Februar 2011 |
110208 |
ENERGIE-CHRONIK |
Nach Zustimmung durch das Bundeskartellamt hat das Land Baden-Württemberg zum 17. Februar das bisher der Electricité de France (EDF) gehörende Aktienpaket von 45,01 Prozent an der Energie Baden-Württemberg (EnBW) übernommen. Der Kauf erfolgte über die landeseigene Neckarpri GmbH, die eigens für den Erwerb dieser und weiterer Anteile an der EnBW gegründet wurde. Die kommunalen Anteilseigner der OEW Energie-Beteiligungs GmbH (OEW) verfügen wie bisher ebenfalls über 45,01 Prozent der Anteile und werden diese auch behalten. Der Rest der Aktien verteilt sich vorläufig noch auf die Badische Energieaktionärs-Vereinigung (BEV) mit 2,54 Prozent, den Gemeindeelektrizitätsverband Schwarzwald-Donau (G.S.D.) mit 1,28 Prozent, den Landeselektrizitätsverband Württemberg (LEVW) mit 0,54 Prozent, den Neckar-Elekrizitätsverband (NEV) mit 0,69 Prozent, weitere kommunale Aktionäre mit 0,78 Prozent, eigene Aktien der EnBW mit 2,30 Prozent und Streubesitz mit 1,85 Prozent. Den kleinen Aktionären hat die Neckarpri GmbH ein Übernahmeangebot unterbreitet.
Die bisher fünf Sitze der EDF im zwanzigköpfigen Aufsichtsrat der EnBW übernehmen nun Vertreter der Landesregierung. Neben Staatsminister Helmut Rau (CDU) und Justizminister Ulrich Goll (FDP) gehören dazu der Mannheimer Volkswirt Wolfgang Franz, der Chef des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, Rainer Dulger, und der Chef des Anlagenbauers Voith, Hubert Lienhard. Rau ist zugleich Geschäftsführer der Neckarpri GmbH. Die OEW behält ihre fünf Sitze. Unverändert bleiben auch die zehn Sitze der Arbeitnehmerbank. Die neuen Mitglieder müssen noch von der Hauptversammlung am 19. April bestätigt werden.
In der politischen Auseinandersetzung um den Kauf der EnBW ist die Landesregierung inzwischen noch mehr in die Defensive geraten. Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hatte in seiner Regierungerklärung vom 15. Dezember 2010 behauptet, es sei zu der strittigen Frage, ob die Landesregierung die EDF-Anteile ohne Parlamentsvorbehalt kaufen dürfe, "vorab ein verfassungsrechtliches Gutachten einer Anwaltskanzlei eingeholt worden". Tatsächlich ist aber ein entsprechendes Gutachten der Stuttgarter Kanzlei Gleiss Lutz von eben diesem 15. Dezember datiert, während Mappus den Kauf der EnBW bereits am 6. Dezember verkündet hat. Mappus versucht sich nun damit herauszureden, es habe vorab eine "mündliche Unterrichtung" stattgefunden.
Der frühere Bundesverteidigungsminister Rupert Scholz (CDU), der Mitglied der Sozietät Gleiss Lutz ist, bestätigte die Version der "mündlichen Unterrichtung". In einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen" (12.2.) bekräftigte er außerdem die in dem Gutachten seiner Kanzlei vertretene These, der Landesregierung habe das Notbewilligungsrecht nach Artikel 81 der Landesverfassung zugestanden, weil die EDF den Parlamentsvorbehalt nicht akzeptieren wollte.
Die EDF will der Behauptung, sie habe den Verkauf der EnBW-Anteile von einer Übergehung des Parlaments abhängig gemacht, offenbar nicht widersprechen. Insgesamt wirkt aber alles wenig überzeugend. Zum einen wäre die Landesregierung durch ein solches Verhalten der EDF – mit oder ohne Einholung eines Rechtsgutachtens - noch lange nicht zur Inanspruchnahme des auf Seuchen und Katastrophen zugeschnittenen Notbewilligungsrechts in Artikel 81 der Landesverfassung berechtigt gewesen. Zum anderen hätte es für die EDF überhaupt keinen Grund gegeben, die Übergehung des Parlaments zu verlangen: Da die Landesregierung im Stuttgarter Landtag über eine klare Mehrheit verfügt, konnte dessen Zustimmung zu dem Geschäft als absolut sicher gelten – jedenfalls noch sicherer als die Zustimmung des Bundeskartellamts, die sowieso erst eingeholt werden mußte.