August 2008

080804

ENERGIE-CHRONIK


Chef der deutschen Gazprom soll in die eigene Tasche gewirtschaftet haben

Bei Gazprom Germania, der deutschen Tochter des russischen Staatsmonopolisten Gazprom, scheint es ähnlich zuzugehen wie beim Mutterkonzern. Wie das Magazin "Der Spiegel" am 25. August berichtete, riecht es bei dem Unternehmen "nach alter Ost-Seilschaft, nach Selbstbedienung, nach Schatten- und Scheingeschäften". An der Spitze von Gazprom Germania stünden mit Geschäftsführer Hans-Joachim Gornig (66), dem Finanzchef Felix Strehober (44) und Personalchef Hans-Uve Kreher (59) ehemalige DDR-Funktionäre und Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit. Gornig habe zudem durch die Gründung von Schattenfirmen, die als Geschäftspartner der Gazprom Germania auftreten, in die eigene Tasche gewirtschaftet. Allein in diesem Jahr werde die ihm gehörende Gasconsult GmbH für angebliche Dienstleistungen mehr als eine Million Euro von der Gazprom Germania kassieren, der er zugleich als Geschäftsführer vorsteht.

Gornig veröffentlichte dazu noch am selben Tag auf den Internet-Seiten der Gazprom Germania eine Stellungnahme, die bemerkenswert dürftig ausfiel: Sachlich widersprach er lediglich dem Vorwurf, die ihm gehörende Gasconsult GmbH habe der von ihm geleiteten Gazprom Germania Leistungen in Rechnung gestellt, die in Wirklichkeit von Gazprom Germania erbracht wurden. Im übrigen berief er sich auf die formale Korrektheit des Firmengeflechts. Die abgeschlossenen Verträge seien "wie unter fremden Dritten gestaltet und zu üblichen Marktpreisen vereinbart worden". Die Jahresabschlüsse der deutschen Gazprom-Tochter seien bisher weder von Betriebsprüfern noch den dafür zuständigen Gremien des Mutterkonzerns beanstandet worden. Um aber jeden Zweifel auszuräumen, habe er die Moskauer Gazprom-Zentrale zur Entsendung einer Revisionskommission aufgefordert.

Beobachter halten es für möglich, daß die "Spiegel"-Enthüllungen aus Gazprom-Kreisen lanciert wurden. Die alten DDR-Seilschaften haben inzwischen nicht mehr denselben Wert wie zu Anfang der neunziger Jahre. Mit ihrer Abhalfterung könnte die Moskauer Zentrale zugleich neues Bemühen um Seriösität demonstrieren. Bisher hat Gazprom einen denkbar schlechten Ruf. Der Staatskonzern gilt als willfähriges Instrument des Kreml, das mit den Milliarden-Erlösen aus dem Export russischen Erdgases zwar zuverlässig die Staatskasse füllt, in weiten Teilen aber noch immer ein mafiös-korruptes Beziehungsgeflecht darstellt, in dem viel Geld in dunklen Kanälen versickert.

Um dieses Image zu verbessern, hat sich die deutsche Gazprom-Tochter ZZG Zarubezhgaz-Erdgashandel-Gesellschaft mbH vor zwei Jahren in Gazprom Germania GmbH umbenannt (061011). Zugleich wurde sie Hauptsponsor des populären Fußballvereins Schalke 04. Ferner unterstützt sie seitdem allerlei kulturelle Veranstaltungen, um auch bei einem anspruchsvolleren Publikum den Namen Gazprom mit positiven Assoziationen in Verbindung zu bringen.

Chef der deutschen Gazprom war früher DDR-Beauftragter für Gasleitungsbau

Dem "Spiegel"-Artikel zufolge begann der Aufstieg des Diplomingenieurs Hans-Joachim Gornig 1981 in der DDR mit einem einjährigen Kurs an der Parteihochschule der SED. Anschließend habe er eine Baustelle an der Erdgastrasse "Druschba" geleitet, die von der Sowjetunion mit Hilfe der DDR und anderer Vasallenstaaten zum Transport des sibirischen Erdgases nach Europa gebaut wurde. Bis 1985 habe er es zum Stellvertreter des Ministers für Kohle und Energie sowie zum Regierungsbeauftragten für den Gasleitungsbau gebracht. Außerdem sei er wegen seines "klaren politischen Standpunkts" mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Bronze ausgezeichnet worden.

Wiedervereinigung durchkreuzte Pläne für Gemeinschaftsunternehmen von DDR-Funktionären mit Gazprom

Nach dem Fall der Mauer habe Gornig im März 1990 mit anderen Funktionären der DDR-Energiewirtschaft ein Unternehmen namens Kohle Energie Erdgascommerz GmbH gegründet. Am 20. Juni 1990 habe er sich dann in seiner immer noch bestehenden Eigenschaft als Regierungsbeauftragter für Erdgasleitungsbau an die Gazprom gewendet und ihr die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens vorgeschlagen, das die auf Regierungsebene zwischen Ost-Berlin und Moskau vereinbarten Erdgaslieferungen übernehmen sollte, um die Gewinnspannen zwischen Import- und Abgabepreisen abzuschöpfen. Infolge der Wiedervereinigung hätten sich diese Pläne zerschlagen, da nun auch die von Gornig geleitete Erdgascommerz GmbH an die Treuhandanstalt überging. Aber noch im selben Jahr habe es Gornig geschafft, Geschäftsführer der am 3. Dezember 1990 gegründeten deutschen Gazprom-Tochter ZGG Zarubezhgaz Erdgashandel GmbH zu werden, die 2006 in "Gazprom Germania" umbenannt wurde.

Gornig gründete einen unnötigen Zwischenhändler und verkaufte ihn für viel Geld an die eigene Firma

Neben seiner neuen Position als Geschäftsführer der deutschen Gazprom-Tochter sei Gornig im März 1992 auch Geschäftsführer und Haupteigentümer einer Firma namens GASA Zarubezhgaz Import-Export GmbH worden. Diese Firma habe zu 30 Prozent der deutschen Gazprom gehört, deren Geschäftsführer Gornig war. Die übrigen 70 Prozent habe eine Gesellschaft namens DAGA besessen, die neben Gornig dem früheren Staatssekretär im Ministerium für Geologie der DDR, Bruno Mach, gehörte. Die Geschäftstätigkeit der GASA habe hauptsächlich darin bestanden, von einer Gazprom-Tochter Erdgas zu kaufen, um es über die Schweiz nach Bulgarien weiter zu verkaufen. Im Grunde sei die Einschaltung dieses Zwischenhändlers aber überflüssig gewesen.

Ab 2004 habe die von Gornig geleitete deutsche Gazprom den Zwischenhändler GASA für viel Geld übernommen, um fortan den Liefervertrag mit Bulgarien selbst zu bedienen. So habe Gornig ein weiteres Mal profitieren können, denn eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe den Wert der GASA auf rund 9,7 Millionen Euro taxiert. Dabei sei das Wertvollste an der Gornig-Firma der Liefervertrag mit Bulgarien gewesen, den sie ohne Gornig als Chef der deutschen Gazprom vermutlich nie bekommen hätte.

Gazprom zahlt neuer Gornig-Firma für angebliche Dienstleistungen

Nach dem lukrativen Verkauf der GASA hätten die beiden DAGA-Gesellschafter Hornig und Mach ihr Unternehmen in Fortis Consulting GmbH umbenannt. Geschäftsführer sei erst Mach gewesen, danach der heute 39-jährige Gornig-Sohn Mika. Die Fortis Consulting GmbH, an der Gornig mit gut sechzig Prozent beteiligt sei, besitze wiederum 80 Prozent der Firma Gasconsult GmbH, deren restliche Anteile Gornig direkt halte. In der Praxis bestehe diese Firma aus nichts weiter als einem verwaisten Zimmer in einem Hochhaus in der Leipziger Straße in Berlin und einer Handy-Nummer im Telefonbuch. Als Geschäftsführer zeichne der inzwischen 67-jährige Mach, der im selben Hochhaus wohnt. Dennoch werde die dubiose Firma in diesem Jahr von der Gazprom Germania und deren Tochter ZMB mehr als eine Million Euro für angeblich erwiesene Dienstleistungen kassieren. Zum Beispiel habe sie mit Datum vom 31. Dezember 2007 den beiden Gazprom-Unternehmen mit genau denselben Worten Dienstleistungen im Gesamtbetrag von 45673,69 Euro in Rechnung gestellt. Im einzelnen soll es sich dabei um "Erarbeitung gaswirtschaftlicher Analysen, Expertisen, Berichte und Studien" handeln, um "Kommunikation und Informationsmanagement", Erstellung von Werbepublikationen oder um Hilfe bei der Presse- und Messearbeit. Zu den weiteren Ungereimheiten gehöre, daß die ZMB der Gasconsult monatlich mindestens 10000 Euro überweisen müsse, unabhängig davon, ob sie Arbeitsaufträge zu vergeben hat.

Ehemalige Stasi-Agenten heute in führenden Positionen bei Gazprom

Hinweise auf Verbindungen Gornigs zum Ministerium für Staatssicherheit hat das Magazin offenbar nicht gefunden. Dafür aber bei dessen engsten Mitarbeitern: Finanzchef Felix Strehober sei sogar Berufsoffizier des DDR-Geheimdienstes gewesen und habe nachweislich seine Kommilitonen bespitzelt, als ihn das Ministerium für Staatssicherheit ab 1985 zum Studium der Wirtschaftswissenschaften an die Humboldt-Universität schickte. Personalchef Hans-Uve Kreher habe von 1977 bis 1979 der Stasi als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) gedient und beispielsweise über eine West-Bekanntschaft seiner Mutter berichtet.

Stasi-Agent sei ferner Matthias Warnig (53) gewesen, der heute als Chef der Gazprom-Tochter Nord Stream AG und gemeinsam mit dem früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder als Vorsitzender des Aufsichsrats den Bau der Gaspipeline durch die Ostsee betreibt. Warnigs Stasi-Akten seien zwar nur noch fragmentarisch erhalten. Immerhin wisse man aber, daß er von 1986 bis 1989 unter dem Decknamen Arthur in der DDR-Handelsmission in Düsseldorf tätig gewesen sei und nach seiner Rückkehr in die DDR von Stasi-Chef Mielke eine Medaille erhalten habe.

Vorspiel zum ostdeutschen "Gaskrieg"

Der "Spiegel"-Artikel wirft nebenbei ein interessantes Licht auf die letzten Monate der DDR, als Gornig und andere Energie-Funktionäre versucht haben sollen, die Erdgaslieferungen der Sowjetunion an die DDR in Absprache mit Gazprom über eine private Gesellschaft laufen zu lassen und so zur Quelle persönlicher Bereicherung zu machen. Bekanntlich kam es dann anders: Noch bevor die letzte DDR-Regierung offiziell abgetreten war, nutzte Gazprom den Wegfall des bisherigen Vertragspartners, um die für Ostdeutschland bestimmten Gaslieferungen gemeinsam mit der BASF-Tochter Wintershall neu zu vermarkten. Bis dahin war die Ruhrgas AG bundesdeutscher Alleinimporteur für russisches Erdgas gewesen und versuchte diese Position mit allen Mitteln zu verteidigen. Vor diesem Hintergrund kam es Anfang der neunziger Jahre zwischen der Ruhrgas und der neuen Allianz aus BASF/ Gazprom zum "Gaskrieg" um die ostdeutsche Ferngasgesellschaft VNG.

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