November 2006

061105

ENERGIE-CHRONIK


Glos will für neue Kraftwerke den Netzanschluß und die Durchleitung gesetzlich garantieren

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) betreibt weiter seine Pläne zur Verschärfung des Kartellrechts, um den hohen Energiepreisen Einhalt zu gebieten (060903). Presseberichten zufolge hat sein Ministerium im November einen Gesetzentwurf fertiggestellt, der in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) einen neuen Mißbrauchstatbestand einführen soll. Danach würde es marktbeherrschenden Energieversorgern untersagt, Preise zu verlangen, die ungünstiger als die anderer Versorger sind oder die Kosten in unangemessener Weise überschreiten. Zusätzlich will Glos eine Kraftwerksanschlußverordnung erlassen, die den Betreibern neuer Kraftwerke den Anschluß ans Netz und die Durchleitung ihres Stromes auch dann garantiert, wenn die vier Transportnetzbetreiber Netzengpässe geltend machen. Die Verschärfung der Mißbrauchsaufsicht und die Anschlußverordnung sollen bis 2012 befristet sein. Dies geschieht in der Erwartung, daß dann die Anreizregulierung zu greifen beginnt, deren erste Phase von 2009 bis 20013 dauern soll. Am 27. November fand im Bundeswirtschaftsministerium eine Anhörung zu diesem Thema mit Fachleuten aus Verbänden und Wissenschaft statt. Die Energieverbraucher unterstützten dabei die Pläne von Glos. Die Vertreter der Stromwirtschaft sprachen dagegen von einer "eklatanten Verletzung der Wettbewerbsprinzipien", die "das Rad der Liberalisierung zurückdreht" (FAZ, 9.11. u. 18.11.; SZ, 29.11.)

E.ON will neue Kraftwerke "zügig" anschließen

Inzwischen hat sich der E.ON-Konzern zu freiwilligen Zusagen bereiterklärt, um weitergehende und verbindliche gesetzliche Maßnahmen zu verhindern. Am 26. Oktober sicherte das E.ON-Vorstandsmitglied Johannes Teyssen zu, jedes neue Kraftwerk "zügig" anzuschließen, das Wettbewerber im E.ON-Netzgebiet bauen. Bei Netzengpässen sei E.ON bereit, diese durch eine verringerte Einspeisung aller Kraftwerke im Netzgebiet einschließlich der eigenen Anlagen auszugleichen. Weiterhin versprach E.ON eine kurzfristige Erweiterung der grenzüberschreitenden Transportkapazitäten um rund 1.000 MW.

BDI erwägt Einkaufskartell für Großverbraucher

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) stellte die Gründung eines Einkaufskartells zur Diskussion, um den industriellen Großstromverbrauchern zu niedrigeren Preisen zu verhelfen. Teilnahmeberechtigt wäre jene rund 300 Unternehmen, die auch in den Genuß der "Härtefallregelung" nach § 16 EEG kommen (061003). Eine weitere Senkung der Zugangsschwelle wäre nur begrenzt möglich, da das Einkaufskartell ab einem Marktanteil von 15 Prozent gegen EU-Kartellregeln verstoßen würde. BDI-Präsident Jürgen Thumann berief dazu eine Gesprächsrunde ein, in der die vier Konzerne sowie Thyssen, Bayer, BASF und das mittelständische Unternehmen Schäfer-Kalk vertreten sind. Dem BDI-Vorschlag werden indessen kaum Chancen eingeräumt, da die den Großverbrauchern gewährten Preisnachlässe zu Lasten der anderen Letztverbraucher gehen würden. (FAZ, 1.11.; Handelsblatt, 1.11.)

Rhiel warnt vor "Schalmeienklängen" der Konzerne

Der hessische Wirtschaftsminister Rhiel (CDU) hat sich im November erneut für eine Verschärfung der kartellrechtlichen Mißbrauchsaufsicht ausgesprochen. Die von Glos geplante Bevorrechtigung neuer Kraftwerksbetreiber beim Netzanschluß sei ein Schritt in die richtige Richtung. Noch wirksamer sei allerdings sein Vorschlag, dem Bundeskartellamt als ultima ratio die Möglichkeit einzuräumen, die Konzerne zum Verkauf eines Teils ihrer Kraftwerke an Dritte zu zwingen (siehe 061001).

"Ich halte nichts von den Schalmeienklängen, die uns die Konzerne jetzt ins Ohr säuseln", sagte Rhiel gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen" (27.11.). Der Staat dürfe in Sachen Wettbewerb nicht mit den Konzernen verhandeln, sondern müsse einen klaren Ordnungsrahmen setzen. Die Konzerne würden auch bei niedrigeren Renditen investieren, denn "wenn jemand einen 10-Euro-Schein auf der Straße findet, läßt er den doch nicht liegen, nur weil er auf einen 20-Euro-Schein gehofft hat".

Die derzeitigen Energiepreise seien mißbräuchlich, betonte Rhiel. So seien die Strompreise für Industriekunden von 2000 bis 2006 selbst dann um rund 80 Prozent gestiegen, wenn man die staatlich verursachten Belastungen außer Acht lasse. "Niemand kann auf Erzeugerebene Kostensteigerungen entdecken, die diese Preisexplosion rechtfertigen." Die Großhandelspreise, die seit 2005 um 45 Prozent gestiegen seien, wertete Rhiel als weiteres Indiz für Mißbrauch. Insofern habe auch der Börsenpreis nichts mit den tatsächlichen Kosten der Konzerne zu tun. "Die Konzerne machen ihre Preise nicht an Kosten fest, sondern an dem, was der Markt hergibt."

RWE mobilisiert akademische Hilfstruppe

Die vier Energiekonzerne machten unterdessen Front gegen die Pläne von Glos und Rhiel. Der RWE-Konzern organisierte gemeinsam mit der Rechtsberatungsfirma Clifford Chance am 22. November eine Tagung zur geplanten Verschärfung des Kartellrechts. Im einzelnen ging es dabei um den Wegfall des Erheblichkeitszuschlags bei der Feststellung mißbräuchlich erhöhter Preise, die Untersagung eines unangemessenen Kosten-Preis-Verhältnisses, die Umkehr der Beweislast, die sofortige Vollziehbarkeit von Mißbrauchsverfügungen sowie die Nichtanerkennung von Kosten- und Entgeltbestandteilen, die sich im Wettbewerb nicht bilden würden.

Laut RWE-Pressemitteilung wurde die geplante Novelle von den Teilnehmern "zu einem ganz überwiegenden Teil abgelehnt". So habe der Energierechtler Ulrich Büdenbender (TU Dresden) den Entwurf als "aktionistisches Maßnahmenpaket" bezeichnet. In der Sicht von Hans-Joachim Ziesing (DIW) gefährde die geplante GWB-Novelle die Preisbildung nach dem Prinzip der Grenzkosten, die für einen funktionierenden Wettbewerb unerläßlich sei. In diesem Zusammenhang habe Ziesing insbesondere die "Berücksichtigung der Opportunitätskosten für CO2-Zertifikate in den Strompreisen" (060303) verteidigt. Felix Matthes vom Ökoinstitut sei ebenfalls der Meinung gewesen, daß die geplante Novelle "einen kartellrechtlichen Eingriff in die Preisbildung auf Grenzkostenbasis" bedeute.