht. Ihre Politik scheint mir nämlich nach wie vor in eine Richtung zu führen,
durch die Arbeitsplätze verloren gehen und noch mehr profitable Industrieunternehmen
aus Deutschland vertrieben werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Was mit dem Energiegipfel eingeleitet wurde, deutet einwandfrei in die richtige Richtung.
Es ist längst ein Generalkonzept für die Bundesrepublik Deutschland und
Europa mit Blick auf die globale Entwicklung überfällig. Deswegen sollten
wir der Bundesregierung danken, dass sie die Dinge jetzt in die Hand genommen hat.
(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die interessiert sich
aber nicht dafür, was Sie hier erzählen! - Renate Künast (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Welche Bundesregierung? Gucken Sie mal zur Regierungsbank! Sie
haben gar keine Bundesregierung!)
Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt hinweisen. Bei allen Entwicklungen der
vergangenen Jahre war nicht alles falsch. Aber der ökologische Aspekt wurde nicht
im gleichen Maße wie der ökonomische und der soziale Aspekt berücksichtigt.
Vor dem Hintergrund der globalen Herausforderung
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die gab es aber schon vor
zehn Jahren!)
muss jetzt beispielsweise beim Zertifikatehandel zur CO2-Minderung ein globaler Ansatz
verfolgt werden. Wir als CDU/CSU-Fraktion werden uns weiter für eine effiziente
CO2-Minderung dergestalt einsetzen, dass wir unsere Mittel weltweit möglichst
effizient zugunsten des bestmöglichen Abbaus von Emissionen verwenden.
(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann sollten Sie die Zertifikate
versteigern, Herr Obermeier! - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ja! Weltweit Zertifikate versteigern!)
Die Blockade eines grünen Umweltministers, was JI und CDM im Allgemeinen betrifft,
gehört Gott sei Dank der Vergangenheit an.
Ich bedanke mich bei der Bundeskanzlerin dafür,
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die ist doch gar nicht
da!)
dass sie die Initiative ergriffen hat. Sie wird mit Sicherheit Erfolg haben, wenn
wir im Laufe dieses Jahres bzw. Anfang nächsten Jahres in die Diskussion eintreten
werden.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Für Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Hans-Josef Fell.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär
Müller, Sie wollen die Herausforderungen Klimaschutz und Versorgungssicherheit
in den Mittelpunkt stellen; das ist richtig. Aber bislang reden Sie nur davon. Haben
Sie noch nicht gemerkt, dass Sie in der Regierung sind, dass Sie Antworten liefern
müssen und nicht nur Fragen stellen können?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Warum haben Sie die zentralen Fragen, die Sie zu Recht gestellt haben, nicht in den
Mittelpunkt des Energiegipfels gestellt? Das ist Ihr Versäumnis.
(Parl. Staatssekretär Hartmut Schauerte: Haben wir doch! Sie waren doch gar
nicht dabei!)
Wir müssen Antworten geben, und zwar andere als die auf dem Energiegipfel. Stattdessen
schieben Sie uns, den Grünen, die wir in der letzten Wahlperiode eine erfolgreiche
Energiepolitik gemacht haben, noch etwas in die Schuhe, was nichts anderes als eine
falsche Behauptung ist. Sie sagen, wir hätten die Effizienz nicht gesteigert.
Wer hat denn die von uns ständig gestellten Anträge auf Erhöhung der
Mittel für das Altbausanierungsprogramm sowohl im Haushaltsausschuss als auch
im Plenum des Bundestages abgelehnt? Sie von der SPD.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich bin gespannt, ob Sie in Zukunft den Anstieg der Gewinne der Energiekonzerne durch
kostenlose Emissionszertifikate endlich stoppen werden und den Mut haben, in ein Versteigerungsverfahren
einzusteigen, anstatt wie bisher die Zertifikate zu verschenken. Wir warten gespannt
auf Ihre Antworten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Energiegipfel ist ein Gipfel der verpassten Chancen. Statt Antworten zu geben,
haben Sie von der SPD an der klimaschädlichen Kohle und Sie von der Union an
der problematischen Kernenergie festgehalten.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wo sind Ihre Antworten auf die gesellschaftlich relevanten Fragen, etwa wie man in
Zukunft seine Wohnung bezahlbar beheizen kann - das ist für sozial Schwache inzwischen
zu einem zentralen Problem geworden - oder wie man den vielen Menschen in den ländlichen
Räumen helfen kann, die bald nicht mehr die Kosten für die Autofahrt zu
ihrem Arbeitsplatz aufbringen können, weil die Rohölpreise ständig
steigen? Wir haben keine Antworten gehört.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie haben nur über Strom geredet, nicht aber über Heiz- oder Treibstoffe.
Oder die steigenden Strompreise: Alle wissen - die Spatzen pfeifen es bereits von
den Dächern -, dass der durch die Energiekonzerne verhinderte Wettbewerb die
Strompreise ständig weiter nach oben treibt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Sie sind auch hier Antworten schuldig geblieben und haben weiterhin Konzernpolitik
gemacht.
Oder wo geben Sie Antworten, wenn es um die steigenden Ausgaben und die fehlenden
Einnahmen im Bundeshaushalt geht? Wir haben nichts von Ihnen dazu gehört, wie
Sie die Kohlesubventionen reduzieren wollen, um den Haushalt zu sanieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir haben von Ihnen nicht gehört, dass Sie endlich ökologisch schädliche
Subventionen abbauen wollen. Wo sind denn Ihre Antworten auf die Fragen nach einer
Flugbenzinbesteuerung, einer Schiffdieselbesteuerung und einer Besteuerung der Rückstellungen
für die Atomkraftwerke? Wenn Sie über fehlende Haushaltseinnahmen sprechen,
dann schlagen Sie plötzlich eine Besteuerung der Biokraftstoffe vor. Dabei sind
diese Kraftstoffe eine der großen Zukunftshoffnungen auf bezahlbare Energiepreise
für die Bürger und Gewährleistung der Versorgungssicherheit durch heimische
Energieträger.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mit der von Ihnen geplanten Mehrwertsteuererhöhung werden Sie stattdessen den
Bürger mit etwa 120 Euro für Strom, Heizung und Treibstoffe pro Haushalt
stärker belasten. Meine Damen und Herren von der großen Koalition, das
sind keine Antworten auf die gestiegenen Energiepreise.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Außerdem sind Sie eine Antwort auf den Atomstreit schuldig geblieben. Kanzlerin
Merkel hat ihn einfach weitertreiben lassen, obwohl im Koalitionsvertrag alles klar
festgelegt ist. Das ist ein großes Problem; denn diese Hängepartie beim
Atomausstieg wird weitergehen. Sie wird ein Investitionshemmnis sein. Wir werden nach
2009 möglicherweise noch immer nicht wissen, wie es weitergeht, ob die Branche
der erneuerbaren Energien ihr Versprechen halten kann, in den nächsten 15 Jahren
200 Milliarden Euro zu investieren.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn wenn Sie an der Atomenergie festhalten und es zulassen, dass neue fossile Kraftwerke
gebaut werden, dann wird das Volumen für den Ausbau der erneuerbaren Energien
und die Nutzung von Effizienzmöglichkeiten verringert. Dann wird zu viel Strom
auf dem Markt sein und Chancen für die Schaffung von Arbeitsplätzen und
für Investitionen werden nicht mehr gegeben sein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dagegen hängen Sie sich an die uralten Versprechungen der Stromwirtschaft, die
da 20 Milliarden Euro in fossile Kraftwerke zu investieren verspricht. Das hatte
sie schon lange versprochen. Auch die 10 Milliarden Euro für die Netze sind
nichts Neues.
Kommen wir zum Schluss noch zur Forschung. 2 Milliarden Euro mehr wollen Sie
für die Energieforschung ausgeben. Ich bin gespannt, ob Sie dieses Versprechen
zwischen der ersten Beratung des Bundeshaushaltes und der zweiten Beratung durch Änderungsanträge
von Ihnen in den Ausschüssen und im Plenum einhalten. Wenn nicht, dann wäre
das ein leeres Versprechen. Denn was jetzt im Haushalt steht, das wissen wir. Wenn
die 2 Milliarden Euro neues Geld sein sollen, dann müssen sie auch auftauchen.
Dabei müssen wir auch wissen, wofür das Geld ausgegeben wird.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Heute wird in der "FAZ" Bundesministerin Schavan zitiert. Sie hat angekündigt,
dass im Atombereich nicht nur für Sicherheits- und Endlagerforschung bezahlt
werden soll, sondern auch für die Erforschung notwendiger Energiegewinnung aus
Kernkraftwerken. Damit ist die Katze aus dem Sack: Sie wollen neue Atomkraftwerke
in diesem Staat. Das werden wir zu verhindern wissen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Klaus Uwe Benneter
(SPD))
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Das Wort hat der Kollege Rolf Hempelmann, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Rolf Hempelmann (SPD):
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Fell, man muss irgendetwas
haben, wogegen man kämpfen kann. Deswegen haben Sie jetzt die Mär von den
neuen Atomkraftwerken erfunden. Aber wir werden Ihnen das nicht durchgehen lassen.
Weder die CDU/CSU noch die SPD hat ein solches Ziel formuliert. Es steht auch nicht
auf einer "hidden agenda". Sie können sich gerne politische Gegner suchen. Aber
jedenfalls an dieser Stelle ist das fehl am Platz.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, die Grünen haben diese Aktuelle Stunde zum Energiegipfel
gefordert. Sie haben - das ist aus den Wortbeiträgen deutlich geworden - große
Erwartungen an diesen Gipfel geknüpft, die jetzt offenbar enttäuscht worden
sind. Wir dürfen diese großen Erwartungen als Kompliment empfinden. Wir
selbst haben so große Erwartungen, dass nämlich sofort, auf einen Schlag
und an einem Tag Lösungen präsentiert werden, nie gehabt.
(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich gestehe, wir haben
uns getäuscht!)
Das war eine eher naive und insofern - ich unterstelle Ihnen ja nicht Naivität
- vorgeschobene Erwartung.
(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihnen etwas zuzutrauen,
ist in der Tat naiv!)
Es geht darum, einen Auftakt zu organisieren - das ist gelungen -, einen Prozess hin
zu einem Energieprogramm. Man muss eingestehen: Das haben wir beide zusammen jedenfalls
nicht zustande gebracht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dieser Auftakt ist gelungen.
Eben ist behauptet worden, es seien nur die Energieversorgungsunternehmen eingeladen
worden. Das ist natürlich völliger Unsinn. Genauso sind auch die energieverbrauchende
Seite, die Wissenschaft und eigentlich alle, die mit Energiewirtschaft oder -verbrauch
oder überhaupt mit der breiten Verbraucherschaft zu tun haben, eingeladen worden.
Ich glaube, das kann man durchaus an den Ergebnissen und an den Diskussionsthemen
ablesen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es ist eben nicht nur über Versorgungssicherheit gesprochen worden. Es ist auch
über Umweltverträglichkeit und über Preiswürdigkeit gesprochen
worden - wie gesagt, nicht mit unmittelbaren Ergebnissen bei allen Themen.
Unsere Fraktion begrüßt die Investitionsankündigungen sowohl für
den konventionellen Kraftwerkspark als auch für die erneuerbaren Energien und
für die Netze. Ich diffamiere das nicht, wie es einige Redner getan haben. Es
ist auch Unsinn, wenn Sie, Herr Fell, behaupten, dass Investitionen in konventionelle
Kraftwerke dazu führten, dass Investitionen in erneuerbare Energien unterblieben.
Immerhin sind für beide Bereiche Ankündigungen auf dem Gipfel erfolgt. Sie
werden nicht behaupten, dass die Ankündigungen der Unternehmen im Bereich erneuerbarer
Energien unseriös gewesen seien.
(Beifall der Abg. Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU))
Diese Investitionsankündigungen sind schon deshalb zu begrüßen, weil
sie die Knappheit im Energie- und gerade auch im Stromangebot verringern werden. In
erster Linie Knappheit verursacht hohe Preise und nichts anderes.
Jenseits dieser Investitionsankündigungen ist es notwendig, dass der Prozess
hin zu einem Energieprogramm jetzt auch unter Beteiligung der Fraktionen organisiert
wird.
Es wird Zeit, dass wir sozusagen mit an Bord kommen. Außerdem ist wichtig, dass
die Politik die notwendigen Rahmenbedingungen schafft, damit diese Investitionen keine
Ankündigungen bleiben, sondern tatsächlich stattfinden.
Wir brauchen sehr bald ein Planungsbeschleunigungsgesetz - es ist in Arbeit und wir
werden es auch vorlegen -, das diesen Namen verdient.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Wir brauchen zügig die Einigung zum NAP II - das ist auch ein Stück
weit Appell an die beiden Ministerien -, damit wir als Parlament unseren Beitrag leisten
können. Nach der Sommerpause brauchen wir natürlich auch die Verordnung
zur Anreizregulierung; denn nur über mehr Wettbewerb - das ist das Ziel der Anreizregulierung
- werden wir letztlich das Ziel erreichen, zu sinkenden Strom- und Energiepreisen
zu kommen.
Es ist wunderbar, ein Feindbild zu haben. Es ist wunderbar, immer auf den großen
Unternehmen herumzuhacken. Zum Teil haben sich diese Unternehmen die Kritik ehrlich
erarbeitet. Manchmal trifft man durchaus die richtigen dabei. Aber es ist eine grobe
Vereinfachung, so zu tun, als wenn allein die Beschimpfung der Großen oder der
eine oder der andere Nadelstich an der einen oder an der anderen Stelle die Realität
hoher Energiepreise verändern würde. Wir werden sie nur durch mehr Wettbewerb
verändern.
(Beifall der Abg. Marie-Luise Dött (CDU/CSU))
Da sind insbesondere die von uns gegründete Bundesnetzagentur und natürlich
auch die Politik in Form des Verordnungsgebers Bundesregierung - die Federführung
liegt beim Wirtschaftsministerium - gefordert.
Ich bin optimistisch, dass wir die notwendigen Schritte gehen. Ich verstehe die Ungeduld
der Grünen, die daraus resultiert, dass sie schnelle Ergebnisse wünschen.
Aber auch wir haben eine gewisse Zeit für das Energiewirtschaftsgesetz und für
die Installation dieser Behörde gebraucht. Jetzt sollten wir in der Lage sein,
so viele Monate zu warten, wie gebraucht werden, um Wettbewerb zur Realität zu
machen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Als Nächstes spricht Katherina Reiche, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Katherina Reiche (Potsdam) (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Energiegipfel hat die
Bundesregierung den Startschuss zur Erarbeitung eines energiepolitischen Gesamtkonzepts
gegeben. Das Ziel ist, eine bezahlbare, eine sichere, eine wettbewerbsfähige
und eine umweltfreundliche Energieversorgung bis zum Jahr 2020 sicherzustellen.
(Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das kann ja dauern!
Jetzt wird bald mit der Erarbeitung begonnen! Der Beginn der Erarbeitung steht kurz
bevor!)
Die Betonung liegt auf "bis zum Jahr 2020". Das heißt, wir planen weit über
diese Legislaturperiode hinaus.
In meinen Augen war der Energiegipfel ein Erfolg; denn es ist gelungen, in einen sachlichen
Dialog über die Energiepolitik in unserem Land einzusteigen.
(Marie-Luise Dött (CDU/CSU): Das tut uns gut!)
Herr Fell, das ist Gegenteil von dem, was zu Zeiten Ihrer Regierungsbeteiligung passiert
ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Alte Grabenkämpfe, also das Ausspielen eines Energieträgers gegen den anderen,
das Ausspielen von Umwelt gegen Wirtschaft, von Erzeuger gegen Verbraucher, haben
bei diesem Gipfel Gott sei Dank keine Rolle gespielt. Ich finde, das ist ein gutes
Zeichen und es ist eine gute Grundlage für die weitere Arbeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Investitionszusagen, die auf dem Energiegipfel gemacht wurden, finde ich sehr
begrüßenswert. Wie wir wissen, reichen Zusagen allein nicht aus. Diese
Zusagen implizieren natürlich auch die Pflicht, Investitionen folgen zu lassen.
Wir haben einen Investitionsstau zu verzeichnen, sowohl im Kraftwerksbereich als auch
bei den Netzen. Der Kraftwerkspark in Deutschland ist ein wenig in die Jahre gekommen.
Er muss modernisiert werden. Wenn wir tatsächlich die effizientesten und modernsten
Kraftwerke entwickeln wollen, dann ist der anstehende Erneuerungsbedarf nicht zu übersehen.
Aber es geht nicht nur darum, alte Kraftwerke zu ersetzen, sondern auch darum, neue
zu bauen. Wir brauchen zusätzliche Stromkapazitäten im Markt, damit die
Preise bezahlbar bleiben und damit der dringend notwendige Wettbewerb gestärkt
wird.
Das Ganze ist aber keine Einbahnstraße. Wenn wir von der Wirtschaft erwarten,
dass sie investiert, dann erwartet die Wirtschaft von uns zu Recht Verlässlichkeit,
also eine Energiepolitik, die es ihr gestattet, wettbewerbsfähig zu bleiben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich freue mich, dass auf dem Energiegipfel Investitionszusagen für die erneuerbaren
Energien gemacht wurden. Das ist ein ganz wichtiges Signal dafür, dass sich die
Förderung der erneuerbaren Energien für den Wirtschaftsstandort Deutschland
auszahlt. Bei den erneuerbaren Energien liegt - das ist heute mehrfach betont worden
- ein enormes Innovations-, Wachstums- und Beschäftigungspotenzial. Sie werden
uns mit Sicherheit helfen, unsere Importabhängigkeit langfristig zu verringern.
Sie leisten einen positiven Beitrag zum Klimaschutz.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Richtig ist aber auch, dass es noch weiterer Anstrengungen und technischer Fortschritte
bedarf, weil die erneuerbaren Energien momentan noch nicht ohne Förderung am
Markt bestehen können. Deshalb müssen wir in Forschung und Entwicklung mehr
tun.
Herr Kollege Fell, es ist eine bemerkenswerte Zusage der Bundesregierung, finde ich,
in den Bereichen Forschung und Innovation sowie Energieforschung 30 Prozent mehr
auszugeben.
(Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir wollen mal sehen, ob das
realisiert wird! - Gegenruf von der SPD: Und für was!)
Wir reden hier immerhin von 2 Milliarden Euro bis 2009. Wenn das kein wichtiges
und deutliches Signal ist, Herr Kollege Fell, dann weiß ich nicht. In Ihrer
Regierungszeit zumindest haben wir auf solche Zusagen warten müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir müssen in der Sicherheitsforschung und bei der Energieeffizienz vorankommen.
Wir müssen Ressourcen und Energie intelligenter nutzen.
Herr Kollege Fell, ich möchte Sie noch ein weiteres Mal ansprechen. Sie haben
gesagt: Angela Merkel hat den Streit über das Thema Kernkraft beiseite gelassen
und hat dieses Thema nicht aufgenommen. - Das ist falsch. Sie hat sehr wohl darauf
hingewiesen, dass das, was im Koalitionsvertrag steht, gilt, nämlich dass es
einen Dissens gibt.
Erlauben Sie mir den folgenden Hinweis: Wenn der Kernenergieanteil an der Stromversorgung
derzeit 30 Prozent beträgt, dann kann man schlechterdings nicht ausblenden,
dass es so ist, wie es ist, weil wir - da wiederhole ich, was ich am Anfang meiner
Rede schon gesagt habe - über die nächsten 25 Jahre reden müssen.
Wenn man die Strategie, die die Bundesregierung verfolgt, auf wenige Worte zusammendampfen
müsste, dann würde sie lauten: Es geht im Kern um fünf Dinge: um Energiemärkte
und Wettbewerb, um Erneuerung bei den Kernkraftwerken, um Effizienzsteigerung, um
Energieforschung und um erneuerbare Energien.
Von Henry Ford soll der Ausspruch stammen: Zusammenkunft ist ein Anfang, Zusammenhalt
ist ein Fortschritt und Zusammenarbeit ist der Erfolg. - Das möchte die Koalition.
Das wird diese Bundesregierung unter Beweis stellen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Als Nächstes hat das Wort der Kollege Frank Schwabe, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Marie-Luise Dött (CDU/CSU))
Frank Schwabe (SPD):
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid ist im letzten Jahr in Deutschland
leicht zurückgegangen. Das ist gut so. Weltweit befindet sich die CO2-Konzentration
aber auf einem Rekordniveau. Nur 1987 und 1998 gab es einen höheren Anstieg der
CO2-Emissionen.
Das war vor dem Energiegipfel so. Das ist leider auch nach dem Energiegipfel so. Dass
es aber nicht so bleibt, war eines der Ziele des Energiegipfels. Deswegen ist es gut,
dass es den Energiegipfel gegeben hat.
(Beifall bei der SPD)
Dass die Grünen natürlich relativ krabitzig Kritik üben, kann ich nachvollziehen;
dass sie versuchen, immer wieder einen Keil zwischen die Regierungsfraktionen zu treiben,
ist auch nachvollziehbar.
(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir sitzen als Keil
dazwischen! - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gut, dass Sie
es noch mal ansprechen!)
Aber glauben Sie mir: Das werden wir mit einer gewissen Gelassenheit hinnehmen, weil
wir wissen, für welche Energiepolitik wir eigentlich stehen. Wir werden auch
dafür sorgen, dass ein großer Teil dieser Energiepolitik umgesetzt wird.
Die Bundesregierung will bis Ende 2007 ein energiepolitisches Konzept für die
Zeit bis 2020 vorlegen, das - das ist schon gesagt worden - Versorgungssicherheit,
wettbewerbsfähige Energiepreise und wirksamen Klimaschutz miteinander verknüpft.
Im internationalen Klimaschutz gilt für Deutschland - die Notwendigkeit hat der
Herr Staatssekretär vorhin schon eindrucksvoll geschildert -, aber auch für
die anderen großen Kiotoländer: Wenn wir wollen, dass die anderen folgen,
müssen wir weiterhin mit gutem Beispiel vorangehen. Insbesondere für Deutschland
gilt hierbei: Wenn wir unserer Vorreiterrolle im internationalen Klimaschutz gerecht
werden wollen, dann müssen wir uns ehrgeizige Ziele setzen.
(Beifall bei der SPD)
Deshalb haben sich CDU, CSU und SPD bereits im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet,
eine Reduktion der CO2-Emissionen um mehr als 30 Prozent bis 2020 anzustreben,
wenn sich denn die EU insgesamt zu einer Reduzierung um 30 Prozent verpflichtet.
Dabei sollte uns die von der Energie-Enquete-Kommission des Bundestages in der letzten
Legislaturperiode geforderte Reduzierung um 40 Prozent bis 2020 und um 80 Prozent
bis 2050 als Wegmarke dienen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Auf dem Weg dahin brauchen wir einen Energiemix, der klimaschonend, sicher und eben
auch bezahlbar ist. Dazu gehören erneuerbare Energien, eine höhere Energieeffizienz,
eine stärkere Unabhängigkeit von Energieimporten, aber für eine bestimmte
Zeit - Sie müssen sonst die Frage beantworten, wie das anders gehen soll - eben
auch eine möglichst effiziente Nutzung der heimischen Stein- und Braunkohle.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Marie-Luise Dött (CDU/CSU))
Dabei ist die geplante Erneuerung des Kraftwerksparks sowohl wirtschaftlich als auch
klimapolitisch sinnvoll.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Allerdings muss die Errichtung solcher neuen Kraftwerke zwingend im Rahmen einer allgemeinen
Effizienz- und Einsparstrategie erfolgen.
Es ist, wie es ist. Die Atomenergie ist aus unserer Sicht nicht notwendiger Teil eines
modernen Energiemixes und sie wird auch nicht Teil des zukünftigen Energiemixes
sein, solange Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten Regierungsverantwortung tragen.
Da kann ich die Grünen beruhigen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Allein schon wegen der notwendigen Erneuerung des Kraftwerksparks macht der vereinbarte
Ausstiegsfahrplan Sinn, weltweit gesehen erst recht. Ich finde es geradezu rührend,
wie die Chefs der großen Energieversorger, vermeintlich aus Sorge um den Strompreis
und den Klimaschutz, für eine Verlängerung der Nutzung der Atomenergie eintreten,
wohl wissend, dass sie bei beiden Themen ganz andere Schlüssel in der Hand halten.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Angesichts des minimalen Anteils der Atomenergie am weltweiten Energieaufkommen wird
klar, dass die Atomenergie jedenfalls die Klimaproblematik nicht einmal im Ansatz
lösen wird.
(Dr. Karl Addicks (FDP): Steinkohle aber erst recht nicht!)
Apropos Strompreis - dazu ist gerade auch schon etwas gesagt worden -: In diesem Jahr
wird uns der Emissionshandel in besonderer Weise beschäftigen. Er muss so effizient
sein, dass wir das Kiotoziel der CO2-Senkung bis 2012 um 21 Prozent erreichen.
Es bleibt im Rahmen des Emissionshandels ein dauerhaftes Ärgernis, dass der Emissionshandel
dazu dient bzw. dazu genutzt wird, dass die großen Energieversorger sich zulasten
von Bürgerinnen und Bürgern sowie der Industrie die Taschen füllen.
Das marktwirtschaftliche Instrument des Emissionshandels muss im Bereich der Monopolstruktur
der großen Energieversorger eigentlich zwangsläufig versagen. Es bleibt
also unser Auftrag, den Emissionshandel mittelfristig so zu gestalten, dass er dem
Klimaschutz dient und Mitnahmeeffekte der großen Energieversorger vermeidet.
(Beifall bei der SPD)
Verehrte Damen und Herren, beim Energiegipfel ging es um den zukünftigen Energiemix.
Dabei ist die Geschichte der erneuerbaren Energien eine besondere Erfolgsgeschichte.
Das wird besonders deutlich, wenn man - ich habe gestern im Umweltausschuss die Gelegenheit
genutzt - noch einmal in den Protokollen von vor 20 Jahren nachliest, was damals
bezüglich der Entwicklung der erneuerbaren Energien prognostiziert wurde. Da
haben nämlich viele gesagt, sie würden niemals Marktreife erlangen. Jetzt
sind wir nicht weit davon entfernt.
Dasselbe allerdings - da fand ich die Bemerkung in Richtung der Grünen richtig
- muss uns auch bei der Energieeffizienz gelingen. Auch das muss eine Erfolgsgeschichte
der Bundesrepublik Deutschland werden.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Katherina Reiche (Potsdam) (CDU/CSU) - Beifall
beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das ist nicht nur klimapolitisch, sondern in hohem Maße auch wettbewerbspolitisch
geboten. Ein Mehr an Energieeffizienz macht uns günstiger, unabhängiger
und innovativer. Gut, dass das jetzt eines der Schwerpunktthemen auf der Arbeitsebene
ist.
Zusammengefasst: Der Energiegipfel war besser, als manche erwartet haben, auch wenn
sich einige ärgern. Nun kommt es auf eine intensive Arbeit in den kommenden Monaten
an. Die Voraussetzungen dafür sind jetzt geschaffen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Philipp Mißfelder das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Philipp Mißfelder (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Energiegipfel
ist in zweierlei Hinsicht ein großer Erfolg gewesen. Darauf möchte ich
in meinen weiteren Ausführungen eingehen. Zunächst möchte ich allerdings
den Grünen ganz herzlich danken, dass wir diese Erfolge am heutigen Tage hier
deutlich machen können. Vielen Dank, dass Sie diese Aktuelle Stunde beantragt
haben
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Rainer Tabillion (SPD))
und sie nutzen, damit Sie lernen, wie wir die Energiepolitik der Zukunft gestalten
wollen.
Der Energiegipfel ist nicht nur deshalb ein Erfolg, weil er, wie von meinen Vorrednern
ausgeführt, tatsächliche Ergebnisse für die zukünftige Energiepolitik
bringt, sondern auch, weil er sozusagen den Anfang vom Ende einer ideologiegeprägten
Energiepolitik in unserem Land darstellt. Das war am Montag der Fall.
(Beifall bei der CDU/CSU - Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wer hier von Ideologie redet, hat keine Antwort auf Fragen!)
Die Entscheidung, einen Energiegipfel an den Beginn der Legislaturperiode zu stellen,
war richtig; denn es war überfällig, der Energiepolitik in Deutschland wieder
eine verlässliche Basis zu geben und sich damit einer entideologisierten Diskussion
zu stellen, die wirklich sinnvoll ist. Denn tatsächlich ist es das allgemeine
Anliegen des Hauses, auch in Zukunft Energiesicherheit zu gewährleisten. Wir
sind unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel dankbar, dass sie als eine ihrer ersten
Maßnahmen diesen Energiegipfel einberufen hat. Mit dieser Initiative hat die
Bundeskanzlerin bereits am Beginn ihrer Amtszeit klar gemacht, dass die Energiepolitik
eines der Hauptthemen der großen Koalition ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das entspricht im Übrigen auch der Lebenswirklichkeit der Privathaushalte und
der deutschen Wirtschaft. Deswegen war es so wichtig, dieses Thema auf die Tagesordnung
zu setzen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Mit dem Energiegipfel wurde der Grundstein für ein energiepolitisches Gesamtkonzept
gelegt. Ein Ergebnis des Energiegipfels ist die Einrichtung von Arbeitsgruppen; der
Herr Staatssekretär hat es vorhin ausgeführt.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich in Deutschland die Stimmungslage der
Bevölkerung verändert. Die Sensibilität für das Thema Energiepolitik
wächst. Dies ist in erster Linie auf das Steigen der Energiepreise zurückzuführen
und zeigt sich in den Diskussionen über dieses Thema innerhalb der Familien.
Dass sich etwas an der Stimmungslage verändert hat, sieht man an den aktuellen
Umfragen. Am Dienstag meldete dpa, dass die Mehrheit der Deutschen inzwischen eine
Verlängerung der Laufzeiten für deutsche Kernkraftwerke befürwortet.
(Beifall bei der CDU/CSU - Zuruf des Abg. Jörg Tauss (SPD))
- Herr Tauss, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie dazwischenrufen; denn genau an dieser
Stelle hatte ich Ihren Zwischenruf in meiner Rede eingeplant.
(Ulrich Kelber (SPD): Aber wer hat denn die Studie in Auftrag gegeben?)
- Der Fernsehsender N24 hat eine Emnid-Umfrage in Auftrag gegeben. Aber unabhängig
von den politischen Konsequenzen, die man daraus ziehen kann, sieht man an diesen
Umfragewerten eindeutig, dass sich im Bewusstsein der Bevölkerung etwas verändert
hat. Deswegen muss die Politik Antworten auf diese wichtigen Fragen finden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Ursachen für die steigenden Energiepreise in Deutschland- darüber haben
wir schon diskutiert- sind in erster Linie die schwindenden Reserven an herkömmlichen
Energieträgern wie Öl, Kohle oder Gas.
(Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und Uran!)
Deswegen ist es richtig, dass wir versuchen, auf Dauer ausgerichtete Antworten auf
die drängenden Fragen zu finden. Eine Frage ist, wie wir auf den Energiehunger
der aufstrebenden Wirtschaftsmächte China, Indien und Brasilien in Zukunft reagieren
wollen und wie wir Energiesicherheit für die nächsten Jahrzehnte gewährleisten
können. Dabei können und wollen wir uns aber auf Dauer keinen deutschen
Sonderweg leisten. Deswegen ist es richtig, dass der Energiegipfel Perspektiven bietet,
wie in Zukunft die Energiepolitik aussehen soll.
(Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn er sie denn geboten hätte!)
Am Ende jahrelanger ideologiebelasteter Diskussion um Energiepolitik- vor allen Dingen
die Grünen haben sich auf diesem Feld betätigt- wird ein schlüssiges
Konzept stehen, das dazu führen wird, dass auch die Industrie in unserem Land
endlich verlässlichere Rahmenbedingungen vorfinden wird.
Sie fragen in dem Titel der Aktuellen Stunde nach dem Beitrag des Gipfels zur Energieversorgungssicherheit.
Diese Frage möchte ich Ihnen an dieser Stelle gerne beantworten. Die Bundesregierung
wird als Ergebnis des Energiegipfels die Mittel für die Energieforschung deutlich
aufstocken. So werden wir im Zeitraum von 2006 bis 2009 etwa 2 Milliarden Euro
in neue Energietechnologien investieren.
(Beifall des Abg. Jörg Tauss (SPD))
Die erneuerbaren Energien auch in Zukunft wirtschaftlich sinnvoll zu stärken,
ist einer der wichtigsten Punkte, die wir sehen.
(Beifall der Abg. Marie-Luise Dött (CDU/CSU))
Der Energiegipfel war ein großer Erfolg. Die Arbeitsgruppen werden jetzt ihre
Arbeit aufnehmen. Wir sind mit dem Ergebnis vom Montag zufrieden und freuen uns, dass
wir heute so ausführlich darüber sprechen konnten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Das Wort hat der Kollege Dr. Rainer Tabillion, SPD-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dr. Rainer Tabillion (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe
Kollegen! Diese Aktuelle Stunde ist ein guter Auftakt für die Beschäftigung
des Deutschen Bundestages mit energiepolitischen Themen im Vorfeld der Erstellung
eines energiepolitischen Programms, das bis 2015 - oder besser noch: mindestens 20 Jahre
- gelten soll.
Das Parlament war in den Gipfel nicht eingebunden. Umso größer sollte unser
Ehrgeiz sein, uns jetzt in die Diskussion der kommenden Wochen einzubringen. Jeder,
der hier vorgetragen und seine Vorstellungen entwickelt hat, ist eingeladen, das auszugestalten,
was auf dem Gipfeltreffen angekündigt worden ist.
(Beifall bei der SPD)
Ich glaube, dass es in diesem Haus eine ausreichende Grundübereinstimmung bei
den energiepolitischen Themen gibt, die in den nächsten vier Jahren im Zentrum
der Beschäftigung des Deutschen Bundestages stehen werden. Das gilt insbesondere
dafür, dass wir energiepolitische Rahmenbedingungen schaffen müssen, die
weit über die Legislaturperiode und weit über das, was wir politisch mit
der CDU/CSU vereinbart haben, hinausgehen. Das gilt insbesondere auch für die
angekündigten Milliardeninvestitionen in die Kraftwerks- und die Netzinfrastruktur.
Diese Investitionen, auf die wir alle schon lange warten, werden nur dann fließen,
wenn es keine Hintertür für kurzfristige und ebenso kurzsichtige Profite
ohne Investitionen gibt.
In diesem Zusammenhang war es wichtig, dass Bundeskanzlerin Merkel auf dem Gipfel
deutlich gemacht hat, dass sie zur Vereinbarung zum Ausstieg aus der Atomenergie steht.
(Beifall bei der SPD - Ulrich Kelber (SPD): Im Gegensatz zu Herrn Mißfelder!)
Ich möchte in Richtung der Grünen deutlich machen: Es gibt überhaupt
keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die SPD nicht am Ausstieg aus der Atomenergie
festhält. Sie sollten das Lager derjenigen, die die Atomenergie ablehnen, nicht
durch derartige Reden, wie sie heute gehalten worden sind, versuchen zu spalten.
(Beifall bei der SPD)
Lassen Sie mich einige Anmerkungen zu dem Prozess machen, der jetzt beginnt und bis
ins nächste Jahr andauern wird. Ich glaube, dieses Projekt kann nur gelingen,
wenn wir diejenigen, die mit uns gehen sollen, als Partner betrachten. Die großen
Energieversorgungsunternehmen gehören ebenso dazu wie die Regionalversorger,
die Stadtwerke und andere Akteure. Man kann sie nicht ausschließen. Sie sind
wichtig, wenn wir uns energiepolitisch auf internationaler Ebene bewegen wollen und
dafür sorgen wollen, dass energie- und unternehmenspolitische Entscheidungen
noch in Deutschland fallen. Deshalb sollten wir sie nicht als Gegner sehen, sondern
sie mit ins Boot nehmen. Wir sollten aber darauf achten und sie dazu zwingen, dass
sie die Dinge, die sie tun, transparent machen und dass sie sich ihrer gesellschaftspolitischen
Verantwortung klar werden.
(Beifall bei der SPD)
Das Wichtigste ist Effizienz; das ist heute schon oft gesagt worden. Es ist falsch,
den Leuten vorzumachen, die Preise für Energie könnten sinken. Das werden
wir in den kommenden Jahren nicht erleben. Dazu sind die Rohstoffpreise zu hoch. Sie
werden sich deutlich nach oben entwickeln. Es sind nicht nur die Wettbewerbsstrukturen
hier im Land, die dazu beitragen, dass die Energie teurer wird. Insbesondere die Rohstoffpreise
sind dafür verantwortlich. Deshalb werden wir die Entwicklung nicht stoppen können.
Effizienz ist umso wichtiger, als wir über Effizienz dafür sorgen können,
dass unsere Kosten, obwohl die Preise steigen, dadurch, dass wir aus den Energieträgern
mehr herausholen und weniger in die Luft blasen, stabil bleiben oder sogar sinken.
(Beifall bei der SPD)
Deutschland ist Vorreiter beim Klimaschutz und bei der Entwicklung und Vermarktung
der Technologie der erneuerbaren Energien. Wir sind auch Vorbild beim Einsatz dieser
Energiearten in unserem Land. Das wollen wir auch bleiben.
Es ist in dem anstehenden Diskurs allerdings eine Herausforderung für uns, dafür
zu sorgen, dass die volkswirtschaftlichen Kosten, die dabei entstehen, begrenzt werden.
Wir müssen im Rahmen der jetzt zu führenden energiepolitischen Debatte die
Instrumente hinterfragen, mit denen wir fördern, und die Technologien, die wir
fördern. Das kann nicht ausbleiben; das muss man immer kritisch sehen, etwa die
Frage, welche Lehren aus dem bisherigen Verlauf des Emissionshandels zu ziehen sind.
Auch das muss man hinterfragen, wenn man eine neue Phase beginnt.
(Beifall bei der SPD)
Eine realistische Beurteilung der Potenziale ist ebenso wichtig wie eine Risikostreuung
im Energiemix. Wenn wir bis 2020 das ambitionierte Ziel, 25 Prozent des Strombedarfs
regenerativ zu decken - und bis 2050 sogar 50 Prozent oder mehr -, erreichen
wollen, dann können wir die konventionell bereitgestellten Energiearten nicht
ausblenden. Denn dann müssen wir noch immer 50 Prozent der Energie konventionell
erzeugen. Deshalb ist es völlig unrealistisch, gleichzeitig aus der Atomenergie
und der Kohle auszusteigen.
(Beifall des Abg. Franz Obermeier (CDU/CSU))
Da ich aus einem Kohleland komme und mich intensiv und lange mit diesen Fragen befasst
habe und weiß, dass keine andere Subvention für eine Energieart so sehr
gekürzt worden ist wie die für die Kohle, muss ich Ihnen sagen, dass wir
in Zukunft an dem Bodenschatz, den wir unter unseren Füßen haben und der
nach meiner Einschätzung in den kommenden Jahrzehnten deutlich wertvoller werden
wird, in einer bestimmten Größenordnung, die wir vereinbaren müssen,
festhalten müssen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.
Dr. Rainer Tabillion (SPD):
Ich glaube, Energieerzeugung aus Kohle in Verbindung mit der Technik, die Kohle klimaunschädlich
zu verarbeiten und umzuwandeln - sie ist inzwischen vorhanden -, ist verantwortbar.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege!
Dr. Rainer Tabillion (SPD):
Deshalb möchte ich darum bitten, dass wir die Kohle in Zukunft als Teil des Energiemixes
betrachten, über dessen Definition wir uns jetzt unterhalten. Das wäre ein
guter Einstieg dieses Hauses in die energiepolitische Diskussion. Wir sollten uns
daran beteiligen -
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege, Ihr letzter Satz geht jetzt schon über fast zwei Minuten.
Dr. Rainer Tabillion (SPD):
- und unser Wissen und unser Engagement einbringen, damit es ein gutes Programm wird.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Das Wort hat der Kollege Christoph Pries, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Christoph Pries (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion des Bündnisses 90/Die
Grünen hat diese Aktuelle Stunde beantragt. Als zuständiger Berichterstatter
der SPD-Fraktion beschäftige ich mich mit Ihrer Frage nach dem Beitrag des Energiegipfels
zur Verringerung der Gefahren durch Atomkraft.
Die Atomenergie ist noch genauso gefährlich bzw. genauso sicher wie vor dem Gipfel.
Die Positionen der Beteiligten zur Atomenergie haben sich nicht verändert. Die
Vereinbarung zum Atomausstieg gilt weiterhin.
(Beifall bei der SPD)
Jetzt könnte ich schon zum Schluss kommen. Aber da alle Kolleginnen und Kollegen
der Koalition heute frohe Botschaften verkünden dürfen, möchte ich
natürlich nicht zurückstehen.
(Heiterkeit bei der SPD)
Zunächst hat die Koalition all diejenigen enttäuscht, die gehofft hatten,
der Streit über die Atomenergie würde den Gipfel überschatten. Ganz
im Gegenteil: Ein Gipfelteilnehmer kam sogar zu dem Schluss, SPD und CDU hätten
beim Thema Atomenergie Einigkeit demonstriert. So weit würde ich vielleicht nicht
gehen. Am Montag sind aber vor allem die Themen diskutiert worden, die aus unserer
Sicht für die Zukunft der Energieversorgung in Deutschland entscheidend sind.
Für uns heißt das: Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Erneuerung der
Kraftwerke und Emissionshandel.
Es gibt aber noch eine weitere positive Botschaft. Auf ausdrückliche Nachfrage
von Bundesumweltminister Gabriel haben die Energieversorgungsunternehmen ihre Vertragstreue
im Bereich des Atomausstiegs unterstrichen. Sie werden auch dann mit der Bundesregierung
zusammenarbeiten, wenn es beim Atomausstieg bleibt. Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt
diese Ankündigung ausdrücklich. Zukünftiges Handeln werden wir an dieser
Zusage messen.
Für die SPD-Bundestagsfraktion ist klar: Eine Übertragung von Reststrommengen
von neuen Atomkraftwerken auf alte Atomkraftwerke lehnen wir ab.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Eine solche Übertragung widerspricht dem Geist des Atomkonsenses. Sie widerspricht
auch dem Geist des Koalitionsvertrages, der dem sicheren Betrieb der Atomkraftwerke
absolute Priorität einräumt.
Worum geht es bei der Forderung nach Verlängerung der Restlaufzeiten? Ein Artikel
in der "Financial Times Deutschland" hat das am Montag ganz freimütig auf den
Punkt gebracht:
Für die Antragsteller geht es um Milliarden. Die Meiler sind längst abgeschrieben,
die Betriebskosten gering, und die Gewinnmargen wären sensationell, wenn die
Reaktoren länger laufen dürften.
Das Ziel von Unternehmen ist es, Gewinne zu machen. Das ist legitim. Schön wäre
es allerdings, wenn die Energieversorger es in diesem Fall auch offen zugeben würden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die Diskussion über die Laufzeiten der Atomkraftwerke hat leider noch eine andere
Folge. Sie vergiftet das Klima für dringend benötigte Zukunftsinvestitionen
im Energiesektor.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wer - so hieß es gestern in der "Süddeutschen Zeitung - wagt schon im großen
Stil neue Kraftwerke, wenn er nicht weiß, wie viele der riesigen Reaktoren am
Ende des Jahrzehnts noch billige Konkurrenz machen oder nicht?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es wäre geradezu ein Befreiungsschlag für die Energiepolitik in Deutschland,
wenn die Betreiber unserer Atomkraftwerke endlich aufhörten, ständig auf
die nächste Bundestagswahl zu starren. Erweisen Sie sich, erweisen Sie uns und
erweisen Sie vor allem unserem Land einen Dienst. Begreifen Sie endlich - in parlamentarischen
Demokratien verhält es sich wie im Fußball -: Egal, wie die Bundestagswahl
2009 ausgeht. Nach der Wahl ist vor der Wahl.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.