Februar 2011

110205

ENERGIE-CHRONIK


Berliner erzwingen komplette Offenlegung der Wasserverträge mit RWE und Veolia


Das Aktionsbündnis "Berliner Wassertisch" betrieb erfolgreich die Offenlegung der mit RWE und Veolia geschlossenen Verträge über die Berliner Wasserversorgung. Darüber hinaus bekämpft das Bündnis alle Tendenzen zur Privatisierung der Wasserversorgung, wie sie etwa im letzten Hauptgutachten der Monopolkommission zum Vorschein kamen (100712).

Die Bürger Berlins erzwangen am 13. Februar mit einem Volksentscheid die komplette Offenlegung der Verträge, mit denen 1999 die Privatisierung der Berliner Wasserversorgung erfolgte (990624). Die damals in Berlin herrschende Große Koalition aus CDU und SPD hatte 49,9 Prozent der Berliner Wasserbetriebe (BWB) an RWE und Vivendi (heute Veolia) verkauft, wobei den beiden Konzernen in geheimen Abmachungen erheblich größere Profite zugesichert wurden, als ihnen anteilsmäßig zugestanden hätte. Federführend war dabei die damalige Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD), die auch die Privatisierung des Berliner Stromversorgers Bewag (970501) und des Schwesterunternehmens Gasag (980209) in die Wege geleitet hat. Ruchbar wurde der Handel erst, als nach Ablauf einer bis 2003 vereinbarten Karenzzeit die Berliner Wasserpreise fast doppelt so stark wie im Bundesdurchschnitt stiegen. Das breite Aktionsbündnis "Berliner Wassertisch" betrieb seitdem die Offenlegung die Verträge. Die oppositionellen Grünen nutzten zudem die Empörung über das dubiose Geschäft, um die aktuell regierende Koalition aus SPD und Linke in Bedrängnis zu bringen, die mit bemerkenswertem Ungeschick auf die Enthüllungen reagierte und so den Anschein einer fortdauernden Komplizenschaft mit RWE und Veolia erweckte (100713).

Bei dem jetzt durchgeführten Volksentscheid hatten die Bürger mit Ja oder Nein über einen Gesetzentwurf abzustimmen, der am 17. Dezember 2010 im Amtsblatt für Berlin veröffentlicht worden war (siehe Wortlaut) und in der Zusammenfassung für den Stimmzettel so lautete:

"Alle bestehenden und künftigen Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden im Zusammenhang mit der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe sind mit Ausnahme personenspezifischer Daten vorbehaltlos offen zu legen. Sie bedürfen einer eingehenden öffentlichen Prüfung und Aussprache unter Hinzuziehung von unabhängigen Sachverständigen und der Zustimmung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Sie sind unwirksam, wenn sie nicht im Sinne dieses Gesetzes abgeschlossen und offen gelegt werden."

Für die Annahme des Gesetzes mußten die Mehrheit der Teilnehmer und zugleich mindestens 25 Prozent der Stimmberechtigten zustimmen. Mit einer Wahlbeteiligung von 27 Prozent und einer Zustimmungsrate von 98,2 Prozent wurden beide Quoren erreicht bzw. weit übertroffen. Besonders hoch war die Beteiligung in den Bezirken Treptow-Köpenick (32,8 %) und Steglitz-Zehlendorf (32 %), am schwächsten im Bezirk Mitte (22 %).

Es handelte sich um den dritten Volksentscheid, seitdem 1995 dieses legislative Instrument in der Landesverfassung verankert wurde, und um den ersten, der erfolgreich war. Der Gesetzentwurf muß nun in der beschlossenen Fassung in Kraft treten. Der Senat und das Abgeordnetenhaus hatten dies bisher abgelehnt, obwohl bei einem vorausgegangenen "Volksbegehren" das Votum ähnlich eindeutig gewesen war (das Quorum von 7 Prozent der Wahlberechtigten, das 171.864 Bürgern entsprach, wurde mit 280.887 Zustimmungserklärungen weit übertroffen).

Die Minderheitseigner RWE und Veolia kassierten fast doppelt soviel an Gewinnen wie das Land Berlin

Unter dem Druck des vorangegangenen Volksbegehrens im November 2010 hatten sich die beiden Konzerne und der Senat immerhin zur Veröffentlichung von rund 700 Seiten der Vertragspapiere bereitgefunden. Sie sind seit 10. November im Internet unter www.wasserpartner-berlin.de und www.berlin.de/sen/finanzen einzusehen. Daraus ergibt sich, daß RWE und Veolia in den vergangenen Jahren einen Gewinn von 1,3 Milliarden Euro erzielten, während das Land Berlin als Mehrheitseigner lediglich auf etwa 700 Millionen kam. Die privaten Minderheitseigner haben also tatsächlich überproportional verdient.

Indessen wird bezweifelt, daß tatsächlich alle Vereinbarungen veröffentlicht wurden, wie dies der Senat und die beiden Konzerne behaupten. Der "Berliner Wassertisch" nennt insgesamt fünf Dokumente, die bisher mit der Schutzbehauptung, daß es sich um konzerninterne Unterlagen handele, der Öffentlichkeit vorenthalten würden.

Das nun in Kraft tretende Gesetz erzwingt ausdrücklich die Offenlegung "aller Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden". Das gilt ebenso für alle künftigen Abmachungen zur Berliner Wasserversorgung. Darüber hinaus stärkt der Berliner Volksentscheid allgemein und bundesweit die Forderung nach Offenlegung sämtlicher Verträge zwischen staatlichen Institutionen und Privatunternehmen. Die wirtschaftskritische Organisation Attac, die im "Berliner Wassertisch" mitwirkt, sah bereits im erfolgreichen Volksbegehren vom November 2010 einen "wichtigen Etappensieg im bundesweiten Kampf gegen Public-Private Partnerships (PPP) und die mit ihnen einhergehenden Geheimverträge".

Senat verhandelt über Rückkauf der RWE-Beteiligung

Der Senat taktierte in dieser Angelegenheit weiterhin sehr ungeschickt. Schon die Veröffentlichung der Vertragspapiere im Internet erfolgte erst, nachdem zuvor ein wesentlicher Teil in der "tageszeitung" abgedruckt worden war. Die SPD meldete nach dem erfolgreichen Volksentscheid sogleich verfassungsrechtliche Bedenken an, weil der beschlossenen Gesetzentwurf in § 4 die Unwirksamkeit sämtlicher Verträge vorsieht, die nicht binnen eines Jahres offengelegt werden. Der Wirtschaftssenator und BWB-Aufsichtsratsvorsitzende Harald Wolf (Linke) erklärte öffentlich, sich nicht am Volksentscheid zu beteiligen, weil dessen Anliegen bereits erfüllt sei. Hinterher räumte er ein, daß das Ergebnis auch "ein gewisses Misstrauen" ausdrücke, ob der Senat tatsächlich alles offen gelegt habe. Im wesentlichen gehe es aber den Unterstützern des Volksentscheids wie auch dem Senat darum, den Zustand zu ändern, "daß private Investoren am Wasser - an einem öffentlichen Gut - sich eine goldene Nase verdienen". Der Senat verhandele bereits über einen Rückkauf der RWE-Anteile an den Wasserbetrieben, um den Einfluss der öffentlichen Hand zu erhöhen und niedrigere Wasserpreise in Berlin zu ermöglichen. Der Veolia-Konzern habe einen Verkauf seiner Anteile bisher kategorisch abgelehnt.

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