Oktober 2007

071002

ENERGIE-CHRONIK


Auch der Bundestag zeigt sich empört über die Maßlosigkeit der Konzerne

In die allgemeine Entrüstung über die neue Preiserhöhungswelle von E.ON und RWE, die ab Januar 2008 bis zu zehn Prozent mehr für Haushaltsstrom verlangen (071001), stimmten parteiübergreifend auch die Fraktionen des Bundestags mit ein. In einer "Aktuellen Stunde", die von der Linkspartei zu diesem Thema beantragt worden war, übten am 24. Oktober Sprecher aller Parteien mehr oder weniger harsche Kritik am Preisgebaren der Konzerne. Für die Bundesregierung bezeichnete Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) die angekündigten Erhöhungen als "nicht nachvollziehbar" und "Zumutung für die Verbraucher". Er appellierte an die Abgeordneten, die geplante Novelle zum Kartellgesetz, die dem Bundeskartellamt mehr Möglichkeiten zum Einschreiten gegen Preiswillkür bei Strom und Gas bieten soll (070602), möglichst schnell zu verabschieden.

Linke hält Anreizregulierung für den falschen Weg

Als erster Redner forderte Hans-Kurt Hill (Die Linke) die Wiedereinführung einer wirksamen Preisaufsicht über die Strom- und Gastarife, verpflichtende Sozialtarife für Privathaushalte mit geringem Einkommen, die Offenlegung der Stromhandelspreise, um Mißbrauch durch die Energieversorger zu unterbinden, und die Überführung der Strom- und Gasnetze in öffentliche Hand. Die geplante Änderung des Kartellrechts werde "weitgehend wirkungslos" bleiben, prophezeite er. Die geplante Anreizregulierung sei ebenfalls der falsche Weg: Sie werde "die kleinen Stadtwerke in die Arme von E.ON und RWE treiben" und zudem auch noch die Tarifautonomie untergraben, indem dann die Bundesnetzagentur "nach Belieben in die Lohnstruktur bei den Stadtwerken eingreifen und per Verordnung die Gehälter kürzen" könne.

Eine grundsätzliche Änderung der bestehenden Strukturen der Energiewirtschaft verlangte auch Oskar Lafontaine als weiterer Redner der Linkspartei. "Ohne eine Veränderung der Strukturen bei den Erzeugern und beim Netz werden Sie nichts bewirken und niemals Wettbewerb in Deutschland organisieren können", hielt er dem Bundeswirtschaftsminister vor. "Meine Fraktion vertritt die Auffassung, daß wir alles tun müssen, um die Strom- und die Energieversorgung zu rekommunalisieren."

Grüne für eigentumsmäßige Entflechtung des Netzbetriebs

Für die Grünen forderte Bärbel Höhn den Bundeswirtschaftsminister auf, seinen Widerstand gegen eine eigentumsmäßige Entflechtung des Netzbetriebs aufzugeben: "Unterstützen Sie die EU-Kommission, statt ihr in den Arm zu fallen!" Mit seiner bisherigen Politik schaffe er keinen Wettbewerb, sondern mache sich "zum Schutzpatron der Stromkonzerne und ihrer Monopolgewinne". Völlig unzureichend sei auch die geplante Novellierung des Kartellrechts, da sie die Strukturen, die dem Preismißbrauch Tür und Tor öffnen, intakt ließen. "Statt die Krankheit, den fehlenden Wettbewerb, zu kurieren, doktern Sie an den Symptomen herum. Das wird nicht funktionieren; damit können Sie E.ON, RWE & Co. nicht beikommen."

"In Leipzig ist ein schwarzes Loch der Preisbildung entstanden"

Die Sprecher der SPD beschränkten ihre Kritik im wesentlichen auf das Preisgebaren der Konzerne. Sie verteidigten dabei die hohe staatliche Belastung der Endverbraucherpreise, die vor allem unter der rot-grünen Bundesregierung durch die Stromsteuer sowie die EEG- und KWK-Gesetzgebung entstanden war. "Die erneuerbaren Energien sollen offensichtlich wieder einmal als Sündenbock herhalten", meinte der SPD-Abgeordnete Martin Burkert. Nach Ansicht des SPD-Abgeordneten Rolf Hempelmann läßt sich "bestenfalls über Teilbereiche" des hohen Staatsanteils an der Stromrechnung diskutieren (wobei Hempelmann offenbar selber nicht so genau Bescheid wußte, denn er bezifferte die auf die Stromrechnung erhobene Mehrwertsteuer mit nur 14 statt 19 Prozent).

Der SPD-Abgeordnete Manfred Zöllmer verlangte "mehr Transparenz bei der Preisbildung an der Strombörse", die weitgehend das gesamte Preisniveau bestimme, obwohl nur ein geringer Teil des Stroms dort gehandelt werde. "Mein Eindruck ist, daß in Leipzig sozusagen ein schwarzes Loch der Preisbildung entstanden ist." Sein Fraktionskollege Axel Berg stellte fest: "Die Konzerne handeln zwar illegitim, aber nicht illegal. Sie nutzen nur das System aus. Deswegen ist es unser Job, Rahmenbedingungen zu schaffen, die das nicht mehr ermöglichen."

"Die Mißbrauchsaufsicht wird ein scharfes Schwert"

Für die Unionsparteien begrüßten Albert Rupprecht, Michael Fuchs, Joachim Pfeiffer und Julia Klöckner die vorgesehene Kartellrechtsänderung als probates Mittel, um künftig solche Preistreiberei zu unterbinden. "Eine zeitlich befristete Verschärfung der Mißbrauchsaufsicht ist zwingend notwendig", erklärte Rupprecht. "Die beiden wesentlichen Änderungen, die wir im November im Parlament beschließen wollen, sind die Beweislastumkehr und der Sofortvollzug. Ab dem 1. Januar 2008 muss E.ON dem Kartellamt detailliert begründen, wie eine Preiserhöhung zu rechtfertigen ist. Wenn E.ON das nicht kann, wird - das ist die zweite zentrale Neuerung - eine sofortige Preissenkung angeordnet. Die Mißbrauchsaufsicht wird ein scharfes Schwert."

Für Joachim Pfeiffer drängte sich der Eindruck auf, daß hier "ein Oligopol, das 90 Prozent des Stroms erzeugt, Marktmißbrauch betreibt". Dieser Marktmißbrauch müsse beendet werden. Die Wiedereinführung einer staatlichen Tarifaufsicht sei jedoch der falsche Weg und sogar "absurd", weil sie "eine Einladung zur Kostenverursachung und zur Strompreiserhöhung" bedeuten würde. Sein Fraktionskollege Michael Fuchs machte sich nebenbei für die Kernenergie stark, die es ermögliche, "den Strompreis günstiger zu halten, als er ist".

"Der größte Preistreiber ist der Staat"

Als einzige Partei übernahm die FDP die Argumentation der Konzerne, daß in erster Linie die staatlichen Belastungen am Strompreisanstieg schuld seien. Gudrun Kopp bezeichnete es zwar namens ihrer Fraktion ebenfalls als "nicht nachvollziehbar, was einige Energieversorger jetzt fordern", und begrüßte die vom Bundeskartellamt eingeleitete Überprüfung. Zugleich sprach sie aber von einer "scheinheiligen Debatte", denn "bei allem Wehklagen über die zweifellos sehr hohen Energiepreise bleibt festzuhalten, daß der Staat der größte Preistreiber ist".

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