März 2011

110305

ENERGIE-CHRONIK


Brüderle erklärt dem BDI die Atomwende Merkels mit dem Druck des Wahlkampfes

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hat am 14. März führende Vertreter des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) in vertraulicher Runde darauf hingewiesen, daß sie das KKW-Moratorium der Kanzlerin (110302) vor dem Hintergrund der bevorstehenden Landtagswahlen sehen müßten. Durch eine Panne bei der Verbreitung des Protokolls der BDI-Sitzung wurde diese Äußerung am 24. März publik und trug so kurz vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zum schlechten Abschneiden der Regierungsparteien bei.

Brüderle sollte vor den knapp 40 Mitgliedern von Präsidium und Vorstand des BDI im Berliner "Haus der deutschen Wirtschaft" eigentlich nur zum Thema Industriepolitik sprechen. Als jedoch die Nachricht von der drohenden Kernschmelze im japanischen Kernkraftwerk Fukushima Daiichi eintraf (110301) und bald danach die Kanzlerin ihren atompolitischen Schwenk beschloß (110302), wollte BDI-Präsident Hans-Peter Keitel von Brüderle wissen, ob die Nachricht von dem Moratorium stimme und was es damit auf sich habe.

Laut Protokoll beruhigte Brüderle die anwesenden Wirtschaftsbosse, unter denen sich auch RWE-Chef Jürgen Großmann und E.ON-Chef Johannes Teyssen befanden: "Der Minister bestätigte dies und wies erläuternd darauf hin, daß angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen Druck auf der Politik laste und die Entscheidungen daher nicht immer rational seien". Im übrigen sei er selber ein Befürworter der Kernenergie, schon mit Rücksicht auf die Branchen, die besonders viel Energie benötigen. "Es könne daher keinen Weg geben, der sie in ihrer Existenz gefährde."

Opposition nimmt Brüderle in die Zange – BDI spricht von Protokollfehler

Obwohl der Verteilerkreis des Protokolls sehr klein war, wurde Brüderles Äußerung offenbar gezielt der "Süddeutschen Zeitung" zugespielt, die darüber am 24. März berichtete. Noch am selben Tag wurde sie von den Oppositionsparteien im Bundestag aufgegriffen. Vor allem Gregor Gysi von der Linken stellte sie in den Mittelpunkt seiner Rede. Genüßlich zitierte er aus dem Protokoll, wie es in dem Zeitungsbericht wiedergegeben wurde, und empfahl dem Bundeswirtschaftsminister: "Herr Brüderle, ich rate Ihnen, das nicht zu bestreiten."

Rainer Brüderle, der nach Gysi ans Mikrofon trat, vermied es in der Tat, die Richtigkeit des Protokolls direkt zu bestreiten und damit den Vorwurf zu riskieren, das Parlament belogen zu haben. Stattdessen berief er sich auf den BDI, der inzwischen behauptet hatte, das Protokoll sei fehlerhaft gewesen: "Sie haben aus einem Protokoll zitiert, zu dem der BDI inzwischen erklärt hat, dass meine Ausführungen falsch wiedergegeben worden sind." Unter erneutem Gelächter der Opposition beteuerte Brüderle: "Es ist absurd, uns Wahlkampfmanöver vorzuwerfen."

Hans-Josef Fell stellte dazu als Sprecher der Grünen fest: "Herr Minister Brüderle, da kommen Sie nicht mehr heraus. Sie haben beim BDI in Anwesenheit von RWE und E.ON die Wahrheit zu Protokoll gegeben. Das jetzt als Fehler im Protokoll ausgeben zu wollen, macht Sie noch wesentlich unglaubwürdiger, als Sie es vorher schon waren. Ihr angebliches Atommoratorium ist reine Wahlkampftaktik. Das haben Sie beim BDI klar zugegeben."

Geschäftsführer des BDI tritt wegen "Indiskretion" zurück

BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf trat am folgenden Tag von seinem Amt zurück. Zur Begründung sagte er: "Ich übernehme die politische Verantwortung für die Folgen einer Indiskretion, an der ich persönlich nicht beteiligt war, um möglichen Schaden für das Verhältnis von Wirtschaft und Politik abzuwenden." Daß Schnappauf nun von einer "Indiskretion" sprach, klang wie ein Dementi seiner früheren Darstellung, wonach Brüderles Äußerungen nicht richtig wiedergegeben worden seien.

Anscheinend war das Verhältnis zwischen Schnappauf und BDI-Präsident Keitel ohnehin gespannt gewesen, so daß Keitel die Gelegenheit nutzte, um den früheren bayerischen Umweltminister endlich loszuwerden. Als möglicher Nachfolger gilt Dieter Schweer, der seit Mai 2009 der BDI-Geschäftsführung angehört und bis Ende November 2003 die Konzernkommunikation des RWE-Konzerns verantwortete. Schweer war vom damaligen RWE-Chef Harry Roels überraschend entlassen (031108) und dann von Keitel, mit dem er bereits zu dessen Zeiten als Chef der RWE-Tochter Hochtief zusammengearbeitet hatte, zum BDI geholt worden (090418).

Links (intern)