Juli 2010

100714

ENERGIE-CHRONIK


Industriekunden dürfen nicht benötigten Strom weiterverkaufen

Strom- und Gaslieferanten dürfen ihre Industriekunden künftig nicht mehr vertraglich daran hindern, nicht benötigte Energie weiterzuverkaufen und beispielsweise an der Strombörse anzubieten. Wie das Bundeskartellamt am 7. Juli mitteilte, haben sich zwölf der größten deutschen Versorger verpflichtet, auf solche Klauseln in Verträgen mit Industriekunden zu verzichten. Weitere fünf Verfahren dieser Art seien gegenwärtig noch anhängig. Die betroffenen gewerblichen Strom- und Gaskunden würden unmittelbar von ihren Energielieferanten über den Wegfall des bisherigen vertraglichen Weiterverkaufsverbots für Mindestabnahmemengen informiert.

Die Strom- und Gaslieferverträge mit Industriekunden enthalten teilweise sogenannte Take-or-Pay-Klauseln, die den Kunden zu einer Mindestabnahme verpflichten. Die vertraglich vereinbarte Mindestabnahmeverpflichtung ist kartellrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist aber nach Auffassung des Bundeskartellamtes verboten, dem Kunden zugleich ein Weiterverkaufsverbot für diese Mindestabnahmemenge aufzuerlegen. Dies beschränke den Wettbewerb auf den Vertriebsmärkten und behindere den Handel mit Strom und Gas.

Die Beschränkung wurde für Industriekunden besonders nachteilig, als sie infolge der Wirtschaftskrise die Produktion drosseln mußten und dadurch ihr Energieverbrauch erheblich sank. Erste Hinweise auf entsprechende Klauseln erhielt das Bundeskartellamt durch den Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) und im Rahmen der Sektoruntersuchung "Kapazitätssituation in den deutschen Gasfernleitungsnetzen", deren Abschlußbericht seit Dezember 2009 vorliegt. Bei den anschließenden Ermittlungen hat sich das Bundeskartellamt "aus Effizienzgründen auf die größten Strom- und Gaslieferanten samt Tochterunternehmen beschränkt".

Historisch leitet sich das Weiterverkaufsverbot aus § 22 AVBEltV und § 22 AVBGasV ab. Fast gleichlautend hieß es darin, daß die gelieferte Energie nur für eigene Zwecke des Kunden geliefert werde und eine Weiterleitung an Dritte nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Versorgers erlaubt sei. Beide Verordnungen wurden im November 2006 durch die neuen Grundversorgungs-Regelungen abgelöst (061103). Kartellrechtlich sind sie seit der Liberalisierung des Strommarktes ohnehin anfechtbar. Dennoch hat das Weiterverkaufsverbot in einer ganzen Reihe von Gas- und Stromlieferverträgen sowie Allgemeinen Geschäftsbedingungen überdauert.