Februar 2008

080211

ENERGIE-CHRONIK


Höhere Anforderungen an Entstickung von Kraftwerken ab 2013

Neue Kohle- und Gaskraftwerke haben ab 2013 höheren Ansprüchen an die Entstickung der Rauchgase zu genügen. Der Bundestag billigte am 14. Februar die "Siebenunddreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Absicherung von Luftqualitätsanforderungen - 37. BImSchV), mit der die zulässigen Jahresmittelwerte für den Ausstoß an Stickoxiden gegenüber den weiterhin geltenden Tagesmittelwerten der Verordnung über Großfeuerungs- und Gasturbinenanlagen (13. BImSchV) abgesenkt werden. Die Verordnung ist Bestandteil des Gesetzgebungspakets zum Klimaschutz, das die Bundesregierung Ende 2007 beschloß (071204). Sie erfaßt neben Kraftwerken auch Abfallverbrennungsanlagen und Zementwerke.

Die Annahme der Verordnung erfolgte mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP. Die Grünen stimmten dagegen, weil die Grenzwerte zu niedrig angesetzt seien und nur für Anlagen gelten, die nach dem Jahr 2012 in Betrieb gehen. Damit sei die Mehrzahl der geplanten Kraftwerke nicht betroffen. Die Fraktion der Linken enthielt sich.

Mehr Entstickungs-Anlagen erforderlich

Nach der Großfeuerungsanlagenverordnung darf der Ausstoß an Stickoxiden pro Kubikmeter Abgas je nach Feuerungswärmeleistung einen Tagesmittelwert von 250 bzw. 200 Milligramm nicht übschreiten. Nach der jetzt verabschiedeten Verordnung gilt ab 2013 zusätzlich die Begrenzung auf einen Jahresmittelwert von 100 Milligramm, sofern die Feuerungswärmeleistung mehr als 100 Megawatt beträgt. Gasturbinenkraftwerke dürfen im Jahresmittel höchstens 50 Milligramm Stickoxide pro Kubikmeter emittieren.

Die Einhaltung dieser Werte sei durch Optimierung der vorhandenen Techniken zur katalytischen Entstickung der Rauchgase erreichbar, heißt es in der Begründung der Verordnung. Soweit allerdings bislang ausschließlich feuerungstechnische Maßnahmen zur Vermeidung von Stickoxiden eingesetzt würden, könnten künftig "mit Kosten verbundene Maßnahmen erforderlich" sein. In der Praxis betrifft dies wohl Gasturbinen, die bisher die Grenzwerte ohne nachgeschaltete Entstickungs-Anlagen einhalten können. Allerdings gelten die erhöhten Anforderungen nicht für solche Gasturbinenanlagen, "die dem Notbetrieb oder ausschließlich der Abdeckung der Spitzenlast bei der Energieversorgung während bis zu 300 Stunden im Jahr dienen".

Kraftwerks-Neubauten erhöhen die NOx-Emissionen

Die Verordnung soll zugleich den geltenden Richtlinien der EU zur Belastung der Luft mit Schadstoffen genügen und einen erhöhten Ausstoß von Stickoxiden begrenzen, wie er aufgrund des Ausstiegs aus der Kernenergie bzw. des Neubaues zahlreicher fossil befeuerter Kraftwerke in den nächsten Jahren zu erwarten ist. Bereits seit 1999 zeichnet sich ein Wiederanstieg der Stickoxid-Emissionen der Energiewirtschaft ab (Grafik 1), im Gegensatz zum rückläufigen Trend der Gesamtbelastung (Grafik 2), zu der die Energiewirtschaft rund ein Fünftel beiträgt. Zusätzliche Stickoxid-Emissionen sind auch durch den energetischen Aufwand für die CO2-Zurückhaltung zu erwarten (060412) – mit Ausnahme des von Vattenfall favorisierten "Oxyfuel"-Verfahrens (050509), bei dem die Verbrennung mit reinem Sauerstoff erfolgt und deshalb keine Stickoxide entstehen.

Stickoxide (NOx) ist ein Sammelbegriff für eine Anzahl chemischer Verbindungen von Stickstoff und Sauerstoff, die gesundheits- und umweltschädlich sind. Sie entstehen in Kraftwerken aus zweierlei Gründen: Zum einen wird bei der Verbrennung von Kohle oder Öl der in den Brennstoffen enthaltene Stickstoff freigesetzt und oxidiert. Zum anderen reagiert bei höheren Verbrennungstemperaturen (ab etwa 1200 Grad Celsius) der Luftsauerstoff mit dem Luftstickstoff zu Stickoxiden. Bei Kohlekraftwerken stammt der größte Teil der Stickoxide-Emissionen aus dem Brennstoff, bei Gaskraftwerken dagegen aus der Reaktion von Luftsauerstoff und Luftstickstoff. Die Beseitigung der Stickoxide erfolgt in der Regel durch Zumischung von Ammoniak, wodurch Wasser und Stickstoff entstehen. Am wichtigsten sind solche Entstickungs-Anlagen für Steinkohle-Kraftwerken, da hier wegen der hohen Verbrennungstemperaturen beide Entstehungsursachen zusammenkommen.

Links (intern)

Wie die obere Grafik zeigt, hat die deutsche Energiewirtschaft ihre Stickoxid-Emissionen in den neunziger Jahren mehr als halbiert. Dies war allerdings darauf zurückzuführen, daß in Ostdeutschland der Kraftwerkspark erneuert bzw. mit wirksamen Rauchgasreinigungsanlagen nachgerüstet und damit auf den westdeutschen Stand gebracht wurde. Seit 1999 wies die Emissionskurve wieder eine leicht steigende Tendenz auf, die auf den Zubau an fossil befeuerten Kraftwerken zurückzuführen ist. Ab 2004, als die novellierte Großfeuerungsanlagenverordnung in Kraft trat, ging die Emissionskurve wieder leicht nach unten. Wegen der anstehenden Kraftwerksneubauten und dem noch ungeklärten energetischen Aufwand für CO2-Techniken ist aber mit einem Wiederanstieg zu rechnen. Die neue Verordnung soll dies verhindern.,

Die untere Grafik verdeutlicht, wie die Energiewirtschaft bis Ende der neunziger Jahre mit der Senkung ihrer Stickoxid-Emissionen der Gesamtwirtschaft vorausgeeilt ist, dann aber einen eher gegenläufigen Kurs eingeschlagen hat. Bezugspunkt ist in beiden Fällen das Jahr 1990 (Index = 100).