Mai 2011

110504

ENERGIE-CHRONIK


Schweiz will keine neuen Kernkraftwerke mehr bauen

Die Schweizer Regierung - der Bundesrat - beschloß am 25. Mai, die fünf Reaktoren des Landes am Ende ihrer Betriebsdauer stillzulegen und nicht durch neue Kernkraftwerke zu ersetzen. Sie geht dabei von einer sicherheitstechnischen Betriebsdauer von voraussichtlich 50 Jahren aus. Somit würde im Jahr 2019 Beznau 1 vom Netz gehen. Im Jahr 2022 würden Beznau 2 und Mühleberg folgen, 2029 Gösgen und 2034 Leibstadt (siehe Tabelle).

Die vier Schweizer Kernkraftwerke: Leibstadt liegt am Hochrhein, direkt an der Grenze zu Deutschland. Beznau, Gösgen und Mühleberg wurden an der Aare errichtet. Über Kühltürme verfügen nur Leibstadt und Gösgen.

Die Regierung sieht zwar keinen Anlaß für eine vorzeitige Stillegung der bestehenden Anlagen, ist aber der Ansicht, "daß die Schweizer Bevölkerung das mit der Kernenergienutzung verbundene Restrisiko verringern will". Zwei Tage zuvor hatten in der Ortschaft Kleindöttingen, die zwischen den Kernkraftwerken Beznau und Leibstadt liegt, mehr als 20.000 Menschen für eine sofortige Wende in der Schweizer Energiepolitik und einen europaweiten Ausstieg aus der Kernkraft demonstriert.

Die Stromerzeugung der Schweiz stammt derzeit zu rund 56 Prozent aus Wasserkraft, zu 39 Prozent aus Kernenergie und zu rund 5 Prozent aus konventioneller Wärmekraft. Der Bundesrat hält einen schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie für technisch möglich und wirtschaftlich tragbar: Wegen des großen Ersatzbedarfs des alternden europäischen Kraftwerkparks würden die Strompreise europaweit steigen. Das mildere die Auswirkungen eines geordneten Ausstiegs aus der Kernenergie auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft.

KKW-Betreiber kritisieren atompolitische Kehrtwende

Auch die Schweizer Politik vollzieht damit nach der Reaktorkatastrophe in Japan eine atompolitische Kehrtwende. Bisher galt der Beschluß vom Februar 2007, wonach die bestehenden Kernkraftwerke ersetzt oder durch Neubauten ergänzt werden sollten, um eine sonst "drohende Energielücke" zu vermeiden (070212). Die Kernkraftwerksbetreiber stellten daraufhin drei "Rahmenbewilligungsgesuche" für den Bau neuer Anlagen an den Standorten Beznau (1450 MW), Mühleberg (1450 MW) und Gösgen (1600 MW). Bereits am 14. März entschied das "Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation" (UVEK), diese Anträge vorläufig nicht weiter zu bearbeiten.

Dem Verband Schweizer Elektrizitätsunternehmen (VSE) kritisierte die Regierungsentscheidung: "Innert kürzester Frist und ohne eingehende Untersuchung sowie ohne Einbezug der Branche wendet sich der Bundesrat von seiner bisherigen, im Jahr 2007 verabschiedeten Strategie ab." Der Energiekonzern Axpo prophezeite eine "problematische Situation bezüglich der Versorgungssicherheit" und steigende Stromkosten für die Verbraucher. In jedem Falle habe man eine derart weitreichende Entscheidung "unbedingt dem Volk zur Abstimmung vorzulegen". Ähnlich tönten die Energiekonzerne Alpiq und BKW. Anscheinend hoffen die schweizerischen KKW-Betreiber, daß eine Volksabstimmung erneut zugunsten der Kernenergie ausgehen würde, wie das 2003 der Fall war (030504).

Die vier Schweizer Kernkraftwerke mit ihren fünf Reaktoren
Standort Typ* Inbetriebnahme MW (netto) Betreiber (Geschäftsführung) Eigentümer
Beznau (1 + 2) DWR 1969 + 1971 2 x 365 Axpo AG Axpo AG
Gösgen DWR 1979 985 Kernkraftwerk Gösgen-Däniken AG (Alpiq) Alpiq (40%), Axpo (25%), Stadt Zürich (15%), CWK (12,5%), Stadt Bern (7,5%)
Leibstadt SWR 1984 1165 Kernkraftwerk Leibstadt AG (Axpo) Alpiq (27,4%), Axpo (22,8%), EGL (16,3%), CWK (13,6%), BKW (9,5%), AEW (5,4%), Alpiq Suisse (5%)
Mühleberg SWR 1972 373 BKW FMB Energie AG BKW FMB Energie AG
* DWR = Druckwasserreaktor, SWR =Siedewasserreaktor (Quelle: www.kernenergie.ch)

 

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