Januar 2010 |
100112 |
ENERGIE-CHRONIK |
In der französischen Atomwirtschaft liegen die Nerven blank, nachdem die Vereinigten Arabischen Emirate Ende Dezember den Auftrag für die vier ersten Atomkraftwerke in der Golfregion an ein Konsortium unter Führung des südkoreanischen Staatskonzerns Kepco vergeben haben. Das derzeit größte zivile Atomprojekt im Umfang von rund 40 Milliarden Euro geht damit den Franzosen verloren, die als Konsortium aus EDF, Areva, Total und GDF Suez angetreten waren. Die Niederlage bei der Ausschreibung in Abu Dhabi gab offenbar den Anstoß zu einem recht bizarren Streit, der im Januar zwischen EDF und Areva öffentlich ausgetragen wurde.
Am 18. Januar warf ein EDF-Sprecher der Areva vor, sie habe die Versorgung der EDF-Kernkraftwerke mit Atombrennstäben sowie die Entsorgung des Atommülls eingestellt. Areva wies den Vorwurf zurück, was die Belieferung mit Brennelementen betraf, bestätigte aber, die Verarbeitung des Nuklearmülls unterbrochen zu haben. Den Hintergrund bildete, daß EDF und Areva sich schon seit einem Jahr nicht über die Kosten der Wiederaufarbeitung von Brennelementen in La Hague einigen können. Einen für das Jahr 2009 ausgehandelten Übergangsvertrag wollte Areva nicht auch für das neue Jahr gelten lassen.
In diesem Zusammenhang wurde nicht ganz zufällig publik, daß sich auch die Fertigstellung des EPR-Reaktors in Flamanville (041006) um mindestens zwei Jahre verzögern wird. Schon der Bau des ersten EPR im finnischen Olkiluoto hinkt inzwischen um drei Jahre hinter der Planungen her (090909). Anders als in Olkiluoto ist in Flamanville aber die EDF für die Bauleitung verantwortlich, während Areva sich auf die Rolle des Lieferanten beschränkt. "Die große Nuklearbaustelle von EDF gerät in Rückstand", titelte deshalb die Zeitung "Le Figaro", als sie am 19. Januar mit der Neuigkeit aufwartete.
Schon vor seinem Amtsantritt hatte der neue EDF-Chef Henri Proglio (091017) eine bessere Koordination der französischen Nuklearunternehmen verlangt und dabei für EDF die Führungsrolle beansprucht. Laut "Le Monde" (19.11.09) war in diesem Konzept für Areva nur die Rolle eines "wichtigen Zulieferanten" ("sous-traitant important") vorgesehen, an dessen Kapital EDF sich beteiligen könnte. Zugleich plädierte er praktisch für die Rückzerlegung des staatlichen Nuklearkonzerns, der 2001 aus dem Reaktorbauer Framatome, dem Brennelemente-Hersteller Cogema und anderen Firmen entstanden war (010916). In einem Interview mit "Le Figaro" (26.11.) bestritt Proglio wenig später, die Zerschlagung von Areva oder eine Kapitalbeteiligung von EDF verlangt zu haben.
Der Streit wird vorläufig zumindest nicht mehr öffentlich ausgetragen,
nachdem Ministerpräsident Francois Fillon den EDF-Chef zusammen mit Areva-Chefin
Anne Lauvergeon zu sich einbestellte. Proglio hat sich wohl verkalkuliert, wenn er
bei seiner Attacke auf die Areva, die bereits durch den Zwangsverkauf der profitablen
Tochter Areva T&D (100113) gebeutelt wird, mit dem Beistand
der Regierung rechnete. Auch sonst machte er in der kurzen Zeit, in der er den französischen
Strommonopolisten leitet, keine gute Figur. Unmut erregte in der französischen
Öffentlichkeit vor allem, daß er zusätzlich zu den 1,6 Millionen Festgehalt
als Chef der EDF noch 450.000 Euro als Vorsitzender des Verwaltungsrats von Veolia
Environnement kassieren wollte. Die Regierung entschied, daß Proglio zwar den
Posten bei Veolia behalten darf, aber auf das Zubrot verzichten muß.